Jk-11 - PREVIEW

nr-Jahreskonferenz 2011

Speakers
Fritz Wolf
Kai Gniffke
Wolfgang Büchner
Mod.: Eva-Maria Schnurr
Schedule
Day Freitag - 2011-07-01
Room K1
Start time 17:30
Duration 01:00
Info
ID 9
Track Debatte
Language used for presentation German
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Relevanz oder Firlefanz?

Was bestimmt die Schlagzeilen?

LEITFRAGEN

  • Nach welchen Kriterien werden die Nachrichten ausgesucht?
  • Wie hoch ist der Informationsanteil im gesamten Programm?
  • Hat sich die Relevanz bestimmter Nachrichtenthemen in den vergangenen Jahren verändert?
  • Welche Themen haben an Relevanz gewonnen?
  • Inwieweit spielt Quotendruck bei der Nachrichtenauswahl eine Rolle?

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CHRISTOF LANG, Redaktionsleiter und Moderator RTL-Nachtjournal:

Nach welchen Kriterien werden die Nachrichten ausgesucht?

  • Nach den allgemein üblichen! Das RTL Nachtjournal untescheidet sich von unseren Hauptnachrichten RTL Aktuell dabei aber in zweierlei Hinsicht: Erstens sind wir ein Nachrichtenmagazin wie ARD TT oder ZDF HJ, und das hat nicht grundsätzlich die Aufgabe, den gesamten Nachrichtentag so abzubilden, wie er schon in vielen Medien zuvor abgebildet wurde. Sondern wir konzentrieren uns im Rahmen der Themen des Tages auf Aspekte oder Ansätze, die uns speziell interessant sind, stellen Reportage und Analyse stärker in den Vordergrund. Denn zweitens - das Publikum erwartet am Ende des Nachrichtentages einen Nachrichten-Mehrwert - weiterführende Gedanken und auch selbst gesetzte Themen. Bei all dem versuchen wir nicht nur im Elfenbeinturm zu bleiben, sondern auch dem Erfahrungshorizont des Zuschauers angemessen Rechnung zu tragen.

Wie hoch ist der Informationsanteil im gesamten Programm?

  • Punkt 6: Zwei Stunden Punkt 9: 30 Minuten Punkt 12: Zwei Stunden RTL Aktuell: 25 Minuten RTL Nachtjournal 25 Minuten

  • Selbst wenn die ersten drei Formate zugegebenermassen auch Unterhaltungs-Anteile haben, so ist das doch eine erhebliche Strecke pro Tag. Dazu kommen Wochenmagazine wie Extra, Stern TV oder Spiegel TV (letztere teilweise als Fremdanbieterprogramm).

Hat sich die Relevanz bestimmter Nachrichtenthemen in den vergangenen Jahren verändert?

  • Verändert hat sich die Relevanz der Nachrichtenaufarbeitung. Der Zuschauer erwartet mehr als früher, dass ihm die Relevanz der Nachrichten klargemacht wird, dass diese so aufbereitet werden, wie es die moderne Technik ermöglicht, dass die Verständlichkeit hoch ist. Verstösse dagegen bestraft er mit Nichtbeachtung. Wenn überhaupt, dann hat die allgemeine Auslandsberichterstattung vielleicht etwas abgenommen, dafür gibt es mehr Berichte über die EU mit ihren Auswirkungen auf den deutschen Verbraucher.

Welche Themen haben an Relevanz gewonnen?

  • Siehe oben. Dazu Technik mit dem Aufstieg der Smartphones und den Fragen der Datensicherheit, sowie die Wechselwirkung zwischen Politik und Verbraucher - Lebensmittelqualität, Umweltschutz etc.

Inwieweit spielt Quotendruck bei der Nachrichtenauswahl eine Rolle?

  • Bei einem Privatsender ist die Quote selbstverständlich immer ein Thema. Aber die Quote kann nicht das Entscheidungskriterium für Nachrichten sein. Wenn wir sehen, dass das Publikum einen Themenkomplex offenbar nicht so sehr schätzt, dann lassen wir ihn nicht weg, sondern wir überlegen, wie wir ihn besser vermitteln können. Das hebt die Qualität, denke ich. Das Thema Quoten spielt auch deshalb keine so grosse Rolle bie uns, weil sämtliche RTL Nachrichtensendungen über dem allgemeinen RTL Quotendurchschnitt liegen. Und das Nachtjournal hat in den letzten drei Jahren immer neue Rekordzahlen aufgestellt.

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DR. KAI GNIFFKE, Erster Chefredakteur ARD-aktuell

Nach welchen Kriterien werden die Nachrichten ausgesucht?

  • Zuerst geht es bei uns nach Relevanz. Dann kommt ganz lange gar nichts. Erst dann überprüfen wir, ob ein Thema durch besondere Bilder oder einen außerordentlich hohen Gesprächswert einen Platz in der Tagesschau wert ist - und wenn, dann eher im hinteren Teil der Sendung.

Wie hoch ist der Informationsanteil im gesamten Programm?

