Jk-11 - PREVIEW

nr-Jahreskonferenz 2011

Referenten
Linda Polman
Marion Aberle
Wim Dohrenbusch
Mod.: Lutz Mükke
Programm
Tag Freitag - 2011-07-01
Raum R1
Beginn 13:45
Dauer 01:00
Info
ID 114
Track Ausland
Sprache der Veranstaltung deutsch
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Sich nicht gemein machen, auch nicht mit einer guten Sache?

Journalisten und Hilfsorganisationen

Hilfsorganisationen und Journalisten gehen häufig Symbiosen ein. Besonders während Krisen, Kriegen, Katastrophen sind Journalisten auf Hilfsorganisationen angewiesen. Dabei professionalisiert sich die PR von Hilfsorganisationen zunehmend, während im Journalismus Stellen und Budgets gekürzt werden. Untergräbt die PR der „Mitleidsindustrie“ unabhängigen Journalismus?

Leitfragen

  • Wie kompetent informieren Medien über Themen der Entwicklungshilfe?
  • Hilfsorganisationen beschweren sich oft, Journalisten würden erst dann berichten, wenn’s kracht. In Afrika brauche es schon Hunderttausende, die hungern oder Not leiden, bevor das überhaupt zur Nachricht wird. Stimmt das? Warum ist das so?
  • Hilfsorganisationen als auch Journalisten leben zu einem guten Teil von Krisen, Kriegen, Katastrophen. Journalisten sind bei der K-Berichterstattung oft auf Informationen von Hilfsorganisationen angewiesen. Die Katastrophen-PR von Hilfsorganisationen soll jedoch häufig überzogen sein. Ist das wahr?
  • Was müssen Journalisten tun, um solchen Übertreibungen nicht auf den Leim zu gehen?
  • Journalisten wie Maybrit Illner, Ulli Wickert oder Anne Will und viele andere engagieren sich für Hilfsorganisationen. Lassen sich Journalisten gern humanitär embedden? Gehen davon Gefahren aus? Und wenn ja, welche?
  • Frau Polman hat ihr Buch „Die Mitleidsindustrie“ genannt. Sie zeigt darin, dass Hilfsorganisationen mehr als nur barmherzigen Motiven folgen. In Afghanistan seien sie bspw. strategischer Teil der Kriegsführung des Westens. Warum kommen solche Dinge in den Medien kaum zur Sprache?

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WIM DOHRENBUSCH

Wie kompetent informieren Medien über Themen der Entwicklungshilfe?

  • Ein allgemeingültiges Urteil zu fällen, ist schwer. Aber grundsätzlich überwiegt das Klischee vom „ewigen Hunger- und Katastrophenkontinent“. Entwicklungshilfe hat ein grundsätzlich positives Image, die Helfer tun Gutes, und es wird eher zu wenig geleistet. Eine kritische Sicht auf Entwicklungshilfe und ihre Auswirkungen ist immer noch die Ausnahme.

Hilfsorganisationen beschweren sich oft, Journalisten würden erst dann berichten, wenn’s kracht. In Afrika brauche es schon Hunderttausende, die hungern oder Not leiden, bevor das überhaupt zur Nachricht wird. Stimmt das? Warum ist das so?

  • Es ist sicher richtig, dass die Aufmerksamkeitsschwelle bei Krisen, Unglücken oder Naturkatastrophen in Afrika höher liegt als in Deutschland, Europa oder anderen Teilen der Welt. Das liegt vor allem an der geographischen, aber auch der emotionalen Entfernung, außerdem an der zunehmenden Konzentration der Medien auf inländische und eher leichte Themen. Ob die Hilfsorganisationen die Messlatte immer richtig ansetzen, daran darf jedoch ebenso gezweifelt werden.

Hilfsorganisationen als auch Journalisten leben zu einem guten Teil von Krisen, Kriegen, Katastrophen. Journalisten sind bei der K-Berichterstattung oft auf Informationen von Hilfsorganisationen angewiesen. Die Katastrophen-PR von Hilfsorganisationen soll jedoch häufig überzogen sein. Ist das wahr?

  • Dafür gibt es durchaus Beispiele. Die großen Hilfsorganisationen betreiben längst sehr professionelle PR und Öffentlichkeitsarbeit. Die Konkurrenz der Helfer ist heute so groß, dass „Fundraising“ zum wichtigsten Standbein geworden ist („jeder Spenden-Euro kann nur einmal ausgegeben werden“). Darüber beklagen sich – hinter vorgehaltener Hand – auch NGO-Mitarbeiter vor Ort.

Was müssen Journalisten tun, um solchen Übertreibungen nicht auf den Leim zu gehen?

  • Ihren Job machen, so wie sie ihn hoffentlich gelernt haben. Gründlich recherchieren, Distanz halten und auch die gegen Klischees in den Heimatredaktion arbeiten. Wenn Journalisten der PR von Hilfsorganisationen nur halb so kritisch gegenüberstehen würden wie der von Wirtschaftsunternehmen wäre schon viel erreicht.

