Mehr Freiheit für alle
Ein Plädoyer für gemeinnützigen Journalismus - von Daniel Drepper
Daniel Drepper (nr-Vorstand)
Mit gutem Lokaljournalismus, mit Auslandsberichterstattung und investigativen Recherchen lässt sich kaum Geld verdienen. Teurer Journalismus war schon immer gemeinnützig, lange Zeit gesponsert von großzügigen Verlegern. Früher kam es bei 20, 30 oder 40 Prozent Rendite auf ein paar Millionen Euro im Jahr nicht an. Das hat sich geändert, die Kassen sind leerer. Es wird Zeit, dass bestimmte Arten des Journalismus auch offiziell gemeinnützig werden und von uns allen finanziert werden können.
Die Zeiten für Aufbruch und neue journalistische Abenteuer könnten besser kaum sein. Bürger empören sich über die Finanzkrise, Überwachung, Klimawandel und die wachsende Schere zwischen Arm und Reich. Menschen treten wieder für ihre Rechte ein, bei Demonstrationen oder im Internet. Die Bevölkerung ist so empfänglich für unabhängige und transparente Berichterstattung wie lange nicht.
Innovativ, beweglich, transparent
In den USA wird im Moment fast jede Woche ein neues Online-Abenteuer gegründet. Nie zuvor sind in so kurzer Zeit so viele ambitionierte Projekte gestartet. Einige sprechen vom Wilden Westen des Journalismus. Viele dieser Projekte sind gemeinnützig. Sie sind innovativ, beweglich und transparent. Gemeinnütziger Journalismus ist näher dran am Bürger, denn er ist seinen Spendern gegenüber direkt verantwortlich. Außerdem müssen gemeinnützige Büros zeigen, dass sie der Allgemeinheit dienen.
In Deutschland gibt es Lokalblogs, Journalistenbüros und kleine Redaktionen, die versuchen, gemeinnützig zu werden. Oft gründen sie Vereine, über die sie Spenden sammeln. Diese Vereine werden zum Beispiel unter dem Label Bildung geführt, um unter den geltenden § 52 der Abgabenordnung zu fallen. Das sind Hilfskonstruktionen, die unnötig Ressourcen fressen. Außerdem sind diese Verrenkungen wackelig, solange Journalismus nicht offiziell als gemeinnützig gilt. Steuerrechtler glauben, dass sich das für bestimmte Arten des Journalismus durchaus ändern könnte.
Harter Lokaljournalismus, Auslandsberichterstattung und investigative Recherche dienen der Allgemeinheit. Journalismus ist Wachhund, vierte Gewalt, Kontrollorgan. Gute Recherchen sind ein perfektes Beispiel für das, was das Gesetz für eine Anerkennung zur Gemeinnützigkeit voraussetzt: Eine Tätigkeit, die „darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“. Was das Ganze so kompliziert macht: Journalismus ist nicht offiziell aufgeführt.
Mehr Unabhängigkeit
Journalismus wird nicht abhängig dadurch, dass er aus Spenden finanziert wird. Eher werden Reporter und Redakteure unabhängiger. Sie sind nicht mehr auf Anzeigenkunden angewiesen, müssen nicht mehr zwingend die größtmögliche Auflage mit den kompatibelsten Themen produzieren. Wenn sich einige hundert oder tausend Spender dafür finden, die Kosten zu tragen, können die Journalisten auch Nischenthemen besetzen oder langfristige Recherchen finanzieren.
Gemeinnützige Journalistenbüros in den USA bezahlen ihre Reporter und freien Mitarbeiter genauso gut oder schlecht wie traditionelle Medienunternehmen, eher sogar besser. Sie dürfen keine Profite produzieren und reinvestieren ihre Einnahmen in den Journalismus. Das wiederum kommt der Allgemeinheit zu Gute.
Die Voraussetzungen sind so gut wie nie. Leute wollen echten Journalismus. Das Herz des Journalismus war schon immer gemeinnützig. Machen wir es offiziell.