„Journalism Value Report“: Studie zeigt den gesellschaftlichen Wert unabhängiger Medien und warnt von großer finanzieller Unsicherheit innerhalb des Sektors

Eine neue Studie von Netzwerk Recherche unterstreicht die Bedeutung unabhängiger, gemeinwohlorientierter Medien für den investigativen Journalismus und den Lokaljournalismus in Europa. Der „Journalism Value Report“ liefert detaillierte Daten über den Zustand eines wachsenden Sektors in der europäischen Medienlandschaft, der durch zahlreiche kleine, oft gemeinnützige Nachrichtenredaktionen geprägt ist.

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Newsletter Netzwerk Recherche 239 vom 25.11.2024

Liebe Kolleg:innen,

als ich mich 2013 als Berufseinsteigerin auf Twitter anmeldete, öffnete sich für mich eine neue Welt. Um es mit Robert Habeck zu sagen: Twitter war für mich ein Küchentisch, an dem ich (meist still) saß und politischen Debatten lauschte, interessante Menschen identifizierte und Anstöße für Recherchen bekam und nicht zuletzt: Quellen auftat. Irgendwann wurde die Plattform dann vom Küchentisch zum Stammtisch. Ich verbringe dort kaum noch Zeit, mein ohnehin nicht besonders reichweitenstarker Account dümpelt dahin, dient mir selbst nur noch als eine Art Archiv, in das ich manchmal wehmütig hineinschaue. Aber reicht das? Sollte man der Plattform nicht ganz den Rücken kehren?

Correctiv hat’s längst getan, der Guardian nach der US-Präsidentschaftswahl. Dieser lässt keinen Zweifel mehr daran, „dass X eine toxische Plattform ist und ihr Besitzer, Elon Musk, deren Einfluss nutzt um politische Diskurse zu gestalten“, hieß es in der knappen Email des Guardians an seine Leser:innen Mitte November.

Wenige Tage später dann haben einige prominente österreichische Kolleg:innen so etwas wie den Austro-X-odus eingeleitet. Falter-Chefredakteur Florian Klenk und ORF-Moderator Armin Wolf (die es zusammen auf etwa eine Million Follower bringen) zum Beispiel, haben ihre Accounts stillgelegt.

Auch in vielen Redaktionen in Deutschland wird aktuell darüber nachgedacht, wie man es mit X halten soll. Unsere geschätzte Geschäftsstelle hat den Account von Netzwerk Recherche jetzt übrigens auch „inaktiv“ gestellt. Der Grund: Kaum noch Interaktion, das Team will sich jetzt auf Instagram und LinkedIn beschränken, wo NR viele Journalist:innen erreicht.

Aber darf man sich einfach so zurückziehen und den Stammtisch den „Propaganda-Bots, Neonazis, Rassisten, Sexisten, Incels, Verschwörungsparanoiker, Fake News und Bullies“ überlassen, wie Armin Wolf schreibt? Oder sollte man nicht gerade da dagegenhalten und faktengecheckten Qualitätsjournalismus anbieten für diejenigen, die diesen dort noch suchen?

Meinem Eindruck nach ist das auch eine Kapazitätenfrage, bei der man sich ehrlich machen sollte: Können Redaktionen den lauten Stimmen überhaupt noch begegnen, Kommentare verantwortlich moderieren, wenn die Plattform es nicht mehr tut?

Nilay Patel, Chefredakteur von „The Verge“, liefert noch einen anderen Grund. In einem Interview sagte er kürzlich: „Warum würde jemand umsonst für Elon Musk arbeiten?“ Dieser habe deutlich mehr davon, als die Redaktionen. Sein Appell: „Verlasst den Scheiß, es ist sowieso alles fake.“

Ich selbst habe noch keine Alternativen ausprobiert, aber Kolleg:innen berichten, auf Bluesky sei jetzt deutlich mehr los. Vielleicht ist das der neue Küchentisch. Mir persönlich gefällt es allerdings auch gut im Lesesessel am Kamin. Ich habe seither jedenfalls mehr Zeit für Bücher.

Eure
Lena Kampf

 

 

 

 

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Ein Jahr Helpline

Was wünscht man einem Hilfsangebot für psychisch belastete Journalist:innen zum ersten Geburtstag? Ein möglichst langes oder kurzes Leben?

In den ersten Interviews zum Start der Helpline im November 2023 haben wir gesagt: Es wäre schön, wenn wir den Betrieb in ein paar Jahren wieder einstellen könnten. Die gesellschaftlichen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit sowie der aktuelle Zustand unserer Branche lassen jedoch befürchten, dass die Zeiten für Journalist:innen nicht einfacher werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht nur die Probleme in der Welt im Blick behalten, sondern uns auch um uns selbst kümmern. Weiterlesen

NRW plant Einschränkungen bei der Transparenz von Sparkassen

Verborgen in einer Änderung des Sparkassengesetzes von NRW plant die Landesregierung eine schwerwiegende Einschränkung des Informationsfreiheitsgesetzes in diesem Bundesland: Statt wie bisher nur die schützenswerten personenbezogenen Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vom Informationsanspruch nach dem IFG auszuklammern, soll der Ausnahmegrund bei Sparkassen in NRW auf alle „kundenbezogenen Daten“ ausgeweitet werden. Was sich wie eine kleine und damit harmlose Änderung liest, kann aber weitreichende Folgen haben. Denn während „personenbezogene Daten“, die jetzt schon geschützt sind, sich auf eine Einzelperson beziehen, kann mit dem juristisch unklaren Begriff der „kundenbezogenen Daten“ auch eine Information gemeint sein, die gar keinen Bezug zu einem konkreten Kunden oder einer Kundin aufweist. Denn fast alles, was eine Sparkasse macht, hat vermutlich in irgendeiner Weise einen „Kundenbezug“, einschließlich aggregierter Statistikinformationen oder anonymisierter Daten. Die geplante Gesetzesänderung könnte insbesondere den Zugang zu Informationen über öffentliche Förderungen aushebeln. Gerade daran besteht aber ein berechtigtes Informationsinteresse. Es sollte auch weiterhin recherchierbar sein, wer zu welchen Zwecken und Konditionen mit öffentlichen Geldern gefördert wird.

