Jk-11 - PREVIEW

nr-Jahreskonferenz 2011

Referenten
Christiane Schnura
Hans-Peter Brix
Mod.: Saskia Eversloh
Programm
Tag Freitag - 2011-07-01
Raum K7
Beginn 13:45
Dauer 01:00
Info
ID 27
Track Lessons: Rechercheberufe
Sprache der Veranstaltung deutsch
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Rechercheberufe IV

Die Arbeiterschützer

Greenwashing der Großkonzerne im Visier

Billig-T-Shirts aus Bangladesch, Weichmacher-Spielzeug aus China oder Fußbälle aus Pakistan. Wo Unternehmen Greenwashing betreiben, gehen Christina Schnura, Clean Cloth Campaign, und Hans-Peter Brix, CSR-Tester der Stiftung Warentest, den Produktionsbedingungen auf den Grund: Inspektion ausländischer Produktionsstätten, Arbeiter-Interviews und auch Besuche in den deutschen Firmenzentralen gehören zu den Recherchemethoden der Arbeiterschützer.

Menschenunwürdige Zustände tun sich auf, nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch bei Europäischen Bio-Anbietern. Mit schlechten Testergebnissen und Urgent Actions - wie aktuell gegen die gefährliche Sandstrahlmethode in der Jeansverarbeitung – zwingen die Arbeiterschützer auch Großkonzerne in die Knie.

Fragen an Christiane Schnura

Wie ist die Clean Cloth Campaign entstanden?

  • Die internationale „Clean Clothes Campaign“  entstand 1990 auf Initiative verschiedener Organisationen in den Niederlanden und verbreitete sich 1995 weiter in Belgien, Deutschland, Frankreich , Italien, Großbritannien, Österreich, Schweden, der Schweiz und Spanien. In Deutschland hat sich die Kampagne für „Saubere“ Kleidung im Sommer 1996 gegründet. Von Anfang an arbeiteten kirchliche Organisationen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen aus dem entwicklungspolitischen Spektrum eng zusammen.

Welche Recherche-Methoden wenden Sie an? Was können Journalisten davon lernen?

  • 21 Organisationen sind im Trägerkreis der Kampagne vertreten. Dadurch haben wir enge Kontakte zu Organisationen (Partnerkirchengemeinden, Int. Gewerkschaftsbund, etc.) in den Produktionsländern.  Diese Kontakte helfen natürlich enorm bei den Recherchen. Wobei der Schutz der Informant/innen höchste Priorität bei uns hat.

Was sind die Anliegen/Ziele von CCC/Saubere Kleidung? Wie gehen Sie vor?

  • In enger Kooperation mit Organisationen in südlichen Ländern erarbeitete sie den „Arbeitsverhaltenskodex für die Bekleidungsindustrie einschließlich Sportkleidung“, der sich auf Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) stützt und folgendes festschreibt: Organisationsfreiheit, Recht auf Tarifverhandlungen, Verbot von Zwangsarbeit, Mindestalter, Antidiskriminierung, angemessenen Lohn, Arbeitsstundenregelung, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Die Kampagne fordert den Bekleidungshandel auf, ihren Arbeitsverhaltenskodex zu unterzeichnen und die Einhaltung dieser Standards von einer unabhängigen Institution kontrollieren zu lassen. Konsument/innen haben einen großen Einfluss. In Deutschland etwa werden pro Jahr und Person rund 870,- Euro für Bekleidung ausgegeben. Damit ist die Bundesrepublik Weltmeisterin im Kleiderkonsum. Genug Kaufkraft, um mit dem Einkaufskorb Politik zu machen.

Was war Ihre spektakulärste Kampagne?

  • Wir haben in den letzten Jahren viele Kampagnen gemacht. Zur Fußball-WM, zu den Discountern, zu den Outdoor-Herstellern, dem Einkaufsverhalten der öffentlichen Hand. Alle Kampagnen waren mehr oder weniger spektakulär. Aktuell finde ich persönlich den Kurzfilm von uns auf Youtube ganz toll.

Was hat sie bewirkt?

  • Seit ihrer Existenz hat die Kampagne einiges erreicht: durch Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit ist das gesellschaftliche Bewusstsein über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in der weltweiten Bekleidungsindustrie enorm gewachsen. Die Beteiligung von Verbraucherern an Unterschriftenkampagnen, Musterbrief- und Eilaktionen ist beachtlich. Ein Netz von Organisationen und Personen aus Industrie- und Entwicklungsländern wurde aufgebaut, das im Fall von Arbeitskonflikten eng zusammenarbeitet. In fünf europäischen Ländern ist die Kampagne an Pilotprojekten beteiligt, in denen sie mit Unternehmen Verfahren der unabhängigen Kontrolle der Einhaltung von Verhaltenskodizes überprüft. In den Niederlanden wurde 1999 die „Fair Wear Foundation“ gegründet, eine unabhängige Verifizierungseinrichtung, in der Unternehmensverbände, Gewerkschaften und Nicht-Regierungsorganisationen vertreten sind. In der Bundesrepublik hat es eine Reihe von Unternehmensgesprächen gegeben – bisher jedoch ohne ein verbindliches Kooperationsprojekt. Die Kampagne ist am deutschen Runden Tisch Verhaltenskodizes vertreten, an dem zurzeit ein gemeinsames Pilotprojekt diskutiert wird. Trotz dieser Fortschritte konnten jedoch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der weltweiten Bekleidungsindustrie bisher nur in Einzelfällen erreicht werden. Für einen umfassenden Fortschritt sind nicht nur weitergehende Kodex-Anstrengungen erforderlich, sondern auch gesetzliche und staatliche Initiativen im Bereich der Umsetzung von Arbeits- und Sozialrechten. Nicht zuletzt wegen diesen letzten Punkt ist auch das Einkaufsverhalten der öffentlichen Hand in unseren Fokus gerückt.

