Grow-Finalisten 2016
Stipendien für Gründer im gemeinnützigen Journalismus
Einfach Heidelberg - barrierefreies Online-Nachrichten-Portal in Leichter Sprache
www.einfach-heidelberg.de ist das erste barrierefreien Online-Nachrichten-Portal in Leichter Sprache für Heidelberg. Seit April 2016 arbeiten 25 Menschen (Frauen und Männer von 18 bis 60 Jahren mit und ohne Behinderung) gemeinsam an dem inklusiven und gemeinnützigen Journalismus-Projekt. Das Nachrichtenportal will erreichen, dass alle Heidelbergerinnen und Heidelberger unabhängig von ihrem Bildungshintergrund, ihrer Nationalität, ihrem Alter oder ihrer Behinderung die Themen, die die Menschen in der Stadt gerade bewegen, miterleben und gestalten können.
Die Nachrichten auf der Internetseite sind barrierefrei zugänglich, lokal, leicht verständlich und kostenlos. Das unabhängige Online-Nachrichtenportal ermöglicht somit die politische und gesellschaftliche Teilhabe für jede Heidelbergerin und jeden Heidelberger. In einer gemischten Lerngruppe aus Studierenden der Pädagogischen Hochschule und Menschen mit Behinderung wurde das Online-Portal aufgebaut. Seit dem 11. Juli 2016 ist die Internetseite online.
Das inklusive und altersgemischte Redaktionsteam trifft sich regelmäßig und schreibt unter Einhaltung professioneller journalistischer Standards die Artikel selbst. Gemeinsam werden in der Redaktion Themen gesammelt, Informationen recherchiert, Interviews geführt, Texte in Leichter Sprache geschrieben, Fotos gemacht und ausgewählt sowie die Texte auf ihre Verständlichkeit hin geprüft. Neben der Inklusion fühlt sich das Redaktionsteam von Einfach Heidelberg auch der journalistischen Objektivität verpflichtet. Jede Woche gehen ein bis zwei aktuelle Artikel bei Einfach Heidelberg online.
Der Einfach Heidelberg e.V. setzt sich als gemeinnütziger Verein dafür ein, dass kommunale und regionale Nachrichten barrierefrei und in einer leicht verständlichen Sprache für alle zugänglich werden. Der Verein fühlt sich Artikel 21 der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet; dieser erkennt das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Meinungsäußerung und Meinungsfreiheit an, einschließlich der Freiheit, sich Informationen und Gedankengut zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.
Einfach Heidelberg will sich weiterentwickeln und mehr Menschen zur aktiven Mitarbeit und zum Schreiben von Texten in Leichter Sprache motivieren. Zudem wollen wir unsere Erfahrungen auch anderen Journalisten und Initiativen (z.B. Einrichtungen der Behindertenhilfe, gemeinnützigen Vereinen und kommunalen Gruppen, etc.) zur Verfügung stellen und sie dabei unterstützen, barrierefreie Nachrichten-Angebote in Leichter Sprache zu schaffen.
Finanziert wird das Projekt ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Das Online-Nachrichtenportal ist einrichtungsunabhängig und gemeinnützig.
Refugee Reporter (heute: Newscomer). Die Schreib- und Bleibwerkstatt für Geflüchtete im Lokaljournalismus
Wer schreibt, der bleibt. Das besagt ein deutsches Sprichwort. Doch gilt das auch für Geflüchtete, die ihre eigene Geschichte schreiben wollen? In deutschen Medien liest man viel über Geflüchtete – wenig von ihnen. Sie sind Objekt, nicht Subjekt der Berichterstattung. Refugee Reporter will das ändern.
Refugee Reporter bringt Geflüchtete in Kontakt mit Lokalredaktionen. Die Refugee Reporter berichten im Lokalteil der ortsansässigen Tageszeitung aus ihrem Alltag in Deutschland. Dazu bilden LokaljournalistInnen und Geflüchtete ein Mentoringtandem. Die MentorInnen unterstützen die Refugee Reporter dabei, Sprachbarrieren beim Schreiben zu überwinden und schaffen Zugang zur Zeitung. Gemeinsam recherchieren die Tandems zu Themen ihrer Wahl, z.B. Wie erleben Geflüchtete den Alltag in der deutschen Provinz? Welche Hoffnungen, Pläne und Ängste haben sie? Was schätzen sie an ihrer neuen Heimat Deutschland, was nicht? Vorteile für beide Seiten: Lokalredaktionen bereichern so ihre Berichterstattung und entdecken neue Themen. Refugee Reporter erhalten eine eigene Stimme in der Öffentlichkeit.
