Jk-11 - PREVIEW

nr-Jahreskonferenz 2011

Referenten
Andreas Klodt
Mod.: Steffi Radke
Programm
Tag Samstag - 2011-07-02
Raum K7
Beginn 14:45
Dauer 01:00
Info
ID 33
Track Lessons: Rechercheberufe
Sprache der Veranstaltung deutsch
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Rechercheberufe XII

Der Pfarrer

Woche für Woche entscheidet der evangelische Pfarrer Andreas Klodt,je nach aktueller Themenlage ,welche "Anstösse" er sowohl auf der Kanzel als auch den Hörern und Internet-Usern zweier SWR-Radiosender geben will. Dabei nutzt er die verschiedensten,sich ständig ändernden Recherchemethoden. Was macht eine gelungene Sonntagspredigt sowie eine entsprechende Morgenandacht im Radio aus und mit welchen Recherchen und Möglichkeiten entstehen solche Predigten oder ein Hörfunk-Beitrag? Entscheidende Frage dabei: Wie aktuell kann ein Pfarrer sein Thema in beiden Fällen setzen und welcher Recherchemethoden bedient er sich, um die jeweilige Zielgruppe (kann die überhaupt genau definiert werden?) überzeugend zu erreichen, realitätsnah und nicht zu theologisch "abgehoben"? Welcher traditionellen und modernen (z.B. Internet-) Recherche-Hilfsmittel bedient er sich dabei ? Andreas Klodt, erfahrener Prediger in Gottesdiensten und Medien wird mit spannenden Beispielen seine teils überraschenden Erfahrungen bei der Umsetzung seiner theologischen Arbeit schildern.

Fragen an Andreas Klodt

Was macht eine gute Sonntagspredigt aus?

  • "Sonntagspredigt" erinnert an "Sonntagsfahrer". Der holt - heute kaum noch vorstellbar - einmal die Woche sein Auto aus der Garage und macht damit mehr schlecht als recht eine Fahrt ins Blaue. Dennoch: mit dem Sonntagsfahrer verbindet die Predigt, dass sie sich aus dem alltäglichen Einerlei und der Beliebigkeit von Kommunikation und Information heraushebt und einen Tag, den Sonntag, und ein Ereignis, den Gottesdienst feiert. Vom Sonntagsfahrer unterscheidet die Predigt, dass sie nicht am Sontag nachholt, was die Woche über versäumt wurde, sondern dass sie die ganze Woche ins Gebet genommen hat, vor und mit Gott befragend und bedenkend aus Tradition und Situation eine "Summe", vielleicht auch nur einen Hinweis, eine Frage zieht.

Welche Rolle spielt die Recherche dabei?

  • Wer "Recherche" im Internet recherchiert, wird von den gängigen Suchmaschinen zuerst an Wikipedia verwiesen. Dort ist für die Recherche konstitutiv, dass sie zielstrebig, nicht beiläufig durchgeführt wird. Für Pfarrerinnen und Pfarrer ist zunächst einmal die beiläufige, uneigentliche Recherche wichtig - man könnte auch sagen: die Zeitgenossenschaft. Karl Barth, einer der großen Theologen des 20. Jahrhunderts, forderte zu seiner Zeit für die Kirche Leben mit Bibel und Zeitung. In der Recherche zeigt sich die Einsicht, dass die eigene Weltsicht, Erlebtes und Erinnertes nicht ausreichen, um die Wirklichkeit in ihrer Vielfalt zu erfassen. Im Übrigen: Der durch die vorgeschlagenen Predigttexte notwendige Griff zur Bibel ist die älteste Form der regelmäßigen Recherche.

Nach welchen Kriterien entscheidet sich das Thema der Sonntagspredigt?

  • Die Tradition weist den einzelnen Sonntagen ein geistliches Thema zu. In dieses Thema fließen dann Situation, Befindlichkeiten, Rechercheergebnisse ein. Eine besondere Situation (Stichwort Fukushima), die allgemein zwingend angesprochen werden muss, kann einen ganz anderen Schwerpunkt notwendig machen. Dann wird nach einer Tradition gesucht, die in diese Situation "passt".

Ist die Entscheidung für ein Thema gefallen, wie gehen Sie dann bei der Recherche vor?

  • Soll die Predigt "frisch" sein, wird sich der Schwerpunkt der Predigt erst direkt in den Tagen davor abzeichnen. Insofern ist die Recherche pragmatisch angelegt: Was ist am besten und ohne großen Zeitaufwand zugänglich? Und welches Rechercheergebnis unterstützt die Aussage wirklich, demonstriert nicht nur Belesenheit und enzyklopädische Bildung?

Welche Hilfsmittel nutzen Sie für diese Recherche und wie haben sich die Quellenmöglichkeiten im Laufe der Jahre verändert ?