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Fragen an Hans-Peter Brix

Wie kam es dazu, dass die Stiftung Warentest CSR-Tests eingeführt hat? Wie nehmen Verbraucher und Produzenten die Tests an?

  • Im zunehmenden Maße sind die Verbraucher nicht nur an Qualität und Preis eines Produktes interessiert, sondern fragen auch, unter welchen Umständen dessen Herstellung erfolgte. Kinderarbeit, Vernichtung natürlicher Ressourcen und unzumutbare Bedingungen in Produktionsstätten in Niedriglohnländern möchten viele Konsumenten nicht durch ihre Kaufentscheidungen unterstützen. Natürlich ist das längst noch nicht die Mehrheit der deutschen Verbraucherschaft, aber ein Anteil, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Stiftung Warentest hat deshalb seit 2004 begonnen, den Lesern unserer Zeitschrift „test“ bei ausgewählten Produkten über Preis und Qualität hinaus auch Informationen zum sozialen und ökologischen Kontext von deren Herstellung zu geben. Auch bei den Anbietern und Herstellern findet hierzu ein Prozess der Verantwortungsübernahme statt.

Was war seitdem Ihr spannendster Test bzw. die überraschendsten Ergebnisse – und warum?

  • Beim Test T-Shirts waren wir überrascht über die Anbieter von Biobaumwolle. Üblicherweise kennen Bioanbieter die Produktionskette besonders gut. Doch was bei Biolebensmitteln klappt, ist bei Biomode noch nicht selbstverständlich. CSR-Pionier Otto konnte nicht lückenlos beweisen, dass sein T-Shirt aus Biobaumwolle besteht. Und das, obwohl für jede Stufe – vom Anbau bis zum Händler – Zertifikate vorliegen müssten. Auch bei den T-Shirts von armedangels, panda und trigema – alle drei aus Biobaumwolle – blieb unklar, ob beim Anbau Biokriterien eingehalten wurden. In manchen Betrieben ist zudem die Vermischung mit konventioneller Baumwolle nicht auszuschließen: Anders als vorgeschrieben lagerten biologisch und konventionell angebaute Baumwolle nicht getrennt voneinander. Auch die Verarbeitung erfolgte nicht separat. Somit bleiben Zweifel, ob die T-Shirts wirklich aus 100 Prozent Biobaumwolle bestanden. Kontrolle und Transparenz müssen hier noch verbessert werden.

Was haben Ihre Tests bislang bei den Anbietern bewirkt? Und beim Konsumenten?

  • Einige Unternehmen, die die Auskunft verweigert hatten, würden bei einer neuerlichen Untersuchung auf jedem Fall mitmachen, andere haben eine zusätzliche Abteilung oder zumindest einen Verantwortlichen ins Leben berufen, der sich um die Unternehmensverantwortung und die Zulieferer kümmert. Leserbefragungen haben ergeben, dass sowohl die positiven als auch die negativen Ergebnisse („Anbieter verweigert Auskunft“) bei den Befragten in Erinnerung bleiben und ein Drittel schon heute CSR-Aspekte beim Einkauf berücksichtigen. Leider liegen uns keine Erkenntnisse darüber vor, ob sich die Produktionsbedingungen verbessert haben.

Mit welchen Methoden sind Sie vorgegangen?

  • Für die Durchführung wird ein dreistufiger Ansatz gewählt: Entwicklung von Kriterien und Befragung der Anbieter zu diesen Kriterien, „Sekundär-Research“ zu Informationen in Medien und bei Nichtregierungsorganisationen, Besuch der Unternehmen und relevanter Zuliefererbetriebe durch von uns beauftragte Sachverständige zur Überprüfung der gegebenen Antworten.

An welchen Standards orientieren Sie sich? Welche rechtlichen und formalen Grenzen gibt es?

  • Wir haben bei der Entwicklung unserer Kriterien internationale Standards und Leitlinien ausgewertet, wie den Global Compact der Vereinten Nationen, die Leitsätze für multinationale Unternehmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), den Standard SA8000 von Social Accountability International (SAI), einer amerikanischen privaten Non-Profit-Organisation, die Verhaltenskodices (Code of Conduct) vieler international agierender Unternehmen sowie deren Umwelt-, Sozial- und Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Schwerpunktsetzung variiert naturgemäß in einigen Fragestellungen von Branche zu Branche, gleichwohl hat sich eine hohe Übereinstimmung der adressierten Fragen und Problembereiche ergeben.

Nach welchen Kriterien haben Sie persönlich Ihr letztes T-Shirt gekauft?

  • Neben der Informationsverwertung ist das für mich eine Frage des Vertrauens in den Anbieter und seine Glaubwürdigkeit!