Langfristig qualifiziert das Seminarprogramm der Schreib- und Bleibwerkstatt die Refugee Reporter dazu, mit eigenständigen journalistischen Beiträgen zum Sprachrohr ihrer Mitmenschen werden. Mit zunehmender Sprach- und Schreibkompetenz können sie sich beispielsweise für ein Volontariat bei der Lokalzeitung bewerben oder eigene Publikationswege im Internet finden. Refugee Reporter berichten aber längst nicht nur über ihr Leben in provisorischen Unterkünften, das bange Warten im Asylprozess oder ihren Kampf mit der Bürokratie. Sie schreiben in der Lokalzeitung – mit Hilfe ihrer MentorInnen – über ganz alltägliche Themen auf der Agenda. Warum, zum Beispiel, nicht auch über die Versammlung der Kaninchenzüchter?
FragDenStaatPLUS
Die Online-Plattform FragDenStaatPLUS gibt JournalistInnen ein einzigartiges und wirkmächtiges Werkzeug für investigative Recherchen an die Hand: Mit einem Klick kann man mithilfe von FragdenStaatPLUS zum einen eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an hunderte Behörden gleichzeitig stellen, zum Beispiel an alle Hochschulen, alle Umweltämter oder alle Polizeibehörden des Landes. Die Antworten der Behörden werden zentral über die bereits bestehende Plattform FragDenStaat.de gesammelt und ausgewertet.
Zum anderen erleichtert FragDenStaatPLUS umfangreiche Recherchen durch Kooperation mit der Crowd. So können LeserInnen über ein auf der Medienseite eingebundenes Widget die Patenschaft für die Anfrage an eine Behörde übernehmen und zusätzliche Informationen für Recherchen aus der eigenen Umgebung beisteuern. Dies ermöglicht auch die Zusammenarbeit von überregionalen und lokalen Medien und stärkt das Bewusstsein für die Nutzung des IFG.
Damit verringert FragDenStaatPLUS Kosten und Aufwand für investigative Recherchen sowohl für freie und angestellte JournalistInnen als auch für Verlage. NutzerInnen der Plattform werden in die Gestaltung journalistischen Arbeitens eingebunden und schaffen durch Partizipation eine neue Öffentlichkeit und Wertschätzung für journalistische Themen und journalistisches Arbeiten.
Follow Up – das Magazin, das nachfasst
Follow Up ist ein Online-Magazin mit langem Atem und ohne formale Beschränkungen – außer einer: Unsere Geschichten beginnen immer dort, wo Meldungen aufhören. Immer sechs Monate später fassen wir nach und richten den Blick darauf, wie sich die Dinge weiterentwickelt haben, seit eine Nachricht hierzulande Konjunktur hatte. Im April 2016 erschienen die ersten Artikel auf www.followup-magazin.de – seither haben wir eine Vielfalt an Themen bearbeitet.
Die Idee hinter Follow Up: Ein Großteil der Presseberichterstattung ist news-driven – allein die Deutsche Presseagentur versendet mehr als 800 Meldungen pro Tag. Interessant ist, was neu und aktuell ist. Sicher: Die aktuelle Berichterstattung gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Presse. Allerdings, so beobachten wir, bleibt es häufig bei der Meldung. Selten erfahren wir, was danach passiert ist, welche Folgen Ereignisse hatten (und haben).
Follow Up zeigt Fehlentwicklungen und Probleme auf, die erst beim Blick auf die Folgen deutlich werden, oder überprüft, was von in der Öffentlichkeit gemachten Versprechungen nach einem halben Jahr noch übrig ist. Somit ergänzen wir das Medienspektrum um langfristig angelegte Reportagen und Recherchen, die eine Schwäche der aktuellen Berichterstattung systematisch kompensieren sollen.
Wir sind überzeugt: Das Konzept ist tragfähig. Jetzt möchten wir die nächsten Schritte gehen: die Website technisch und funktional weiterentwickeln, eine größere Sichtbarkeit erzeugen, und wir wollen unsere Artikel in höherer Frequenz veröffentlichen. Vor allem aber halten wir das Projekt Follow Up seiner Anlage nach – Hintergrundgeschichten, langfristige, kritische Begleitung – für potenziell geeignet, um es gemeinnützig zu betreiben. Die mit dem Stipendium verbundene Beratung zu Non-Profit-Journalismus, Rechtsformen und Geschäftsmodellen möchten wir gerne nutzen, um Follow Up eine stabile organisatorische Basis zu geben, die weiteres Wachstum ermöglicht.
