Ergebnisse des Workshops „Making Nonprofit Newsrooms Sustainable“ auf der Global Investigative Journalism Conference 2019 in Hamburg
von Anna Driftschröer
Wie lässt sich gemeinnütziger investigativer Journalismus nachhaltig finanzieren? Der Workshop „Making Nonprofit Newsrooms Sustainable“ auf der Global Investigative Journalism Conference (GIJC) in Hamburg konzentrierte sich auf drei Bereiche, die in der Gründungs- und Wachstumsphase wichtig sind: Geld (durch Fundraising), Geld (durch Mitgliedsbeiträge) und Geld (durch andere Erlösquellen). Der ganztägige Pre-Conference-Workshop wurde von Netzwerk Recherche und dem Global Investigative Journalism Network gemeinsam angeboten.
- Kenne Deine Stärken und Schwächen
Wer Stiftungen oder andere Geldgeber um (viel) Geld bittet, sollte gute Argumente haben. Deshalb ist es laut Christine Liehr von der Thomson Foundation wichtig, sich zunächst über den Status Quo des eigenen Projekts klar zu werden. Denn wer nicht weiß, was er will und wo er steht, der wird auch keinen Geldgeber überzeugen können. Dabei helfen kann eine sogenannte SWOT-Analyse, in der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken identifiziert werden.
- Finde den richtigen Förderer
Dem Blick nach innen sollte dann der Blick nach außen folgen. Christine Liehr empfiehlt den Gründern, sich die potenziellen Geldgeber vorher genau anzusehen. Dies helfe dabei, Gemeinsamkeiten zwischen Förderern und dem eigenen Projekt zu erkennen. Daraus lassen sich dann Anknüpfungspunkte ableiten, mit denen das Interesse des Förderers geweckt wird.
- Denke an den Impact Deines Projekts
Für den Geldgeber sollte klarwerden, welchen Nutzen er von einer Förderung hätte. Erfolg misst sich für Stifter oft im „Impact“ und deshalb sollte diese erhoffte Wirkung des eigenen Projektes immer beschrieben und kommuniziert werden.
- Mache Dich mit zentralen Begriffen vertraut
Überhaupt sollte man sich mit der Sprache der Förderer vertraut machen. Häufig benutzte Begriffe sind zum Beispiel „Output“, „Outcome“, „Impact“ oder „Unique Selling Proposition“.
- Pflege Dein Netzwerk
Gründer sollten sich viel Zeit für das Knüpfen neuer und die Pflege bestehender Kontakte nehmen. Denn einmal etablierte Beziehungen und Netzwerke wirkten sich häufig positiv auf die Vergabe von Geldern aus, sagt Bridget Gallagher, die als Beraterin regelmäßig mit gemeinnützigen Medienorganisationen zusammenarbeitet. Sie betont: „Menschen geben am liebsten an Menschen, die sie kennen.”
- Abonnement oder Membership? Kenne die Unterschiede
Kann ein Geschäftsmodell nachhaltig funktionieren, das auf Beitragszahlungen von Mitgliedern basiert? Eine Antwort auf diese Frage sucht das Membership Puzzle Project, ein Forschungsprojekt der niederländischen Online-Plattform De Correspondent und der New York University, das die Erfahrungen mit Membership-Angeboten von Medienorganisationen weltweit auswertet. Die ehemalige Forschungsleiterin des Projektes, Emily Goligoski, die mittlerweile Publikumsforschung für das US-amerikanische Magazin The Atlantic betreibt, berichtete auf der GIJC über Erkenntnisse aus dem Projekt.
Zunächst erklärte Goligoski aber den Unterschied zwischen Abonnenten und Mitgliedern: Abonnenten bezahlen demnach Geld, um Zugang zu einem Produkt oder einer Dienstleistung zu bekommen – wie etwa beim klassischen Zeitungs-Abo. Mitglieder hingegen zahlen nicht nur, um ein Projekt zu unterstützen, an das sie glauben, sondern stellen auch ihre Zeit, Netzwerke, Expertise und ihre Erfahrungen zur Verfügung.
- Öffne Dich für Deine Mitglieder
Das Mitgliedermodell eignet sich daher insbesondere für Organisationen, die bereit sind, sich ihren Mitgliedern gegenüber zu öffnen. Sowohl was Transparenz über die eigenen Finanzen (also das Geld der Mitglieder) angeht als auch die Bereitschaft, die Expertise der Mitglieder für die Organisationsentwicklung oder aber die Berichterstattung zu nutzen. Wer Mitglieder gewinnen möchte, dem rät Goligosky, das Publikum schon lange vor der Veröffentlichung der Inhalte einzubinden und nicht nur hinterher das Feedback einholen.
- Binde Deine Mitglieder in die Recherche ein
Ein weitaus höheres Niveau an Partizipation und Interaktionen mit Nutzern lasse sich erzielen, indem man die Mitglieder bereits bei der Themenauswahl oder der Recherche teilhaben lasse. Eine Abstimmung über die favorisierten Themen bindet das Publikum ein, ebenso eine Crowd-Recherche, wie es beispielsweise Correctiv derzeit mit der „Wem gehört die Stadt“-Recherche zum Wohnungsmarkt in verschiedenen Städten macht.
De Correspondent habe aus seinen Erfahrungen mit dem Membership-Model gelernt, dass es sich empfiehlt, den Nutzern deutlich zu machen, welchen Input man sich von ihnen konkret wünscht, erklärt Goligosky. Sie wies darauf hin, dass sich nicht jedes Mitglied gleichermaßen engagiere.
- Crowdfunding? „Make your audience laugh!“
Unabhängige Journalisten haben im Ungarn Viktor Orbáns nicht viel zu lachen. Tamás Bodoky, Geschäftsführer der gemeinnützigen investigativen Nachrichtenseite Atlatszo, setzt beim Thema Crowdfunding dennoch auf Humor: „Make your audience laugh!“, rät er Medienorganisationen, die wie Atlatszo einen Großteil ihrer Einnahmen (70 Prozent) durch Crowdfunding generieren. Wer beispielsweise Memes verwende und seine Leser auch mal zum Lachen bringe, bekomme eher Geld von seinen Nutzern, so die Erfahrung von Bodoky.
- Prüfe, ob Deine Kernkompetenzen am Markt gefragt sind
Investigativ arbeitende Journalismus-Organisationen haben aus betriebswirtschaftlicher Sicht oft zwei Probleme: eher niedrige Reichweiten und unregelmäßige Veröffentlichungen. Gegenüber Werbekunden sind das keine besonders guten Verkaufsargumente.
Ross Settles, Berater für Medienentwicklung und Journalismus-Professor an der Universität Hongkong, riet deshalb zu prüfen, ob die eigenen Kernkompetenzen am Markt gefragt sind. Im investigativen Journalismus könnten das beispielsweise Fact-Checking-Dienstleistungen, Recherche-Trainings oder Social-Media-Analysen sein.