Jk-11 - PREVIEW

nr-Jahreskonferenz 2011

Referenten
Ralf Höcker
Rudolf Gerhardt
Sabine Rückert
Mod.: Kuno Haberbusch
Programm
Tag Freitag - 2011-07-01
Raum K1
Beginn 11:45
Dauer 01:00
Info
ID 4
Veranstaltungstyp Podium
Track Debatte
Sprache der Veranstaltung deutsch
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Kachelmann & Co.

Wenn Journalisten zu Richtern werden

Leitfragen

  • Relevanz der Gerichtsberichterstattung: Wieso ist Gerichtsberichterstattung wichtig? Was macht gerade den Fall Kachelmann für die Öffentlichkeit relevant? Was macht ihn interessant? Promi-Malus oder -Bonus? Ein Beispiel für Vergewaltigungsprozesse in Deutschland (vgl. Argumentation Schwarzer)? Verfahrensfehler? Litigation PR?

  • Die Rolle des Journalisten: Testis oder Superstes? Wie objektiv können wir sein? Kann ein Journalist objektiv sein, wenn er sich mit einer Sache gemein macht, selbst wenn es eine gute Sache ist? Bsp.: Schwarzer – zwischen Feminismus und Journalismus; Einberufung in den Zeugenstand Muss das ein Widerspruch sein?

  • Vorverurteilung durch die Medien: Wenn mutmaßliche Täter zu medialen Opfern werden ... Wie wirkt sich die Berichterstattung auf die Öffentlichkeit aus? Was verändert sie in der Wahrnehmung der Leser? Was verändert sie in der Wahrnehmung der Richter/Gerichte? Wo hört subjektive Objektivität auf, wo fängt Verurteilung an?

  • Litigation PR Wenn Medien zu Instrumenten werden: Welchen Einfluss hat die Litigation PR auf die Berichterstattung? Lassen wir uns instrumentalisieren? Steht uns eine unaufhaltsame Boulevardisierung bevor?]

  • Ethische (und juristische) Grenzen der Gerichtsberichterstattung: Sensationslust vs. Neuigkeitswert, Theorie vs. Praxis. Nutzen wir die Sonderstellung der Medien aus? Unterschätzen wir die Macht der Medien? Reicht die Selbstkontrolle der Medien noch aus oder braucht es neue Formen der Medienkontrolle? Berufsethos, Kontrollorgane und Selbsteinschätzung auf dem Prüfstand.

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PROF. DR. RUDOLF GERHARDT

Relevanz der Gerichtsberichterstattung: Wieso ist Gerichtsberichterstattung wichtig? Was macht gerade den Fall Kachelmann für die Öffentlichkeit relevant? Was macht ihn interessant? Promi-Malus oder -Bonus? Ein Beispiel für Vergewaltigungsprozesse in Deutschland (vgl. Argumentation Schwarzer)? Verfahrensfehler? Litigation PR?

  • Jede Demokratie lebt - auch - von der Macht-Kontrolle. Ohne eine solche Kontrolle steht die Tür zur Willkür offen. Die Justiz ist die Dritte Staatsgewalt, und sie ist es, die der Bürger eigentlich persönlich zu spüren bekommt, wenn er vor Gericht steht – hautnah, so könnte man sagen. Also braucht die Justiz ihre Kontrolle auch außerhalb des Instanzenzugs – die Kontrolle durch die Medien.

  • Der Fall Kachelmann ist ein schillernder Cocktail, den Medien ihren „Kunden“ auftischen: Erstens: Sex sells Zweitens: Der „Hauptdarsteller“ ist ein bekannter Mann von großem öffentlichen Interesse Drittens: Es ist eine Frau, die in die Rolle des (angeblichen) Opfers geraten war. Und die Frage: Wer ist es, der da lügt, beschäftige die Gespräche an den Stammtischen.

Die Rolle des Journalisten: Testis oder Superstes? Wie objektiv können wir sein? Kann ein Journalist objektiv sein, wenn er sich mit einer Sache gemein macht, selbst wenn es eine gute Sache ist? Bsp.: Schwarzer – zwischen Feminismus und Journalismus; Einberufung in den Zeugenstand Muss das ein Widerspruch sein?

  • Kein Mensch ist ganz objektiv, auch keine Journalist. „Objektiv ist jemand, der sich seiner Subjektivität bewußt ist“. D.h.: Wir alle müssen uns permanent um Objektivität bemühen.

  • Und wir Journalisten dürfen zwar parteiisch empfinden, aber nicht parteiisch schreiben, solange das Urteil nicht gesprochen ist. Vor-Verurteilung oder Vorfreispruch ist unsere Sache nicht. Wir sind keine Richter.

  • Schon gar nicht in einem Fall wie Kachelmann, wo Aussage gegen Aussage steht. Bis zum Urteil müssen auch wir uns an die Unschuldvermutung halten – und unsere kritische Distanz wahren.

  • Aber wir beurteilen das Urteil des Gerichts.

Vorverurteilung durch die Medien: Wenn mutmaßliche Täter zu medialen Opfern werden ... Wie wirkt sich die Berichterstattung auf die Öffentlichkeit aus? Was verändert sie in der Wahrnehmung der Leser? Was verändert sie in der Wahrnehmung der Richter/Gerichte? Wo hört subjektive Objektivität auf, wo fängt Verurteilung an?

  • Wenn jemand zum „medialen Opfer“ wird, sind wir die Täter. Und das dürfen – und wollen – wir natürlich nicht sein. Die Richter urteilen, wir be-urteilen. Das sind zwei verschiedene paar Schuhe.

  • Eine empirische Umfrage, die ich zusammen mit Herrn Kepplinger gemacht habe, hat gezeigt, daß die Medien Einfluß auf die Strafjustiz haben: Auf die Atmosphäre im Gerichtssaal, auf die Höhe der Strafe, auf die Frage der Bewährung. Wichtig: Nicht auf die Schuldfrage!

  • Diese Umfrage hat auch in der Justiz starke Beachtung erfahren.

Litigation PR: Wenn Medien zu Instrumenten werden ... Welchen Einfluss hat die Litigation PR auf die Berichterstattung? Lassen wir uns instrumentalisieren? Steht uns eine unaufhaltsame Boulevardisierung bevor?

  • Wir nutzen die Sonderstellung der Medien nicht aus: Wir erfüllen auch bei Gerichtsberichterstattung nur unsere berufliche Aufgabe. Wir sind Beobachter, und – natürlich – kritische Beobachter. Und nicht Protokollanten der Justiz und der Verhandlung vor Gericht.

  • Eine neue „Medien-Kontrolle“ brauchen wir nicht. Das Presse-Recht, das Medien-Recht ist weitgehend Richter-Recht. Und die richterliche/justitielle Macht „teilen“ sich der BGH, das BVerfG, der EGMR und der EuGH.

  • Sie stehen in einer neuen Art von richterlichem Konkurrenzkampf. Aber das Spannungsverhältnis zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz ist ausgewogen.

  • Der Deutsche Presserat hat nur eine sanfte Macht. Aber sein Bußgeldkatalog: Hinweis, Mißbilligung. Rüge öffentliche Rüge ist hinreichend.

  • Wir brauchen keine neuen Mediengesetze zum Persönlichkeitsschutz und sie könnten verfassungswidrig sein. Herr Kauder mag darüber nachdenken. Aber bei diesem Nachdenken sollte es bleiben.

  • Allerdings hat der weitgehende Ausschluß der Öffentlichkeit in der Causa Kachelmann wichtige Fragen aufgeworfen. Über die sollten wir alle nachdenken.