Netzwerk Recherche hat daher in einer ausführlichen Stellungnahme für die Landtagsanhörung Anfang November diesen Plänen deutlich widersprochen. Noch besteht die Chance, dass diese Einschränkung des IFG, die nur einen kleinen Teil des umfangreichen Sparkassengesetzes ausmacht, abgewendet werden kann.

Zur Stellungnahme

Newsletter Netzwerk Recherche 238 vom 25.10.2024

Liebe Kolleg:innen,

als ich Mitte der 90er Jahre ein paar Monate bei Zeitungen in Dresden und Leipzig arbeitete, konnte ich miterleben, wie westdeutsche Verlage die großen ostdeutschen Lokalblätter kauften und deren Chefredakteure ganze Redaktionen radikal umbauten. Klar, die alten SED-Funktionäre mussten gehen, aber wichtige Posten wurden mit Westdeutschen besetzt und nicht mit den Kolleg:innen, die gerade noch vor der Nikolaikirche friedlich protestiert und viel riskiert hatten. Viele redaktionelle Stimmen, die die Region seit Jahrzehnten kannten, wurden nicht mehr gehört oder verschwanden nach und nach ganz. Und so kam es immer wieder zu Konflikten mit den neuen Chefredaktionen. Altgediente Redakteur:innen warnten davor, die Bedürfnisse und den Blick der ostdeutschen Leserschaft zu verlieren. Vergeblich. Und so fanden sich die ostdeutschen Leser:innen in den westdeutsch geführten Blättern nicht wieder. Die Leser:innen kündigten in Scharen ihre Abos, die Print-Auflagen schrumpften, Digitalabos schlossen nur wenige ab. Heute gibt es im Osten schon einige Regionen ganz ohne gedruckte Lokalzeitung. Jan Böhmermann zeigte gerade mit seinem Team, wie Rechtspopulisten die Krise des Lokaljournalismus eiskalt ausnutzen und nun ihre Postillen verbreiten.

Wenn Lokaljournalismus wegfällt, funktioniert die demokratische Gesellschaft eben nicht mehr. Gemeinsam mit Netzwerk Recherche untersuchen derzeit Forscher:innen der Hamburg Media School, wie sich die Situation der Tageszeitungen seit der deutschen Wiedervereinigung verändert hat und welche Folgen eine schwache Lokalpresse für das demokratische Gemeinwesen haben wird. Die Ergebnisse des sogenannten Wüstenradars präsentieren wir Ende November in Kooperation mit der Rudolf Augstein Stiftung und Transparency International Deutschland. Aus unserer Sicht eine wichtige Pionierstudie. Wir als Netzwerk Recherche denken derzeit intensiv darüber nach, wie wir als Verein auch tiefere Recherchen im Lokalen weiter unterstützen können. Denn wir finden, Lokaljournalismus ist ein Garant für eine funktionierende Demokratie.

Euer
Christian Esser

 

 

 

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Greenhouse Fellowship 2024 für Tamara Keller und Corinna Cerruti

Greenhouse Fellowship 2024 von Netzwerk Recherche und Schöpflin Stiftung: Adieu, Journalismus! Recherchen zum Ausstieg aus dem Beruf

Das Greenhouse Fellowship 2024 geht an die Journalistinnen Tamara Keller und Corinna Cerruti! Unter dem Titel „Adieu, Journalismus! Recherchen zum Ausstieg aus dem Beruf“ untersuchen sie, warum Journalist:innen – besonders nach der Familiengründung – die Branche verlassen oder darüber nachdenken. Schlechte Arbeitsbedingungen, Schwangerschaft und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielen dabei vermutlich eine zentrale Rolle. Mit ihrer Recherche wollen Keller und Cerruti aufdecken, wie strukturelle Hürden Kolleg:innen aus dem Journalismus drängen, Missstände sichtbar machen und sich für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft einsetzen.

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Die Gewinner:innen der Grow-Stipendien 2024/25 stehen fest!

 

Auch dieses Jahr haben Netzwerk Recherche und die Schöpflin Stiftung drei herausragende Medienprojekte ausgezeichnet, die mit ihren innovativen Ansätzen den gemeinnützigen und gemeinwohlorientierten Journalismus und die Medienvielfalt voranbringen. Die einjährigen Grow-Stipendien umfassen finanzielle Unterstützung, individuelle Coachings, Workshops und wertvolle Vernetzungsmöglichkeiten. Hier sind die Gewinnerprojekte der Grow-Stipendien 2024/25:

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Grow-Stipendien: Shortlist 2024/25

Sechs herausragende Medienprojekte stehen im Finale der Grow-Stipendien 2024/25, die Netzwerk Recherche und die Schöpflin Stiftung bereits zum neunten Mal vergeben. Am 15.10.2024 präsentieren die Finalist:innen ihre innovativen Ideen online vor der Jury. Bis zu drei von ihnen werden schließlich mit den Grow-Stipendien ausgezeichnet. Das ist unsere Shortlist 2024/25:

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Newsletter Netzwerk Recherche 237 vom 27.09.2024

Liebe Kolleg:innen,

nun sind die Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern geschehen und erstmals seit 1945 ist mit der AfD wieder eine rechtsextreme Partei stärkste Kraft in einem Landtag. In zwei Bundesländern wird sie allein über die Sperrminorität erheblichen Einfluss nehmen können. Sie kann Verfassungsrichter:innen blockieren oder auch die Ausrichtung von Landesmedienanstalten beeinflussen. In allen drei Ländern ist unklar, ob zusammen mit dem populistische Bündnis Sahra Wagenknecht Regierungen zu Stande kommen und wie (in)stabil diese werden.

Was lösen diese Wahlergebnisse in euch aus? Ich glaube, es ist gerade wichtig, die eigenen Emotionen zu verstehen, Erkenntnisse zu sortieren und in Redaktionen Räume zu schaffen, um darüber zu sprechen. Es ist jetzt wichtig zu erkennen, was diese Wahlen für unsere zukünftige Arbeit bedeuten.

Tut ihr das nicht, besteht die Gefahr, dass wir in ein paar Tagen wie gewohnt weiterarbeiten, die neue Realität ausblenden und uns womöglich zurücklehnen. Wir dürfen uns nicht in einer Rolle als Medienschaffende ausruhen, die „nur berichten, was passiert“ und nichts mit dem zu tun haben, was geschehen ist. Das ist nicht nur zu bequem, sondern stimmt auch nicht.

