Jk-11 - PREVIEW

nr-Jahreskonferenz 2011

Referenten
Charlotte Noblet
Klaus Bardenhagen
Markus Böhnisch
Simone Schlindwein
Mod.: Angelika Ohland
Programm
Tag Freitag - 2011-07-01
Raum R1
Beginn 15:00
Dauer 01:00
Info
ID 76
Track Ausland
Sprache der Veranstaltung deutsch
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Glücklich, aber arm?

Die Zukunft von freien Auslandsjournalisten

In Kooperation mit Freischreiber e.V.

Frei im Ausland arbeiten – schöne Idee, aber man will ja auch davon leben. Und wird der deutsche Auslandsjournalismus nicht eh gerade zwischen Verlagsökonomen und deutscher Selbstbeschau zerrieben? Was Freie im Ausland erfolgreich macht, welche Entwicklungen sie gerne stoppen würden und wie durch neue Technik neue Formen entstehen. Ein Zukunftspodium von Freischreiber e.V.

Leitfragen

MARKUS BÖHNISCH, Video- und TV-Journalist, Schwerpunkt Spanien

Sind Auslandsfreie Träumer, die ihre prekären Finanzen romantisieren?


- Egal ob im In- oder Ausland. Journalismus muss das Geld bringen, das man zum Leben braucht. Wenn das nicht funktioniert, muss man etwas grundlegend ändern. Arbeit im Ausland hat daher nichts mit Romantik zu tun, sondern mit Vorlieben, Herausforderungen und der Fähigkeit zu rechnen.


Welche Medien bezahlen ihre Auslandsfreien eigentlich angemessen?


- Was ist angemessen? Ich bin Dienstleister. Entweder die Bezahlung für einen Einsatz stimmt, rechnet sich im Durchschnitt oder ich lehne ab.


Tageszeitung und Hörfunk – funktioniert das alte Modell der Mehrfachverwertung noch?


  • Ich habe bei meinen Kollegen festgestellt, dass es in den vergangenen Jahren entweder auf das eine oder das andere hinauslief.
  
 Sollten Auslandsfreie jetzt arabisch lernen?


- Oder Chinesisch oder Portugiesisch oder Russisch. Ich denke, man muss auf der einen Seite eine Standortanalyse machen (wie viele Kollegen sind schon vor Ort, finde ich eine Lücke?) und sich auf der anderen Seite von der Leidenschaft leiten lassen.
 

Für Einsteiger: Was muss ich können, was muss ich tun, was sollte ich lassen?


  • Wer länger bleiben will, sollte auf jeden Fall die Sprache lernen. Man muss sein Handwerk schon vorher beherrschen und man sollte sich erst einmal treiben lassen und beobachten. Dabei hilft es ungemein, die deutsche Brille nicht aufzusetzen. Sonst sieht vieles gleich wieder so schlimm und unterentwickelt aus. 

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KLAUS BARDENHAGEN, taiwanreporter.de, Mitglied von Weltreporter.net

Sind Auslandsfreie Träumer, die ihre prekären Finanzen romantisieren?

  • Ergeht es Freien im Inland denn besser? In jedem Fall genießen sie maximale Freiheit und wissen über ihr Berichtsgebiet Bescheid.

Welche Medien bezahlen ihre Auslandsfreien eigentlich angemessen?

  • Öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehsender. Meistens jedenfalls.

Tageszeitung und Hörfunk – funktioniert das alte Modell der Mehrfachverwertung noch?

  • Oft ja, weil es noch immer viele Verlage und Sender gibt.

Welchen neuen Formaten gehört die Zukunft?

  • Markenbildung im Netz, direkter Kontakt mit der Zielgruppe. Was es dafür braucht: Ein funktionierendes, flächendeckend akzeptiertes Bezahlmodell.

Sollten Auslandsfreie jetzt arabisch lernen?

  • Ja, wenn sie aus der arabischen Welt berichten wollen. Ohne Kenntnis der Landessprache kratzt man überall nur an der Oberfläche.

Für Einsteiger: Was muss ich können, was muss ich tun, was sollte ich lassen?

  • Zunächst in Deutschland bereits Kontakte knüpfen, dann in ein Land mit niedrigerem Preisniveau als Deutschland gehen, dort radio- und möglichst auch videotauglich sein und sich von ausbleibenden Rückmeldungen nicht entmutigen lassen.

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CHARLOTTE NOBLET, Journalistin und Bloggerin

Sind Auslandsfreie Träumer, die ihre prekären Finanzen romantisieren?

  • Die Zeit der festangestellten Auslandskorrespondenten ist vorbei: Journalisten werden nicht mehr als Belohnung ins Ausland geschickt. Dafür sind flexible Auslandsfreie Legion. Mit dem Job werden zwar keine Luftschlösser gebaut, dafür sind aber prekäre Finanzen verboten: Damit verschwindet nämlich die Motivation. Also lieber über die Arbeitsrechte romantisieren!