  • Ein Programm, dass sich 20 Nachrichtensendungen pro Tag leistet, dazu wöchentlich zwei politische Magazine, ein Wirtschaftsmagazin, zwei Dokumentationsplätze, eine Hauptstadt-Sendung und ein Auslandsmagazin gilt meines Erachtens zu Recht als Informationssender Nummer 1.

Hat sich die Relevanz bestimmter Nachrichtenthemen in den vergangenen Jahren verändert? Welche Themen haben an Relevanz gewonnen?

  • Für ARD-aktuell hat sich die Relevanz von Nachrichtenthemen nicht grundsätzlich verschoben. Sicher verschieben sich von Zeit zu Zeit die Akzente. Das gilt etwa für die Themen Energieversorgung oder Ernährung. Aber der Kern unserer Nachrichten bleibt die harte Politik.

Inwieweit spielt Quotendruck bei der Nachrichtenauswahl eine Rolle?

  • Wir registrieren die Quoten zwar (meist mit großer Genugtuung), sie spielen aber für unsere Nachrichtenauswahl überhaupt keine Rolle.

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FRITZ WOLF, Freier Medienjournalist

Nach welchen Kriterien werden die Nachrichten ausgesucht?

  • Sehr allgemeine Frage. Hängt vom Medium ab, von der Verbreitung, vom Publikum. Im Fernsehen, denke ich, spielen schon noch die herkömmlichen Nachrichtenwerte die führende Rolle. Allerdings kommt im Fernsehen als Kriterium die Visualität dazu: wenn es von etwas keine Bilder hat, hat es wenig Chancen, in die TV-Nachrichten zu kommen. Dazu kommt als wichtiger Faktor: die Geschichtenförmigkeit. Ob sich Ereignisse als Geschichte erzählen lassen. Im derzeitigen Fall der Nachrichtenüberproduktion stellt sich allerdings weniger die Frage, ob Nachrichten ausgesucht werden, sondern vermutlich: welche Nachricht aus welchem Bereich diesmal weggelassen werden muss.

Wie hoch ist der Informationsanteil im gesamten Programm?

  • Das hängt davon ab, wie man misst und wer misst. Ein hoher Informationsanteil gilt jedenfalls als Ausweis gesellschaftlichen Nutzens. Was die Nachrichten im privaten Fernsehen angeht, zeigen alle Untersuchungen, dass die klassischen Politikthemen hier eine geringere Rolle spielen, manchmal gar keine, leserbezogener und alltagstauglicher Nutzwert und Boulevard-Themen eine größere. Was das gesamte Programm angeht, wird hier getrickst: pure Unterhaltungsformate werden gerne als Informationsprogramme ausgewiesen, häufig bei den Privaten, gelegentlich auch bei den Öffentlich-Rechtlichen. Demnächst werden aber wenigstens die „scripted reality“-Formate nicht mehr als Information verbucht.

Hat sich die Relevanz bestimmter Nachrichtenthemen in den vergangenen Jahren verändert?

  • Es finden sich immer Konjunkturen von Themen. Relevante Nachrichtenthemen sind in den letzten Jahren Nachrichten aus der Finanzwelt geworden, leiden aber immer unter der schlechten Darstellbarkeit, kommen deshalb auch nicht angemessen oft im Nachrichtenangebot vor. Das Problem scheint mir weniger die Relevanz zu sein als der Arbeitsdruck, die Geschwindigkeit, in der sich das Nachrichtenkarussel dreht. Der starke Aktualitätsdruck führt wiederum dazu, dass Themen schnell wieder von der Agenda verschwinden, obwohl sie an Dringlichkeit nichts verloren haben. So war etwa zu beobachten, dass die die Reaktorkatastrophe von Fukushima bald abgelöst worden von innenpolitischer Diskussion um die Energiepolitik und dann in die hinteren Ränge verschwand. Umso dringlicher wird es, vom öffentlichen Fernsehen zu verlangen, dass es auch die nachhaltigeren Genres und Formen wie Dokumentation, Porträt oder Dokumentarfilm stärkt und besser platziert.

Welche Themen haben an Relevanz gewonnen?

  • Ökologische Themen sicherlich. Auch Themen der Zivilgesellschaft. Es wer auch dringlich, dass Medienthemen an Relevanz gewinnen. Aber das mögen die Medien am wenigsten: von sich selbst reden. Es soltle dabei aber nicht um Selbstbespiegelung, sondern um Transparenz. Mit Internet, Handyfilm, Twitter und Blogs kommen neue Anforderungen an Glaubwürdigkeit und Referenz ins Nachrichtengewerbe: woher kommen die Informationen, woher die Bilder, welche Interessen stecken hinter Bildern? Diese Fragen werden allmählich immer relevanter.

Inwieweit spielt Quotendruck bei der Nachrichtenauswahl eine Rolle?

  • Das können die Macher besser beantworten. Es gibt sicher einen gewissen Druck, mit Spektakulärem aufwarten zu können, Naturkatastrophen gehen immer, Adelshochzeiten auch.