Das sind (bisher) meine Erkenntnisse:

  1. Die Demokratie ist angegriffen. Wir müssen uns auf einen Marathon über viele Jahre einstellen, aber wir können mehr als hoffen: Journalismus bleibt ein Kernelement, um die Demokratie zu erhalten.
  2. Ich mache mir bewusst, welche Perspektiven in der eigenen und anderen Redaktionen unterrepräsentiert sind: Menschen mit internationaler Biografie, Jugendliche, von Armut Betroffene, Menschen aus Ostdeutschland… Wie können wir diesem Mangel entgegenwirken und unsere vielfältige Gesellschaft besser erreichen?
  3. Weniger „he said, she said“-Journalismus betreiben, zuletzt besonders beliebt in der Berichterstattung zur Migration oder über die Ampel. Worüber muss ich berichten und was ist nur ein politischer Spin?
  4. Stattdessen suche ich Themen, die Missstände am Ursprung behandeln und möglichst viele Menschen real betreffen. Wie wenig wurde etwa vor den Wahlen über das kaputte Bildungssystem berichtet, obwohl es in jeder Wahlbefragung unter den Top 5-Themen landete?
  5. Auch regionale und nationale Medienhäuser müssen mehr ins Lokale. Diese Aufgabe können wir nicht allein dem Lokaljournalismus überlassen, der leider immer weiter abgebaut wird. Dabei sollten wir alle mehr Dialog-Formate umsetzen. Wichtig dabei: Wie und wo wir einladen, entscheidet über Vielfalt im Publikum. Und das Veranstaltungsformat bestimmt, ob es uns gelingt, zuzuhören und mit neuen Impulsen nach Hause zu fahren.

Euer
Jonathan Sachse

 

 

 

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Wir trauern um Christoph Maria Fröhder

Unser Mitglied Christoph Maria Fröhder ist im Alter von 81 Jahren in Frankfurt am Main verstorben. Der Auslandsreporter, Kriegsberichterstatter und Fernsehjournalist war von 2001 bis 2009 Mitglied im ehrenamtlichen Vorstand unseres Vereins. „Das Netzwerk Recherche und die investigative Recherche wären heute nicht so weit, wie sie es sind, hätte es zu Beginn, vor 25 Jahren, nicht Menschen wie Christoph Maria Fröhder gegeben. Er hat sich über Jahre kritisch und unermüdlich für einen besseren Journalismus und für die investigative Recherche eingesetzt. Er hat den Journalismus in Deutschland besser gemacht. Dafür sind wir ihm sehr dankbar“, sagt Daniel Drepper, 1. Vorsitzender des Vereins.

Christoph Maria Fröhder bei einer Veranstaltung von Netzwerk Recherche im Jahr 2011. (Foto: Jörg Wagner)

Christoph Maria Fröhder bei einer Veranstaltung zur Auslandsberichterstattung im Jahr 2011 in Berlin. (Foto: Jörg Wagner)

Wie prägend die Begegnungen mit Christoph Maria Fröhder und wie wichtig sein Wirken für Netzwerk Recherche waren, zeigen auch die Stimmen, die wir zum Tod des Reporters in unserem Verein gesammelt haben. Sie beschreiben ihn als unerschrockenen, engagierten und zugewandten Menschen, den nicht die Abenteuerlust in all die Krisen- und Kriegsgebiete trieb, sondern die Chronistenpflicht als Journalist. Christoph Maria Fröhder wird uns und dem Journalismus fehlen.

„Christoph war die seltene Kombination aus einem großartigen, einem großherzigen Menschen und einem wunderbaren Kollegen. Scharf in der Analyse, notwendigerweise auch unseres eigenen Berufsstandes, aber immer neugierig, zugewandt, hilfsbereit. Seine Leidenschaft wird fehlen. Und so vieles andere auch.“
Georg Mascolo, Gründungsmitglied Netzwerk Recherche

„Er war unermüdlich, immer voll mit wichtigen Geschichten. Und Christoph Maria Fröhder hatte in jeder Sekunde ein Anliegen: Er setzte sich für andere ein und mahnte bei vielen Netzwerk-Recherche-Jahreskonferenzen zu besserem Journalismus. Vor allem aber trug er selbst genau dazu bei: als Journalist, Reporter und Kollege. Danke, lieber Christoph!“
Julia Stein, 1. Vorsitzende Netzwerk Recherche von 2015 bis 2021

„Die Begegnungen, die Gespräche mit Christoph waren nie langweilig. Denn er konnte viel erzählen, weil er – im Gegensatz zu manch anderen – auch viel erlebt hatte. Beeindruckend seine Berichte aus Vietnam, Afghanistan, Angola, vom Golfkrieg oder vom Einmarsch der Roten Khmer in Phnom Penh. Er war – als freier Journalist – immer vor Ort. Auch dann, wenn es anderen viel zu gefährlich war. Nicht die Abenteuerlust war es, die ihn in all die Krisen- und Kriegsgebiete trieb, sondern – so sein Credo – die Chronistenpflicht als Journalist. Er war streitlustig, engagierte sich für bessere journalistische Rahmenbedingungen, um die Recherche zu stärken. Er kritisierte viele Fehlentwicklungen im Journalismus, auch in der ARD, für die er viele brisante Filme produzierte. Aber es ging ihm nie um sich, sondern immer um guten und glaubwürdigen Journalismus. Seine Kritik, seine Haltung und sein Engagement waren vorbildlich – und werden uns jetzt leider fehlen.“
Kuno Haberbusch, Gründungsmitglied Netzwerk Recherche

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Newsletter Netzwerk Recherche 236 vom 30.08.2024

Liebe Kolleg:innen,

Journalismus, besonders der Investigativjournalismus, wird immer noch häufig als Branche mit Ellenbogen-Mentalität verstanden. Gegeneinander, nicht miteinander. Konkurrenz, innerhalb der Redaktionen, zwischen den Redaktionen. Eine Nachwuchs-Journalistin hat mich kürzlich gebeten, einer Kollegin bloß nichts von ihrem Interesse an einem Thema zu erzählen, zu dem diese bereits gearbeitet hatte – aus Angst, diese würde sie dann als Konkurrentin ansehen.