Follow Up ist ein Projekt der freien Journalisten Tim Farin, Boris Kartheuser und David Korsten aus Köln.
Info-Portal Rituelle Gewalt
Rituelle Gewalt bezeichnet extrem sadistische sexualisierte Gewalt, die im Rahmen einer Religion oder Ideologie ausgeübt wird. Opfer berichten von Folter, Kindstötungen und Kannibalismus in Satansmessen, von Kinderprostitution durch rechte Gruppierungen oder christliche Sekten, von Vergewaltigungen bei esoterischen Teufelsaustreibungen. Häufig über einen langen Zeitraum (Jahre oder Jahrzehnte) und häufig unter Beteiligung von engen Familienmitgliedern.
Immer wieder haben Redaktionen solche Berichte von Betroffenen auf dem Tisch. Immer wieder grübeln sie über die Glaubhaftigkeit, versuchen zu verifizieren, stoßen auf ergebnislose Ermittlungen und beschränken sich entweder auf die Einzelfall-Darstellung oder versenken die aufwändigen Recherchen in ihrer Schublade, weil es ja, wie Polizei und BKA immer wieder sagen, „keine Beweise, kein Lagebild“ gibt.
Der Ansatz des Infoportals Rituelle Gewalt wird sein: Taten Ritueller Gewalt sind am Rande anderer Verfahren häufig verlässlich belegt - man muss sie nur sichtbar machen. Auf der Webseite „Infoportal Rituelle Gewalt“ soll die Faktenlage zusammengestellt werden. Basis sind Urteile aus dem In- und Ausland und wissenschaftlichen Studien, verlässlich recherchiert und gut durchsuchbar aufbereitet. Damit z.B. Journalist/innen und Ermittler/innen sich schnell in diesem Themenfeld zurechtfinden. Damit wir von Ermittlungen aus dem Ausland lernen können. Und damit die Glaubwürdigkeit der Zeug/innen solcher Gewalttaten erhöht wird, was ihnen hilft, ihre Ansprüche auf Hilfe besser durchzusetzen. Das Infoportal Rituelle Gewalt bewegt sich im gemeinnützigen Themenfeld Opferschutz - Prävention - Kriminalitätsbekämpfung.
OpenCrime
Mehr als Tatort, Boulevardschlagzeilen und Terroranschläge: Die investigative Non-Profit-Plattform OpenCrime will größere Zusammenhänge, Trends und gesellschaftliche Ursachen rund um Kriminalität, Terrorismus und Justizsystem aufdecken, analysieren und verständlich machen.
Internationaler Waffenhandel, Gefängnisse, die sich in Trainingscamps für Straftäter verwandeln, Drogenkrieg mit gefährlichen gesellschaftlichen Nebenwirkungen, Onlinekriminalität oder transnational organisierte Rohstoffausbeutung: Innovative Methoden wie Datenjournalismus und Virtual Reality können dazu beitragen, mehr Transparenz zu schaffen – und kriminelle Netzwerke, aber auch Herausforderungen und Unzulänglichkeiten im Justizsystem und bei Sicherheitsbehörden aufzeigen.
„OpenCrime“ soll als unabhängige, neutrale Plattform zum „Missing Link“ zwischen Bürgern und Bürgerinnen, Behörden und Initiativen mit Fokus auf Kriminalität, Sicherheitsexperten, Opfern, aber auch Straftätern oder Aussteigern werden – und neben Aufklärung die Entwicklung von innovativen Konzepten zur Prävention unterstützen.
Die OpenCrime-Gründerinnen Julia Jaroschewski und Sonja Peteranderl können durch ihre jahrelange Arbeit als Journalistinnen und Researcher mit Fokus auf Organisierter Kriminalität, Sicherheitspolitik und (Cyber-)Crime in Europa, Lateinamerika, Israel, China, Indien, USA, Mosambik oder Südafrika auf internationale Erfahrungen und ein globales Netzwerk aus Experten und Journalisten, Sicherheitskräften und -experten, aber auch ehemaligen Terroristen, Mitglieder von Gangs und Kartellen, sowie Aktivisten und Initiativen zurückgreifen. (Fotocredit: Julia Jaroschewski)