Jk-11 - PREVIEW

nr-Jahreskonferenz 2011

Referenten
Angelika Ohland
Christian Nienhaus
Jens Lohwieser
Renate Gensch
Rolf-Dieter Lafrenz
Mod.: Klaus Raab
Programm
Tag Freitag - 2011-07-01
Raum K1
Beginn 16:15
Dauer 01:00
Info
ID 110
Track Debatte
Sprache der Veranstaltung deutsch
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Hohe Gewinne, niedrige Löhne?

Streiks bei den Zeitungen

Die Journalisten streiken und es gibt (fast) keine Berichte in den Medien darüber. Dabei kann man es durchaus verstehen. Mehr Arbeit für zukünftige Redakteure, finazielle Einußen, besonders bei den Jungen. 40 Stunden Woche, Bezahlung unter Tarif und Urlaubskürzungen sind schon heute keine Seltenheit. Dazu der Trend zu mehr freien Mitarbeitern, für die Qualität des Journalismus ist das alles nicht zuträglich. Aber auch die Verlage kann man verstehen, die Auflagen sinken, die wirtschaftliche Lage scheint angespannt. Trotz aktuell wieder steigenden Gewinnen bleibt man vorsichtig. Wie gut oder schlecht es den Verlagen wirklich geht ist ungewiss - ihre Bilanzen offenlegen müssen sie nicht. Vielen Werbekunden geht es schlecht und sind wählerisch geworden. Zudem ist die Zukunft des Online-Marktes unklar, denn noch gibt es keine akzeptierten Bezahlmodelle für, heute kostenlose, Onlineangebote. Es fehlen die neuen Ansätze. Trotzdem wird über die Sache wenig bis garnicht diskutiert, obwohl sich alle Beteiligten einig sind, dass das Thema ein ernstes ist, denn es geht um die Zukunft des Journalimus. Wir wollen ein offenes Forum bieten und eine rationale und sachliche Diskussion führen.

Leitfragen:

  • Was muss sich ändern, damit Journalisten adäquat bezahlt werden?
  • Medienkonzerne melden enorme Gewinne - Warum kommt der Aufschwung nicht bei den Journalisten an?
  • Gibt es unten den freien Journalisten zu wenig Zusammenhalt, um eine faire Bezahlung zu erwirken?
  • Gibt es einfach zu viele Verlage und/oder zu viele Journalisten?

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JENS LOHWIESER, Raufeld Medien:

Was muss sich ändern, damit Journalisten adäquat bezahlt werden?

  • Vielleicht die Begriffsdefinition “Journalist”.

Medienkonzerne melden enorme Gewinne - Warum kommt der Aufschwung nicht bei den Journalisten an?

  • So funktioniert leider Kapitalismus.

Gibt es unten den freien Journalisten zu wenig Zusammenhalt, um eine faire Bezahlung zu erwirken?

  • Selbst wenn es ihn gäbe, wäre die Bezahlung dann tatsächlich besser?

Gibt es einfach zu viele Verlage und/oder zu viele Journalisten?

  • Es kann nicht zu viele Verlage geben, sonst würde es sie nicht geben. Und zu viele Journalisten, die wirklich journalistisch arbeiten, kann es auch nicht geben.

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ROLF-DIETER LAFRENZ, Schickler Beratungsgruppe:

Was muss sich ändern, damit Journalisten adäquat bezahlt werden?

  • Ich sehe große Ungleichgewichte in der Bezahlung von Redakteuren. Diese Ungleichgewichte lassen sich meist nicht mit Leistung begründen. Wer das Glück hat, einen festen Arbeitsplatz im Tarifgefüge zu besitzen und lange dabei ist, verdient deutlich mehr als viele freie oder jüngere Kollegen. Die alten Tarifverträge führen zu Personalkosten, die sich in Zukunft nicht mehr viele Verlage leisten können. Die Folge sind Ausgründungen aus dem Tarif oder die Flucht in freie Verträge. Das System der Vergütung von Redakteuren muss insgesamt viel flexibler werden.

Medienkonzerne melden enorme Gewinne - Warum kommt der Aufschwung nicht bei den Journalisten an?

  • Von einem Aufschwung zu reden ist falsch. Die Auflagen sinken, wohin das Auge reicht. Rückgänge können nur über Preiserhöhungen ausgeglichen werden. Auch die Anzeigenerlöse sinken im Trend. Selbst bei hervorragenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden die Vor-Krisenniveaus im Werbemarkt nicht mehr erreicht. Online kann diese Rückgänge (noch) nicht ausgleichen. Wenn die Verlage trotzdem Rekordgewinne melden, so sind diese das Resultat aus den Kostensenkungen der vergangenen Jahre, konjunkturabhängigen Stellenanzeigen und Erlösen aus nicht-journalistischen Geschäftsmodellen. Das ist nicht von Dauer. Der Druck im journalistischen Kerngeschäft wird also weiter anhalten.

Gibt es unten den freien Journalisten zu wenig Zusammenhalt, um eine faire Bezahlung zu erwirken?

  • Kann ich nicht beurteilen.

Gibt es einfach zu viele Verlage und/oder zu viele Journalisten?