Natürlich gibt es einen Wettbewerb und Konkurrenz zwischen den Medien, aber für mich liegt die besondere Kraft des Journalismus in der Kooperation. In meiner Arbeit kooperiere ich querbeet. Je nach Recherchethema arbeite ich mit ganz unterschiedlichen Partner:innen, da gab es schon das mexikanische Lokalradio oder die Investigativ-Redaktion von ProPublica. Jede:r zusätzliche Journalist:in bringt ein eigenes Adressbuch mit, einen kulturellen Hintergrund, eine eigene kritische Herangehensweise an ein Thema, neue Expertise – und nicht zuletzt wächst der Impact, je mehr Journalist:innen gleichzeitig veröffentlichen. Wenn Journalist:innen sich einander öffnen, sind tiefere Recherchen möglich, die zu besseren Ergebnissen führen – die letztlich mehr bewegen.

Deshalb ist mein Appell: Kooperiert miteinander! Mehr Augen sehen mehr. Findet Verbündete vor Ort, wenn ihr mit einer Recherche nicht weiterkommt. Sprecht Reporter:innen an, die etwas zu einem Thema veröffentlicht haben, das euch interessiert, statt eure Energie damit zu verschwenden, eure Recherche zu verstecken. Kolleg:innen sind eine weit unterschätzte Quelle, und wer weiß, vielleicht kann ja eine Kooperation daraus entstehen.

Kooperation kann eine der Antworten sein auf Stellenstreichungen und Zeitmangel, um gemeinsam dennoch den bestmöglichen Journalismus zu machen. Und dann ist vielleicht auch irgendwann Schluss mit dem Ellbogen-Ruf.

Eure
Stefanie Dodt

 

 

 

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Freilassung von Evan Gershkovich und anderen Journalist:innen

Netzwerk Recherche begrüßt die Freilassung der Journalist:innen Evan Gershkovich, Alsu Kurmasheva und Wladimir Kara-Mursa.

„Es ist gut, dass Evan Gershkovich, Alsu Kurmasheva, Wladimir Kara-Mursa und die anderen Inhaftierten endlich frei sind”, sagt Annelie Naumann, 2. Vorsitzende von Netzwerk Recherche. „Die Journalist:innen wurden auf Grundlage falscher Anschuldigungen verurteilt, um sie dann gegen einen Mörder und andere Kriminelle auszutauschen. Das ist ein alarmierendes Signal, das die ohnehin schwierigen Bedingungen für Berichterstatter:innen in Russland weiter verschlechtern wird.”

Evan Gershkovich, Reporter des Wall Street Journal, war im Juli wegen angeblicher Spionage in einem Schauprozess zu 16 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Beinahe gleichzeitig wurde die Journalistin Alsu Kurmasheva zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt – wegen angeblicher Falschmeldungen über die Armee. Der Journalist und Politiker Wladimir Kara-Mursa wurde im April 2023 wegen seiner Kritik am Ukraine-Krieg zu 25 Jahren Strafkolonie verurteilt.

Netzwerk Recherche fordert die sofortige Freilassung aller inhaftierten Journalist:innen, die aufgrund ihrer Arbeit verfolgt werden. Die Einschüchterung und Inhaftierung von Medienschaffenden ist eine Bedrohung für die freie Meinungsäußerung und den demokratischen Diskurs.

Newsletter Netzwerk Recherche 235 vom 31.07.2024

Liebe Kolleg:innen,

die NR24 ist Geschichte und wir sind geschafft, aber glücklich. Unter dem Motto „Now is the Time – Recherchen für die Demokratie” fand vor fast zwei Wochen unsere diesjährige Jahreskonferenz beim NDR in Hamburg statt – mit hunderten Teilnehmenden und mehr als 100 Veranstaltungen. Wir möchten unserem Gastgeber, dem NDR, allen Beteiligten und Unterstützer:innen herzlich danken.

Ein besonderer Höhepunkt war die erstmalige Vergabe eines Preises für herausragende Klimaberichterstattung, den wir gemeinsam mit dem Netzwerk Klimajournalismus Deutschland verliehen haben.

Eindrücklich in Erinnerung bleiben werden auch die beiden Keynotes. Gilda Sahebis Plädoyer für eine stärkere (Selbst-)Reflexion: „Ich habe das Gefühl, dass wir zu oft nicht die Wahrheit wissen wollen, sondern uns mit Fakten zufrieden geben“ und die Berichte von ARD-Moskau-Korrespondentin Ina Ruck über ihre Arbeit in Russland, die durch die aktuelle Verurteilung des Wall-Street-Journal-Reporters Evan Gershkovich zu 16 Jahren Lagerhaft eine besondere Brisanz erhielten. In unserer Konferenzzeitung „Nestbeschmutzer” und bei einer spontanen Solidaritätsaktion von fast zweihundert Teilnehmenden wurde das skandalöse Urteil ebenfalls aufgegriffen.

Für uns vom Netzwerk Recherche waren die Tage auch emotional: Wir waren zu Tränen gerührt, als wir Günter Bartsch für seine langjährige Arbeit als Geschäftsführer dankten.

Für diejenigen, die nicht an der Jahreskonferenz teilnehmen konnten, haben wir weiter unten einige Fotos, ausgewählte Mitschnitte und den aktuellen „Nestbeschmutzer“ verlinkt. Außerdem haben wir im Rahmen unseres Projekts „Fragen und Antworten – Auskunftsrechte kennen und nutzen“ drei aktuelle Recherche-Tipps für euch zusammengestellt und verlinkt.

Wir freuen uns auf die NR25 und darauf, weiter mit euch im Austausch zu bleiben.

Eure
Annelie Naumann

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NR-Werkstatt „Wie wir an Informationen kommen – Praxishandbuch zum Recht auf Auskunft und Akteneinsicht“

Als 26. Ausgabe in der Reihe der NR-Werkstätten ist die Publikation „Wie wir an Informationen kommen. Praxishandbuch zum Recht auf Auskunft und Akteneinsicht” im Juli 2024 erschienen. Diese ermutigt Journalist:innen, ihre Auskunftsrechte selbstbewusst gegenüber öffentlichen Stellen durchzusetzen.

Der erste Abschnitt, verfasst von Dr. Manfred Redelfs, bietet einen Überblick über die wichtigsten Rechtsgrundlagen, darunter das Landespressegesetz, das Umweltinformationsgesetz und das Informationsfreiheitsgesetz. Der zweite Abschnitt enthält praktische Beispiele und Erfahrungsberichte verschiedener Autor:innen, die zeigen, wie diese Gesetze in der journalistischen Praxis angewendet werden können.

