Wer entscheidet, was gemeinnützig ist?
Die Abgabenordnung, kurz AO, ist das zentrale deutsche Steuergesetz und regelt, was von den Finanzämtern als gemeinnützig anerkannt werden kann. In
§ 52 sind die „gemeinnützigen Zwecke“ aufgezählt, darunter die Förderung von Wissenschaft und Forschung, von Religion, von Tierschutz, Sport, Kleingärtnerei, Karneval, Amateurfunk und manchem mehr.
Fällt auch Journalismus darunter?
Hinweise darauf, dass auch Journalismus gefördert werden kann, sucht man in der AO vergeblich. Zwar ist von „Volks- und Berufsbildung“ die Rede. Jedoch werden bislang in der Regel nur jene Journalismus-Organisationen als gemeinnützig anerkannt, die konkrete Bildungsarbeit machen, also zum Beispiel Seminare veranstalten.
Wozu brauchen Rechercheure die Gemeinnützigkeit?
Eine Organisation, die von den Finanzbehörden als gemeinnützig anerkannt wird, erhält Steuervergünstigungen und die Möglichkeit, Spendenbescheinigungen auszustellen. Der Nonprofit-Status ist laut Kevin Davis, dem ehemaligen Direktor des Institute for Nonprofit News, aus zwei Gründen entscheidend für die Arbeit der Rechercheure: Erstens, weil damit Spendern und Lesern signalisiert wird, dass sich die Organisation an einem höheren Ziel orientiert und sich niemand daran bereichert: kein Einzelner, kein Unternehmen und auch keine Bank. Zweitens, weil Förderer ihre Spenden steuerlich geltend machen können, wenn sie einer als gemeinnützig anerkannten Organisation Geld geben. Details im
Interview mit Kevin Davis.
In den USA gibt es viele anerkannte News-Nonprofits. Was ist da anders?
Auch in den Steuergesetzen der USA wird Journalismus nicht ausdrücklich als anerkennungswürdige Aufgabe erwähnt. Damit journalistische Projekte dennoch den 501(c)(3)-Nonprofit-Status (benannt nach dem entsprechenden Abschnitt im
Internal Revenue Code, dem Bundessteuergesetz) erlangen können, leitet der Internal Revenue Service (die Bundessteuerbehörde) die Gemeinnützigkeit von anderen – im Gesetz als förderungswürdig erwähnten – Aufgaben ab. Dafür muss ein journalistisches Projekt bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Es darf nicht profitorientiert sein und muss einen Bildungsauftrag erfüllen: Seine Aufgabe muss darin bestehen, mit der Berichterstattung auf eine gut informierte Öffentlichkeit in einer freien und funktionierenden Demokratie hinzuwirken. Mehr dazu im
Interview mit Kevin Davis.
Kann man das in Deutschland nicht genauso machen?
Theoretisch könnte man auch in Deutschland journalistische Projekte als gemeinnützig anerkennen, indem man sich auf in der
Abgabenordnung erwähnte Förderungstypen bezieht (z. B. Volks- und Berufsbildung, Umwelt- oder Verbraucherschutz, Kunst und Kultur). Dass dieser „Umweg“ erfolgreich ist, ist in der Praxis aber nicht garantiert, da die Finanzämter Einzelfallentscheidungen treffen. Wünschenswert wäre also eine klare Regelung in der Abgabenordnung, die eine Anerkennung journalistischer Recherchearbeit möglich macht. Darauf arbeiten übrigens auch die Kollegen in den USA hin, um lange Wartezeiten bis zur Anerkennung und Rechtsunsicherheiten abzubauen (nachzulesen im
Bericht der Nonprofit-Media-Arbeitsgruppe des Council on Foundations).
Wie transparent arbeiten gemeinnützige Organisationen?
In Deutschland gibt es leider keine rechtliche Verpflichtung für gemeinnützige Organisationen, ihre Finanzen gegenüber der Öffentlichkeit offenzulegen. Netzwerk Recherche und viele andere Organisationen geben aber freiwillig Auskunft. Sie haben sich der von Transparency International begründeten
Initiative Transparente Zivilgesellschaft angeschlossen. Um ihrem Anspruch gerecht zu werden, müssen gerade journalistische Nonprofit-Projekte transparent arbeiten. In den USA ist dies eine Voraussetzung, um Mitglied im Institute for Nonprofit News zu werden. Zum Beispiel müssen sie Spenden von 1.000 Dollar aufwärts öffentlich machen. Details dazu im
Interview mit Kevin Davis.
Was halten Medienunternehmen von gemeinnützigem Journalismus?
In den USA gibt es ein Mit- und Nebeneinander von profitorientierten Medienunternehmen und den News-Nonprofits. Das Miteinander wird zum Beispiel sichtbar an der Zusammenarbeit namhafter Medienhäuser mit ProPublica. Andere beauftragen die gemeinnützigen Recherchebüros wie Freelancer. Wieder andere lehnen eine Zusammenarbeit ab, weil sie die Nonprofits als Konkurrenz betrachten. Details dazu im
Interview mit Kevin Davis.
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