  • Mein demokratisches Selbstverständnis sagt, dass es in einer pluralistischen Demokratie gar nicht genügend Verlage geben kann. Meine Liebe zur gut recherchierte und geschriebenen Geschichte sagt, dass es gar nicht genügend exzellente Redakteure geben kann. Mein betriebswirtschaftlicher Verstand sagt, dass in schrumpfenden Leser- und Anzeigenmärkten der Trend zur Konsolidierung von Verlagen und Redaktionen fortschreiten und somit die Anzahl der gut bezahlten Arbeitsplätze im Journalismus sinken wird.

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CHRISTIAN NIENHAUS, Geschäftsführerd der WAZ-Mediengruppe, Vorsitzender ZVNRW

Was muss sich ändern, damit Journalisten adäquat bezahlt werden?

  • In der Frage ist eine Unterstellung enthalten, die ich zurückweisen muss. Es gibt meines Wissens kaum einen Tarifvertrag in Deutschland, bei dem tariflich angestellte Beschäftigte so hohe Gehälter erhalten wie Journalisten mit fortgeschrittenen Berufsjahren und darüber hinaus werden Zusatzleistungen verabredet, zum Beispiel eine tarifliche, überbetriebliche Altersversorgung, bei der der Arbeitgeber zwei Drittel der Beiträge bezahlt, die ihresgleichen in der Deutschen Tariflandschaft suchen.

Medienkonzerne melden enorme Gewinne - Warum kommt der Aufschwung nicht bei den Journalisten an?

  • Die Zeitungsunternehmen und nur für die möchte ich hier sprechen, stecken in einer strukturellen Krise, weil die Übertragung des Geschäftsmodells der Tageszeitungen, bei denen seit Jahrhunderten die Leser für die produzierten journalistischen Inhalte bezahlen, im Internet nicht funktioniert. Der öffentlich-rechtliche Staatsrundfunk erhält eine Medienzwangsgebühr, mit der er beliebige Leistungen im Internet und auf Mobil-Phones anbieten kann, die den Endverbraucher zusätzlich nichts kosten. Deswegen müssen sich die Zeitungsverlage Gedanken machen, ob sie die opulenten tariflichen Nebenleistungen im Bereich Urlaubs-, Weihnachtsgeld und Tarifliche Altersversorgung auch in den nächsten 20 Jahren aufrecht erhalten können.

Gibt es unten den freien Journalisten zu wenig Zusammenhalt, um eine faire Bezahlung zu erwirken?

  • Auch hier unterstellen Sie fälschlicherweise wieder eine unfaire Bezahlung; freie Journalisten werden meiner Meinung nach fair bezahlt.

Gibt es einfach zu viele Verlage und/oder zu viele Journalisten?

  • Im Internet wirkt sich die Konkurrenz durch von Amateuren erstellte Blogs und das zur Verfügung stellen von Informationen durch Interessengruppen oder interessierte Laien nachteilig für das Geschäftsmodell "hauptamtlicher Journalismus" aus.

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ANGELIKA OHLAND, Freischreiber

Was muss sich ändern, damit Journalisten adäquat bezahlt werden?

  • Honorare sollten nach Rechercheaufwand statt nach Textlänge bemessen werden: Tagessätze statt Zeilengeld. Autoren müssen an allen Erlösen, die Verlage mit ihren Texten erzielen, beteiligt werden – also weg mit den Buyout-Verträgen. Und es gibt Honorare, die schlicht unsittlich sind.

Medienkonzerne melden enorme Gewinne - Warum kommt der Aufschwung nicht bei den Journalisten an?

  • Viele Verlage glauben offenbar noch, sie könnten langfristig mit Honorardumping jenen Journalismus bekommen, für den Leser bereit sind Geld auszugeben. Hätten sie Recht, müsste es allen, die Cent-Beträge pro Zeile zahlen, blendend gehen – ist aber nicht so. Hinter der Geringschätzung journalistischer Arbeit steckt ja auch eine gewisse Leserverachtung, und die rächt sich irgendwann. Wenn Verlage innerlich auseinanderbrechen in Ökonomen und Journalisten, dann schlägt das übrigens auch auf die festangestellten Redakteure durch: aus selbstbewussten Journalisten werden Besitzstandswahrer.

Gibt es unter den freien Journalisten zu wenig Zusammenhalt, um eine faire Bezahlung zu erwirken?

  • Freischreiber e.V. ist ein Beispiel dafür, wie freie Journalisten sich untereinander vernetzen, einander unterstützen und ihre Interessen vertreten. Man darf sich das nur nicht mehr so statisch wie in früheren Zeiten vorstellen. Es geht auch darum, Prozesse in Gang zu setzen und Grenzen zu markieren.

Gibt es einfach zu viele Verlage und/oder zu viele Journalisten?

  • Gute Verlage und gute Journalisten gibt es nie genug. Ich frage mich eher, ob wir in Zukunft noch genügend qualifizierte Journalisten haben werden, wenn diese von ihrer Arbeit nicht mehr leben können und in andere Berufe abwandern. Was, wenn irgendwann in den PR-Agenturen klügere Köpfe arbeiten als in den Verlagen?