Das Handbuch ist im Rahmen des Projekts „Fragen und Antworten – Auskunftsrechte kennen & nutzen“ entstanden, gefördert durch das Programm „Starke Strukturen für unabhängigen Journalismus“ der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien.

Die NR-Werkstatt 26 Wie wir an Informationen kommen kann als pdf heruntergeladen werden.

Erklärung von Netzwerk Recherche zur Verurteilung von Evan Gershkovich am 19. Juli

„Free Evan“ auf der NR-Jahreskonferenz Hamburg 2024. Copyright: Nick Jaussi / Netzwerk Recherche

Mit großer Erschütterung haben die mehr als 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jahreskonferenz der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche auf die Verurteilung von Evan Gershkovich reagiert. Der US-Journalist vom Wall Street Journal wurde am 19. Juli in Russland wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren Lagerhaft verurteilt.
Wir sind solidarisch mit unserem Kollegen Evan Gershkovich, der in einem Schauprozess verurteilt wurde, der mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun hat. Wir fordern seine Freilassung.
Lieber Evan, die Journalist:innen auf der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche denken an Dich und wünschen Dir viel Kraft. Journalismus ist kein Verbrechen.

Honorarfreies Pressefoto kann bei Nennung des Fotografen (Credit: Nick Jaussi/Netzwerk Recherche) im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Konferenz und/oder die Aktion kostenfrei verwendet werden (hier Foto in hoher Qualität abrufen).

Der neue Nestbeschmutzer ist da!

Foto: Nick Jaussi

Annelie Naumann, 2. Vorsitzende von NR, erwähnt den Nestbeschmutzer bei ihrer Begrüßung an Tag 2. Foto: Nick Jaussi

Zum Start des zweiten Tages der NR24 gab es für die Tagungsgäste den druckfrischen Nestbeschmutzer, die Konferenzzeitung, die traditionell von Journalistik-Studierenden der Uni Hamburg produziert wird.

Die 18 Interviews widmen sich unterschiedlichen Themen aus dem Journalismus, die auch auf der Konferenz auf dem Programm stehen.

Leitlinie Journalismus und PR

Die „Leitlinie Journalismus und PR“ wurde am 19. Juli 2024 von der Mitgliederversammlung beschlossen.

Das Netzwerk Recherche problematisiert in dieser Leitlinie all jene Leistungen als PR, die einer nicht-journalistischen Organisation dabei helfen, für sich und ihre Produkte, Dienstleistungen und Botschaften Öffentlichkeit herzustellen – auch, wenn dies ohne Honorar geschieht.

Im Klartext: Wer Pressemitteilungen schreibt oder Veranstaltungen organisiert, macht PR.
Wer für eine Organisation als Sprecher:in kommuniziert oder für Publikationen von Organisationen medial tätig wird, die keine unabhängigen Medien sind, macht PR. Wer Medientrainings für Politiker:innen oder Unternehmenschef:innen anbietet, macht PR.

Dies gilt auch für Arbeit, die nicht bezahlt wird – denn auch ohne Bezahlung stellen die Betroffenen für die Organisation eine Öffentlichkeit her, stellen sich also in die Dienste dieser Organisation und helfen dabei, möglicherweise interessengeleitete Informationen zu verbreiten. Zu hergestellter Öffentlichkeit beizutragen, die Partikularinteressen in ein möglichst gutes Licht rücken soll, ist ein Grundwiderspruch zu den Standards des Journalismus, der stets die Allgemeinheit im Blick hat und Informationen und Interessen kritisch abwägt. Ausnahmen sehen wir als Netzwerk Recherche bei Unterstützung im privaten Umfeld, etwa für die Fußballmannschaft der Kinder oder den lokalen Kirchenchor.

Es geht Netzwerk Recherche mit seiner „Leitlinie Journalismus und PR“ im Kern darum, Journalist:innen für Interessenkonflikte aller Art zu sensibilisieren. Wir alle sollten schon den Anschein von Befangenheit und Instrumentalisierung vermeiden. Aber: Die Leitlinie ist kein normatives Verbot, auch nicht für NR-Mitglieder. Weiterlesen

Verschlossene Auster des Netzwerk Recherche geht an Verkehrsminister Wissing

Netzwerk Recherche verleiht die „Verschlossene Auster“ für den Informationsblockierer des Jahres an Volker Wissing und das Bundesverkehrsministerium. Wissing erhält den Negativpreis für seinen problematischen Umgang mit Recherchen des Handelsblatt-Reporters Daniel Delhaes zu Interessenkonflikten in seinem Ministerium.

Im vergangenen Sommer hatte Delhaes in mehreren Artikeln aufgedeckt, dass der für Wasserstoff-Förderungen zuständige Abteilungsleiter im Verkehrsministerium einem persönlichen Freund eine Millionenförderung zugeteilt hatte – dem Vorsitzenden des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbandes. Statt nach den kritischen Berichten für Aufklärung zu sorgen, ging Wissings Ministerium aggressiv gegen den Reporter vor und leugnete die Missstände.

„Das Vorgehen von Volker Wissing und seinen Mitarbeiter*innen hat gezeigt, dass der Minister die eigenen Interessen und die seines Ministeriums über die Interessen der Bevölkerung und einer freien Presse stellt. „Die Affäre zeigt auch, wie wichtig hartnäckiger investigativer Journalismus ist“, sagt Daniel Drepper, Vorsitzender von Netzwerk Recherche. „In diesem Fall hätte es Wissing durch sein aggressives Vorgehen fast geschafft, die Affäre ohne Konsequenzen für sein Ministerium zu überstehen. Zum Glück haben andere Medien wie der Spiegel die Arbeit des von der Recherche abgezogenen Handelsblatt-Reporters Delhaes fortgesetzt.“ Weiterlesen

Ausschluss von Mitglied Hubert Seipel auf Grund von vereinsschädigendem Verhalten

Auf der diesjährigen Mitgliederversammlung von Netzwerk Recherche am 19. Juli 2024 hat die notwendige Dreiviertelmehrheit der Stimmberechtigten für den Ausschluss des Journalisten Hubert Seipel gestimmt. Im November 2023 war bekannt geworden, dass der Putin-Biograf und langjährige NR-Mitglied Hubert Seipel mindestens 600.000 Euro über eine Briefkastenfirma eines Putin-Vertrauten erhalten hatte. Der Aufforderung, aus dem Verein auszutreten, war Seipel nicht nachgekommen. Daraufhin ruhte satzungsgemäß Seipels stimmberechtigte Mitgliedschaft.

