Jk-11 - PREVIEW

nr-Jahreskonferenz 2011

Referenten
Arno Luik
Bettina Schausten
Christian Bommarius
Mod.: Markus Grill
Programm
Tag Freitag - 2011-07-01
Raum K1
Beginn 13:45
Dauer 01:00
Info
ID 5
Track Debatte
Sprache der Veranstaltung deutsch
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Personen statt Inhalte

Immer mehr politikfreie Politikberichterstattung

Sind immer nur die Leser und Zuschauer Schuld, denen man keine harten politischen Stoffe zumuten kann, sondern alles am besten an Personen entlang erzählt? Für den Politikjournalismus bedeutet dies: Immer mehr Porträts von Politikern, immer weniger Analysen über politische Themen. Monatelang zum Beispiel hat sich die halbe Medienwelt auf Karl Theodor zu Guttenberg gestürzt, erst auf seinen glanzvollen Aufstieg, auf die bella figura, die er in Berlin machte, auf seine Frau und ihre TV-Jagd auf Pädophile, schließlich auf den Abstieg und Untergang des einstigen Stars, der seine Doktorarbeit zusammen geklaut hat. Erst ganz am Schluss, als Guttenberg zur persona non grata wurde, hat man auch mal genauer auf seine bescheidenen Leistungen im Verteidigungsministerium geschaut. Dieser Trend zur Personalisierung widerfährt aber nicht nur Stars wie zu Guttenberg. Selbst Annette Schavan, Philipp Rösler oder Horst Seehofer sind dankbare Gegenstände der Berliner Porträtmaler, und es ist meist das gleiche Model: Fast nie geht es um deren Politik, dafür um so leidenschaftlicher um diverse Machtspielchen: wie gut sie mit Merkel können, ob ihr Stern im Steigen oder Sinken begriffen ist, wie glaubwürdig und authentisch sie sind und wie sie beim Wähler ankommen. Es ist eine Form von Journalismus, die Politikberichterstattung eigentlich nur simuliert, tatsächlich aber ziemlich politikfrei ist. Ob Annette Schavan eine sinnvolle Forschungspolitik macht oder Philipp Rösler eine stimmige Wirtschaftspolitik erfährt der Leser fast nie. Zudem enthält bereits die journalistische Form die wichtigste Botschaft: Politiker, die porträtiert werden, sind wichtige Figuren. Das aber muss gerade in der Finanzkrise bezweifelt werden. Statt eines Porträts über Wolfgang Schäuble in der Eurokrise wäre es vermutlich viel politischer, über die Lobbyisten der Großbanken zu berichten, die es geschafft haben, dass auch drei Jahre nach der Lehmann-Pleite jede Lösung des to-big-to-fail verhindert wurde. Warum aber findet diese Form von echter, aufklärerischer Politikberichterstattung fast nicht statt? Und wie müsste ein idealer Politikjournalismus überhaupt aussehen?