  • Nach wie vor an erste Stelle stehen auch allgemein sicher eigene Bücher: eine "Bibliothek", die ganz verschieden zusammengestellt sein kann (Belletristik, Fachliteratur, klassisch, zeitgenössisch usw.). Dicht gefolgt von so genannten "Predigthilfen" (veröffentlichte Artikel, die an die Predigtaufgabe des jeweiligen Sonntags heranführen - die Auflagen sinken seit Jahren allerdings kontinuiertlich). Immer größer wird die Bedeutung des Internets. Um es für die Recherche zu religösen bzw. theologischen Fragen wirklich nutzen zu können, ist unabhängiges theologisches Wissen als "Sieb" unbedingt wichtig. Denn im Internet ist der Anteil eher "kruder", randständiger oder auch unhaltbarer Positionen zu religiösen Fragen nicht gerade gering. Für mich persönlich, der ich in einem so genannten "Haus der Kirche" arbeite, wichtig: der Austausch mit anderen, auch mit anderen Professionen. Meine Erfahrung: Predigten werden besser, wenn die Gedanken durch eine Predigtvorbereitungsgruppe gegangen sind.

Wie viel Zeit verwenden Sie für die Recherche?

  • Mein Zeitaufwand für Recherche und Lektüre ist dabei angesichts der sonstigen Aufgaben im Beruf eher hoch (anderthalb Stunden). Ich finde es wichtig, zunächst einmal einen Baukasten voller Möglichkeiten zur Verfügung zu haben, aus denen ich auswähle.

Was lässt sich aus anderen Predigten nutzen, übernehmen, überarbeiten, umarbeiten?

  • Ein ausgesprochen heikles Thema, das kontrovers diskutiert wird! Nach Studium und praktischer Ausbildung ist die Selbst- und Fremderwartung klar: die Predigt ist eine Einzelleistung, oftmals noch immer von der Vorstellung geprägt, Pfarrerin oder Pfarrer führen in der Klausur ihrer Studierstube ein stundenlanges, einsames, titanenhaftes Ringen mit Bibelwort und Zeitfragen - das romantische Dichterbild lässt grüßen. Dagegen führt viele Pfarrerinnen und Pfarrer ihre Recherche wöchentlich auf die Seiten von fertig ausgearbeiteten Online-Predigten. Sie sind mittlerweile so zahlreich wie Sand am Meer. Es ist problemlos möglich, für einen beliebigen Sonntag und Predigttext auf fünf Dutzend (deutsche) Predigten zuzugreifen. Grundsätzlich ist dieser Zugriff legitim, denn auf der Kanzel gibt es kein Copyright. Der Nachweis von wörtlicher Übernahme würde zwar den einen oder die andere in Verlegenheit bringen, aber da es ja nicht darum geht, sich mit fremden Federn zu schmücken, sondern das Evangelium zu verkünden, wäre vor allem zu fragen, ob die Übernahme zielführend ist: Entspricht das, was andere formuliert haben, meiner Art zu sprechen? Erreiche ich damit meine Zuhörer? Kann ich die Inhalte theologisch vertreten? Kann ich diese Fragen bejahen, spricht grundsätzlich nichts gegen ein "Abkupfern", vielleicht mit anderen Beispielen, Bezügen, kleinerern oder größeren Veränderungen. Schwerer wiegen aus meiner Sicht diese Fragen an die Übernahme fremder Predigten: Bringe ich mich nicht um den größten Spaß, das Eintauchen in die Vorbereitung auf ein ganz besonderes Ereignis? Verlerne ich nicht das Vorbereiten einer Predigt, wenn ich es nicht mehr übe? Und was mache ich, von den Schritten zur Predigt entwöhnt, wenn wirklich einmal Not am Manne ist und ich etwas sagen muss, dass nur ich dort und dann formulieren kann?

Wann wissen Sie: die Botschaft meiner Predigt ist angekommen?

  • Dazu muss ich die Menschen ansehen. Man kann spüren, ob man Aufmerksamkeit gewinnt oder verliert. Entscheidend ist es deshalb, mit den Augen nicht an einem Manuskript zu kleben, sondern Blickkontakt zu den Menschen zu halten. Und auch wenn es natürlich schön ist, wenn meine Botschaft, Sicht der Dinge ankommt: ich wünsche mir vor allem, dass durch meine Predigt bei den Zuhörenden eine eigene "Predigt" im Kopf und im Herz entsteht.

Wie recherchieren Sie, wenn Sein Thema in den Medien in der Kürze der Zeit "rüberbringen" wollen?

  • Nicht anders als sonst. Aber noch eine Spur gewissenhafter. Eine Quelle ist dann nicht genug. Denn auch wenn "Predigt" im Kirchenraum als "öffentliche Kommunikation des Evangeliums" gilt, erfolgt die öffentliche Kommunikation in Medien durch die Reproduzierbarkeit und Nachprüfbarkeit unter deutlich größerem Kontrolldruck.