„Hubert Seipel hat mit seinem Verhalten die grundsätzlichen Regeln des unabhängigen Journalismus gebrochen und der Glaubwürdigkeit unseres Berufsstandes massiv geschadet. Gut, dass ihn unsere Mitglieder aus Netzwerk Recherche ausgeschlossen haben“, sagte Daniel Drepper, Vorstandsvorsitzender von Netzwerk Recherche.

Seipel selbst nahm aus privaten Gründen nicht an der Veranstaltung teil. Es gab zwei Enthaltungen und keine Gegenstimmen.

Netzwerk Klimajournalismus Deutschland und Netzwerk Recherche vergeben erstmals den „Deutschen Preis für Klimajournalismus“

Hamburg – Zum ersten Mal wurde am Freitag in Hamburg der mit insgesamt 6.000 Euro dotierte „Deutsche Preis für Klimajournalismus“ vergeben.

Der Podcast „Hitze – Letzte Generation Close-up, produziert von TRZ Media und rbb, erhält den Preis in der Kategorie Hauptpreis. „Daphne Ivana Sagner, Céline Weimar-Dittmar und ihrem Team ist ein fein gezeichnetes Porträt der derzeit umstrittensten Klimaaktivist*innen-Gruppe gelungen. Während radikalisierte Teile der Klimaschutz-Bewegung vielfach als kriminell abgestempelt und auch faktisch kriminalisiert wurden, haben die Autor*innen das Gegenteil versucht”, schreibt Barbara Junge (Netzwerk Recherche) in ihrer Laudatio. „Sie haben sich den Aktivist*innen genähert – ohne dabei jedoch die journalistische Distanz zu verlieren. Herausgekommen ist mehr als ein Porträt der Letzten Generation. Zugleich zeigen die Autor*innen mit ihrer Podcast-Reihe die generellen Probleme der Klimabewegung zwischen Frust und Radikalisierung auf.“

In der Kategorie Investigativ wird die Recherche „Klimaschutzprojekte in China: Milliardenbetrug in der Ölbranche?“ von ZDF frontal ausgezeichnet, von den

Autor*innen Hans Koberstein, Nathan Niedermeier, Marta Orosz und Miriam Steimer. Zur Begründung heißt es in der Laudatio von Sara Schurmann (Netzwerk Klimajournalismus Deutschland): „Die Recherche zeigt einmal mehr, wie wichtig investigativer Klimajournalismus ist. Die fossile Wirtschaft versucht seit Jahren mit großem finanziellen und personellen Aufwand ihre Billionen-Geschäfte mit Öl, Gas und Kohle zu sichern. Sie streut Zweifel und verbreitet Lügen, um wirksamen Klimaschutz zu verhindern. Umso wichtiger ist die Aufdeckung und Aufklärung durch professionellen, unabhängigen, investigativen Journalismus. Dafür hat ZDF frontal ein herausragendes Beispiel geliefert.

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Leuchtturm 2024 für Correctiv-Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“

Netzwerk Recherche verleiht den Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen 2024 an das Medienhaus Correctiv. Die gemeinnützige Rechercheplattform hatte im Januar dieses Jahres unter dem Titel „Geheimplan gegen Deutschland“ über ein geheimes Treffen von Rechtsextremen in einer Potsdamer Villa berichtet. Stellvertretend für das gesamte Team werden Marcus Bensmann, Justus von Daniels, Anette Dowideit, Jean Peters, Gabriela Keller und Mohamed Anwar ausgezeichnet.

„Die Arbeit von Correctiv steht exemplarisch für den Wert und die Notwendigkeit von investigativem Journalismus“, sagt Daniel Drepper, Vorsitzender von Netzwerk Recherche. „Selten hat eine einzelne Recherche einen solchen Impact gehabt und uns allen gezeigt, wie wichtig diese Art von Journalismus für unseren demokratischen Diskurs ist.“ Weiterlesen

Inspiration Day 2024

Der Redaktionsalltag ermöglicht wenig Raum für Innovationen und neue Ideen. Der Inspiration Day 2024 schafft genau diesen Raum und bringt Journalist:innen und innovative Köpfe zusammen, um kreative Lösungen für aktuelle Herausforderungen der Medienbranche zu entwickeln.

Der diesjährige Inspiration Day bietet Raum für Inspiration und Innovation. Veranstaltet vom Medieninnovationszentrum Babelsberg (MIZ) in Kooperation mit Netzwerk Recherche (NR) und der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) können Medienmacher:innen am 10. Oktober 2024 eine Vielzahl neuer Inhalte, Tools und Teams kennenlernen. Der kostenlose Praxistag richtet sich an alle, die mit der Produktion von medialen Inhalten zu tun haben, und bietet acht Workshops an, in denen innovative Ansätze und Technologien präsentiert und weiterentwickelt werden. Mit dabei sind jeweils drei Förderprojekte vom MIZ und NR und zwei geförderte Projekte der mabb, die allesamt neuartige Ansätze, Inhalte, Methoden und technische Lösungen für den Medienbereich entwickeln.

# kostenloses Angebot für Journalist:innen
# acht innovative Workshops und Networking
# Workshoptag am 10. Oktober 2024 im MIZ Babelsberg
# Anmeldung unter www.miz-babelsberg.de/inspiration-day-24

Erfahre mehr über das Programm, die Workshopteams und die Kooperationspartner!

Newsletter Netzwerk Recherche 234 vom 28.06.2024

Liebe Kolleg:innen,

Rechtsextremismus und soziale Ungleichheit, Antisemitismus und Gaza, Ukrainekrieg und russische Desinformation, Klimakrise und Umweltsünden, eine polarisierte Gesellschaft und Hass in den sozialen Medien, Nachrichtenwüsten im Lokalen und Abodruck im Überregionalen, rechtliche Angriffe und körperliche Übergriffe – ich weiß, es ist ein Klischee, aber für uns Journalist:innen ist der Job im Moment kein einfacher.

Ich finde nicht, dass jede Herausforderung eine dornige Chance ist, aber ich hoffe, wir erkennen, dass diese Zustände ein Grund sind, die journalistische Recherche zu stärken.

