Die Gier nach Schnäppchen

Wochenlang war er in aller Munde - der damalige Bundespräsident Christian Wulff als peinlicher „Schäppchenjäger“. Und manchem Journalisten, mancher Journalistin dämmerte nur langsam, wie diese mediale Treibjagd auch für die eigene Zunft peinlich werden könnte. Wie fragwürdig und moralisch angreifbar das Anprangern der „Schnäppchen“ des Christian Wullf ist, wenn es in den eigenen Reihen allzu viele gibt, die genau auf der Suche nach diesen Schnäppchen, diesen Rabatten sind. Doch thematisiert wurde das so gut wie nicht. Auch als die Deutsche Bahn und Air Berlin ihre Vergünstigungen für Journalisten strichen – weil es nach der Wulff-Affäre „nicht mehr in die Zeit passt“ -, gab es kaum selbstkritische Berichte, kaum transparente Einblicke in die eigene Zunft für die Leser und Zuschauer. Einige Verlage und Sender (u.a. Springer, Spiegel) reagierten dennoch, sahen das moralische Dilemma, die Frage nach der eigenen Glaubwürdigkeit - und untersagten ihren Mitarbeitern/innen die Nutzung von Presserabatten. Doch die Zugriffe auf die entsprechenden Service-Seiten im Netz mit Tausenden von Firmenangeboten bleiben unverändert hoch. Journalisten/innen suchen weiter nach verbilligten Autos, Waschmaschinen, Telefonen, Karten oder Haartrocknern. Sie sind die wahren Schnäppchenjäger. Warum eigentlich? Und warum wird das ganze nicht zum (selbstkritischen) Medienthema? Warum fordern wir von anderen, über die wir berichten, Transparenz und Verzicht auf Privilegien – und tun so, als ob uns das alles nicht selbst betrifft?