Welche Medien bezahlen ihre Auslandsfreien eigentlich angemessen?

  • Ein Mindestlohn wäre für Journalisten in Deutschland längst notwendig. So läuft es in Frankreich, wo die Redaktionen sogar die Sozialbeiträge des Arbeitsgebers für ihre freien Mitarbeiter/innen leisten.

Welchen neuen Formaten gehört die Zukunft?

  • Die neuen Formate werden wahrscheinlich eine Brücke zwischen technischer Gestaltung und redaktionellem Inhalt sowie zwischen aktiven Bürgern und professionellen Journalisten ermöglichen. Zukünftig sollen sich die Medien mehr profilieren und in der Gesellschaft vernetzen, da sie nur noch eine Stimme der Community zwischen vielen anderen sind.

Sollten Auslandsfreie jetzt arabisch lernen?

  • Auslandsfreie sollten am besten die Sprache von dem Land beherrschen, worüber sie berichten. Es klingt banal, aber die Frage stellt sich oft – und bleibt offen - mit der immer größeren Mobilität der Personen: Lieber frisch angekommene Auslandsfreie, die weiter um den Globus reisen, oder richtig angesiedelte Auslandsfreie, die Teil der Gesellschaft vor Ort geworden sind?

Für Einsteiger: Was muss ich können, was muss ich tun, was sollte ich lassen?

  • Ich würde zuerst darauf achten, wie das Zielland in den Medien bereits wahrgenommen wird und welches Image es hat. Dann, was ich dazu beitragen kann und welche Redaktionen daran Interesse hätten. Es ist natürlich von Vorteil, die Medienlandschaften der Redaktionen- und Berichterstattungsländer gut zu kennen sowie die Strukturen, die es schon zwischen den zwei Ländern gibt, zu überblicken. Aber vor Allem zählen Kreativität und Initiative.

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SIMONE SCHLINDWEIN, freie Auslandskorrespondentin der taz, Region der Großen Seen, Afrika

Sind Auslandsfreie Träumer, die ihre prekären Finanzen romantisieren?

  • Im Gegenteil, wir Auslandsfreie sind Realisten, die mit offenen Augen die Welt entdecken und dabei feststellen, dass man auch mit wenig Geld sehr gut leben kann. Und mal ehrlich gesagt: Soooo schlecht verdienen wir gar nicht. Man muss es nur richtig anstellen.

Welche Medien bezahlen ihre Auslandsfreien eigentlich angemessen?

  • Die ARD zahlt einen Bonus für Beiträge „mit erhöhtem Aufwand“. Wenn ich aber darum auch noch kämpfen muss, dann finde ich es respektlos – vor allem dann, wenn aus meinem Beitrag hervorgeht, dass ich aus einem abgelegenen Dorf im Dschungel berichte und eine solche Reise kein Spaziergang ist. Gute Geschichten kriegt man nur, wenn man bereit ist, in aufwendige Recherche und Reisekosten zu investieren.

Tageszeitung und Hörfunk – funktioniert das alte Modell der Mehrfachverwertung noch?

  • Ohne dieses Modell wäre ich bereits verhungert. Ich muss jede Geschichte mindestens 3 - 4 Mal verkaufen, bevor sich der Aufwand lohnt. Zudem bietet dies eine wundervolle Kombination von Recherche und Reportage.

Welchen neuen Formaten gehört die Zukunft?

  • Im Auslandsjournalismus setze ich als Freie auf das alt bewährte Format der Reportage – für Print und Radio. Videojournalisten haben es in Afrika noch immer nicht einfach: Strom gibt es nur selten, die Internetverbindungen sind sehr schlecht, die Transfersrate ist niedrig – das muss man Redakteuren in Deutschland stets noch einmal klar machen, dass ein Upload fast so lange dauert wie die Feldpost.

Sollten Auslandsfreie jetzt arabisch lernen?

  • Nein, sie sollten alle usbekisch, suaheli oder haussa lernen, denn es sind immer die Nebenschauplätze und abgelegenen Nischen, die uns Freie eine Möglichkeit bieten, uns zu entfalten. Selbst Al Jazeera muss derzeit erkennen, dass man nicht 24/7 über die Revolutionen in der arabischen Welt berichten kann.

Für Einsteiger: Was muss ich können, was muss ich tun, was sollte ich lassen?

  • Trau dich, sei fleißig und zuverlässig, mutig, aber nicht zu selbstsicher. Es ist schwierig, eine Balance zu finden zwischen Allround- und Expertenwissen – aber das ist sehr ratsam. Eine ganze Region abzudecken, hat mir immer über Trockenzeiten hinweg geholfen. Denn irgendwo ist immer etwas los.