Wir beim Netzwerk Recherche versuchen, genau das zu tun. Indem wir Menschen zusammenbringen und unterstützen, die sich diesen Problemen widmen, die Widerständen trotzen, die trotz allem wichtige Texte, Videos und Audios veröffentlichen.

Viele dieser Menschen treffen sich am 19. und 20. Juli beim NDR in Hamburg, bei unserer Jahreskonferenz. Ich freue mich sehr darauf, viele von euch zu sehen, mit euch über die Herausforderungen der Recherche zu sprechen und motiviert wieder aus Hamburg zurückzukehren.

Für alle, die nicht dabei sein können, streamen wir viele Panels mit unserem Partner TIDE wieder live – und veröffentlichen sie im Anschluss auch auf YouTube. Unten habe ich diesmal drei Panels ausgewählt, die ich mir an eurer Stelle nicht entgehen lassen würde.

Bis hoffentlich in Hamburg bei der #NR24!

Euer
Daniel Drepper

 

 

 

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Freude über Freilassung von Julian Assange – Fragezeichen bleiben

„Mit großer Erleichterung haben wir die Nachricht über die Freilassung von Julian Assange aus dem englischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh aufgenommen“, sagt der erste Vorsitzende von Netzwerk Recherche, Daniel Drepper. „Dies war längst überfällig. Die fünf Jahre dauernde Haft unter teilweise widrigsten Bedingungen wirft ein schlechtes Licht auf alle demokratischen Staaten, die ihren Teil dazu beigetragen haben.

Unsere Freude über die Freilassung des WikiLeaks-Gründers ist aber nicht ungetrübt. Denn der heutige Sieg für die Pressefreiheit war hart erkauft. Nicht nur wegen der langen Haft- und Leidenszeit für Assange. Auch die Umstände seiner Entlassung aus dem Gefängnis sind alles andere als ein Freispruch. Durch den offenbar mit der US-Justiz ausgehandelten Deal musste er sich in einem Anklagepunkt schuldig bekennen. Die Folgen für zukünftige journalistische Enthüllungen sind noch nicht absehbar.

Wir wünschen Julian Assange in seiner – hoffentlich – neugewonnenen Freiheit alles Gute.“

Netzwerk Recherche hatte sich, wie andere Organisationen auch (allen voran Reporter ohne Grenzen), in den vergangenen Jahren immer wieder für die Freilassung von Assange stark gemacht.

GIJN Webinar: Einführung in die OSINT-Recherche am Beispiel Geolocation

OSINT-Recherche gilt inzwischen als essentiell für den Investigativjournalismus. Aber was bedeutet es eigentlich, mit "Open Source Intelligence" zu recherchieren? Und was brauchen Journalist*innen dafür? In diesem Webinar des Global Investigative Journalism Network gibt Johanna Wild vom international renommierten Recherchekollektiv Bellingcat eine Einführung in die Online-Recherche. Am Beispiel von Geolocation-Bestimmung lernen die Teilnehmenden die Grundlagen der OSINT-Recherche. Außerdem teilt Johanna Wild ihre besten Tooltips.

Johanna Wild ist Open-Source-Journalistin. Sie hat Bellingcat’s Investigative Tech Team gegründet, das auf datenintensive Recherchen spezialisiert ist und Tools für die Online-Recherche entwickelt. Bis Ende Mai 2024 war sie Nieman-Berkman Klein Fellow in Journalism Innovation an der Harvard-Universität.

▶ Wann? 18. Juni 2024, 13:00-14:30
▶ Wo? Via Zoom
▶ Wie bewerben? https://nrch.de/gijnosint

Newsletter Netzwerk Recherche 233 vom 24.05.2024

Liebe Kolleg:innen,

mit jeder Zeile, die wir Journalistinnen und Journalisten über einen Angriff im Wahlkampf schreiben, stellt sich die Frage, ob wir dadurch zu Nachahmungen inspirieren. Mit jedem Stück, das wir über die militante Rechtsextremisten-Szene schreiben, stellt sich die Frage, ob wir Möchtegern-Nazis damit nicht auch noch den Gefallen tun, sie groß und prominent zu machen.
Das ging mir durch den Kopf, als ich Anfang Mai in der Redaktion saß und vom Angriff auf die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckhardt erfuhr. Es war so absehbar, dass es Nachahmer geben würde. Vier davon waren dann daran beteiligt, in Dresden den SPD-Europapolitiker Matthias Ecke ins Krankenhaus zu prügeln.

Die Medien haben weder Schuld an den Nachahmern, noch können sie sie verhindern. Das Berichten zu unterlassen, widerspräche nicht nur den journalistischen Grundsätzen, sondern liefe auch auf eine Verharmlosung raus. Die Gefahr, die von Rechtsextremen in Parlamenten und im gesellschaftlichen Umfeld ausgeht, ist zu groß. Und trotzdem hat praktisch jede Redaktion diese Diskussion schon einmal geführt.

Der Spiegel-Titel vom 11. Mai macht aus Olaf Scholz (narrativ) eine Zielscheibe. Ist das nicht ein Motiv, das jeder Rechtsextreme sich als Bildschirmschoner einrichten möchte? Und die Woche drauf zeichnet sich dann auf der Spiegel-Titelseite das überdeckte Hakenkreuz in der deutschen Fahne ab. Wie viel Ehre will man Neonazis erweisen? Kein Spiegel-Bashing an dieser Stelle! Die Kolleginnen und Kollegen machen tolle Arbeit und setzen damit ja dankenswert klare Zeichen gegen Rechtsextremismus. Die Motive illustrieren nur den Grenzgang, den wir alle bewältigen müssen. Und ich gestehe, dass mich dabei ein mulmiges Gefühl beschleicht.

Eure

Barbara Junge

 

 

 

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Online-Petition für gemeinnützigen Journalismus

„Rechtsunsicherheit im gemeinnützigen Journalismus“ – das klingt abstrakt, wenig greifbar, nicht wirklich dramatisch. Trotzdem haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder mit der Rechtsunsicherheit argumentiert, wenn wir uns in Fachgesprächen mit Politiker:innen für einen starken gemeinnützigen Journalismus engagiert haben. Manchmal kamen dann skeptische Fragen: Wo sind sie denn, die Beispiele für die Rechtsunsicherheit? Wie konkret ist denn diese Gefahr?