Journalisten wie Maybrit Illner, Ulli Wickert oder Anne Will und viele andere engagieren sich für Hilfsorganisationen. Lassen sich Journalisten gern humanitär embedden? Gehen davon Gefahren aus? Und wenn ja, welche?

  • Ja. Denn es handelt sich ja immer um prominente Kolleginnen und Kollegen, deren öffentliches Wort großes Gewicht hat, aber deren Fachkompetenz – natürlich – dahinter zurück bleibt. Wie auch bei Schauspielern, Musikern oder anderen „Zugpferden“ werden dann in einer oft seltsamen Eigendynamik Not und Elend fernsehgerecht in Form von Spenden-Galas inszeniert. Aber auch andere Journalisten lassen sich instrumentalisieren, weil sie Informationen und oft auch logistische Unterstützung der Hilfsorganisationen brauchen.

Frau Polman hat ihr Buch „Die Mitleidsindustrie“ genannt. Sie zeigt darin, dass Hilfsorganisationen mehr als nur barmherzigen Motiven folgen. In Afghanistan seien sie bspw. strategischer Teil der Kriegsführung des Westens. Warum kommen solche Dinge in den Medien kaum zur Sprache?

  • Das kann ich konkret nicht beantworten. Vielleicht, weil die Vorstellung zu abwegig ist, weil es doch nur Einzelfälle sind, weil man es sich nicht mit den NGOs verderben will? Aber allgemein ist das nichts Neues. Schon zu Zeiten des Kalten Kriegs, oder um Stimmen im UN-Sicherheitsrat abzusichern, wurden und werden in der Regel nur die jeweils treuen Verbündeten unterstützt („Er ist zwar ein Hurensohn, aber er ist mein Hurensohn“).

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MARION ABERLE

Wie kompetent informieren Medien über Themen der Entwicklungshilfe?

  • Entwicklungshilfe ist in der Regel nicht „big news“. Den Stellenwert, den Entwicklungshilfe noch in den siebziger Jahren hatte, als Teil des politischen Mainstreams, der internationalen Realpolitik und der sozialen Bewegungen, hat sie längst verloren. Vor diesem Hintergrund ist die „verbleibende“ Berichterstattung durchaus als kompetent zu bewerten.

Hilfsorganisationen beschweren sich oft, Journalisten würden erst dann berichten, wenn’s kracht. In Afrika brauche es schon Hunderttausende, die hungern oder Not leiden, bevor das überhaupt zur Nachricht wird. Stimmt das? Warum ist das so?

  • Das ist so, weil die journalistischen Regeln gelten, die da überspitzt lauten: „Bad news is good news, good news is no news.“ Und Hamburg näher ist als Ouagadougou. Außerdem fehlen oft die Bilder. Leider hat sich der Trend zur Beschränkung auf den deutschen – oder regionalen – Tellerrand sehr verstärkt.

Hilfsorganisationen als auch Journalisten leben zu einem guten Teil von Krisen, Kriegen, Katastrophen. Journalisten sind bei der K-Berichterstattung oft auf Informationen von Hilfsorganisationen angewiesen. Die Katastrophen-PR von Hilfsorganisationen soll jedoch häufig überzogen sein. Ist das wahr?

  • Das stimmt, weil die Journalisten das so wollen. Erklären Sie mal den Unterschied zwischen einer Nahrungsmittelkrise und einer Hungersnot. Welches Zitat landet am Ende in den Medien – das differenzierte oder das dramatische?

Was müssen Journalisten tun, um solchen Übertreibungen nicht auf den Leim zu gehen?

  • Ihr gelerntes Handwerk ausüben.

Journalisten wie Maybrit Illner, Ulli Wickert oder Anne Will und viele andere engagieren sich für Hilfsorganisationen. Lassen sich Journalisten gern humanitär embedden? Gehen davon Gefahren aus? Und wenn ja, welche?

  • Jedes Embedding ist mit Gefahren verbunden, wenn der Journalist damit nicht umzugehen weiß. Aber man vergleiche mal die Berichterstattung zu Afghanistan: Welche Wirkung hatte das militärische Embedding und welche das humanitäre? Wir lasen und sahen: Deutsche Bundeswehrsoldaten befrieden Afghanistan, indem sie Brunnen graben und Schulkinder tätscheln. Bis die Realität das Bild eingeholt hat.

Frau Polman hat ihr Buch „Die Mitleidsindustrie“ genannt. Sie zeigt darin, dass Hilfsorganisationen mehr als nur barmherzigen Motiven folgen. In Afghanistan seien sie bspw. strategischer Teil der Kriegsführung des Westens. Warum kommen solche Dinge in den Medien kaum zur Sprache?

  • Das zeigt, dass auch Frau Polman verkürzt statt zu differenzieren. Wer es wissen wollte, konnte sich ausführlich etwa mit der Position des Verbandes der Nichtregierungsorganisationen in Deutschland (Venro) beschäftigen, der gerade diese euphemistisch genannte „zivil-militärische Zusammenarbeit“ ablehnt.