Bitte schön: Die Initiative Volksverpetzer, die sich gegen Desinformation einsetzt und Faktenchecks veröffentlicht, hat soeben die Gemeinnützigkeit verloren. Mit einem Brief vom Finanzamt Augsburg kam die schlechte Nachricht – und jetzt ist unklar, wie es mit dem Projekt weitergehen kann. Denn es lebt von Einzelspenden der Crowd. Spenden an das Projekt sind jedoch ab sofort nicht mehr steuerlich absetzbar, es drohen außerdem hohe Nachzahlungen, erklärt Volksverpetzer.

Das Forum Gemeinnütziger Journalismus, das Netzwerk Recherche mitgegründet hat und im Beirat unterstützt, hat diesen Fall zum Anlass genommen, eine Online-Petition auf der Kampagnen-Plattform innn.it zu starten. Das Ziel der Aktion: Der gemeinnützige Journalismus braucht endlich Rechtssicherheit – so wie es die Bundesregierung im Koalitionsvertrag eigentlich auch versprochen hat. Die Zeit wird langsam knapp. Und unsere Sorge wächst, dass eines Tages auch andere gemeinnützige Redaktionen die Gemeinnützigkeit verlieren könnten. Das wäre nicht nur ein Schaden für die Medienvielfalt und den Journalismus, sondern auch für die Demokratie.

Bedrohliche Einschnitte: Netzwerk Recherche warnt vor Sparmaßnahmen beim MDR

Netzwerk Recherche zeigt sich zutiefst besorgt über die angekündigten Sparpläne beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), insbesondere im Bereich des investigativen Journalismus. Bis 2028 sollen 160 Millionen Euro eingespart werden. In einer Zeit, in der das Vertrauen in die Demokratie in Teilen des Sendegebiets schwindet, ist eine starke investigative Berichterstattung von entscheidender Bedeutung.

Die geplanten Einschnitte, die etwa eine Reduzierung der Ausstrahlungen des politischen Magazins Exakt von 44 auf 21 Sendungen pro Jahr und den Wegfall weiterer Reportagen vorsehen, stellen eine bedrohliche Entwicklung für die Informationsqualität dar. Besonders kritisch ist, dass Kürzungen ausgerechnet in einem Wahljahr mit bedeutenden Landtagswahlen erfolgen.

Wie dringend in Ostdeutschland der öffentlich-rechtliche Recherche-Journalismus gebraucht wird, zeigt auch das laufende Forschungsprojekt Wüstenradar. Dabei untersuchen Forscher:innen der Hamburg Media School in Kooperation mit Netzwerk Recherche und Transparency Deutschland, wie sich die Situation der Tageszeitungen in Deutschland verändert hat und welche Folgen eine Schwächung der Lokalpresse für das demokratische Gemeinwesen hat. Die Ergebnisse werden ab Sommer 2024 veröffentlicht, aber klar ist schon jetzt: In vielen Regionen fehlt es an Medienvielfalt und kritischer Berichterstattung.

Netzwerk Recherche appelliert an die Verantwortlichen beim MDR, ihre Entscheidungen zu überdenken und Möglichkeiten zu finden, den investigativen Journalismus nicht einzuschränken, sondern weiter zu fördern. Es ist essentiell, dass öffentlich-rechtliche Sender wie der MDR auch in schwierigen Zeiten ihrer Verpflichtung nachkommen, die Öffentlichkeit umfassend und tiefgründig zu informieren.

Newsletter Netzwerk Recherche 232 vom 26.04.2024

Liebe Kolleg:innen,

vom Journalismus-Festival in Perugia mit der Bahn nach Hause zu fahren, hat gleich mehrere Vorteile: Neben dem ersparten Flug hat man Zeit, sich dem Aprilwetter langsam anzunähern und all die Gespräche, Panels und Workshops noch einmal Revue passieren zu lassen. Mit rund 220 offiziellen Sessions und mehr als 600 Referent:innen gehört das Festival zu den größten Medienkonferenzen in Europa. Und mit jedem Jahr kommen mehr Besucher:innen hinzu; entsprechend lang sind die Schlangen vor vielen Veranstaltungen. Wie viele insgesamt dabei waren? Da sich Teilnehmende nicht anmelden müssen, weiß das niemand so genau.

Die Konferenz lohnt sich schon wegen ihrer inhaltlichen Breite: In diesem Jahr befassten sich jeweils einige Sessions mit Wahlen und Künstlicher Intelligenz, Investigation und Businessmodellen, Kriegsberichterstattung und Desinformation. Besonders spannend wurde es an den Berührungspunkten dieser Schwerpunkte – unten drei Empfehlungen mit aktuellem Bezug zum investigativen Journalismus. Mich haben auf den Panels vor allem die Kolleg:innen beeindruckt, die an ihren Recherchen festhalten, obwohl sie damit große Risiken eingehen – etwa in Ungarn, Iran oder Hong Kong. Und bei aller Kritik an derartigen Zuständen ist das Festival erfreulich konstruktiv, wenn es um den Journalismus von übermorgen geht.

Was nach den intensiven Tagen in Perugia bleibt, sind die Videoaufzeichnungen der Panels. Bis auf wenige Ausnahmen ist alles online und auch die Referent:innen sind nicht aus der Welt, nur eben nicht mehr an einem Ort, der auch spontane persönliche Gespräche ermöglicht. Diese Begegnungen sind es am Ende auch, die das Festival auszeichnen – ebenso wie die Jahreskonferenz in Hamburg oder die SciCAR in Dortmund. Wir freuen uns schon sehr darauf, Euch dort zu treffen!

 

Eure
Christina Elmer

 

 

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Schutz von Journalist:innen: Netzwerk Recherche tritt der ACOS Alliance bei

Netzwerk Recherche e. V. ist jetzt offiziell Mitglied der ACOS Alliance (ACOS steht für „A Culture Of Safety“). Das internationale Bündnis aus Redaktionen und Medienorganisationen setzt sich für den Schutz und die Sicherheit von Journalist:innen ein – mit besonderem Fokus auf Freie. Die brutalen Morde an den beiden Freelancern James Foley und Steven Sotloff in Syrien waren der Ausgangspunkt für Überlegungen, wie man Freie, die oft ohne Sicherheitsnetz arbeiten, besser schützen kann. Daraus entstanden die Freelance Journalist Safety Principles, denen sich auch Netzwerk Recherche mit dem Beitritt zu dem Bündnis verpflichtet hat. Weiterlesen