Panel „Syrien: Berichten unter Lebensgefahr – Die Lage der Journalisten in Syrien“ mit Majid al-Bunni und Christoph Reuter (v.l.n.r., Foto: Wulf Rohwedder)

Statt Werbepausen sendet der syrische Exilsender Baladna FM praktische Tipps: Die Hörer lernen, wie man Wunden versorgt oder mit knappen Vorräten eine ganze Familie versorgt. Majid al-Bunni moderiert für das Programm eine Radioshow direkt aus Berlin.

Herr al-Bunni, sie berichten für die Menschen in Syrien, leben aber in Berlin. Wie bekommen Sie da überhaupt zuverlässige Informationen aus dem Kriegsgebiet?

Das kommt darauf an, wie ich die Menschen am besten erreichen kann: Über Skype, Facebook oder Telefon. Manchmal kann man sie auch persönlich treffen, zum Beispiel an der Grenze zur Türkei. So erfährt man die neuesten Nachrichten. Es hängt also mehr von ihnen als von uns ab. Wir machen viermal pro Woche ein Liveprogramm für je eine Stunde. Trotzdem habe ich manchmal schon am Wochenende bis nach Mitternacht im Studio gesessen, nur weil ich auf einen Anruf gewartet habe. Aber ich brauchte halt das Interview oder die Informationen, und anders bekomme ich sie nicht.

Ist das für ihre Interviewpartner nicht gefährlich?

Es ist bei uns nicht unbedingt schwer herauszufinden, wer gerade spricht. Jeder tritt ja mit einem gewissen Namen auf. Da weiß zum Beispiel jeder, wer „Jalid – Der Aktivist“ ist, weil der mit vielen Medien redet, nicht nur mit uns. Deswegen ist das kein großes Problem. Wir stellen unseren Interviewpartnern und Informanten aber auch immer sichere VPN-Verbindungen zur Verfügung. Dabei hat uns eine kanadische Sicherheitsfirma geholfen. So können wir Identitäten schützen, wenn das nötig ist.

Wie umgehen sie denn die Zensur in Syrien, um ihre Sendung auszustrahlen?

Wir senden nicht so viel in den Gebieten des Regimes. Da kann man uns nur im Internet hören, und wer das tut, kann jederzeit verhaftet werden. Das möchten wir natürlich nicht. Deshalb senden wir eher in den Gebieten der Rebellen.
Außerdem hilft uns die deutsche NGO MiCT, unsere Sendung nach Syrien zu bringen. Die haben Transmitter im Land verteilt, damit können Internetradios wie wir auch über FM Frequenz senden. Jetzt können wir über all das berichten, was die Menschen in Syrien bewegt.

Wie bringen sie ihre Sendung möglichst unparteiisch nach Syrien? Ist das überhaupt machbar?

Man muss sehr aufpassen, welche Worte man wählt. Viele Medien generalisieren, da muss man vorsichtig sein. Mann muss ständig prüfen und natürlich immer beide Seiten anhören. Baladna ist als Internetradio gestartet. Es ist kein Nachrichtenprogramm sondern eher eine Gemeinschaftssendung. Wir wollten die Balance in Syrien wieder herstellen und alle Seiten des Konflikts zeigen, auch wenn das nicht immer so klappt.

Wie viele Leute erreichen Sie mit Ihrer Sendung und wie ist das Feedback?

Das kommt auf das Material an, das wir senden. Einmal haben wir über die Checkpoints berichtet, aber diesmal von beiden Seiten, also vom Regime und von den Rebellen. Das war richtig gut. Wir haben geschaut, was genau an diesen Checkpoints passiert und wie dort Menschen entführt werden. Diese Story hat richtig durchgeschlagen. Manchmal hören uns also vielleicht Tausende Menschen. Es kann aber auch sein, dass uns nur zehn Leute zuhören oder kein einziger. Es gibt ja mittlerweile etwa 20 neue Radiosender in Syrien und die machen alle einen wirklich guten Job.

Wie reagieren Menschen in Deutschland, wenn Sie Ihnen von Ihrer Arbeit erzählen?

Manchmal sind sie überrascht, dass ich einen direkten Draht aus Berlin nach Syrien habe. Oft habe ich aber das Gefühl, das viele nur interessiert tun. In Wahrheit ist die Anteilnahme wirklich enttäuschend, aber ich erwarte auch nicht mehr.

Für Ihren Job werden sie nicht bezahlt. Was ist ihre Motivation?

Es gibt Menschen in Syrien, die arbeiten Stunden, um eine interessante Geschichte zu bekommen. Das ist extrem schwierig. Aber diese Menschen müssen ihre Geschichten erzählen können. Sonst wäre es so, als würde Syrien gar nicht existieren. Ohne Medien gibt es diese Geschichten einfach nicht. Das heißt nicht, dass ich den Menschen dort eine Stimme gebe. Aber immerhin versuchen wir die Leute zu informieren. Vielleicht habe ich nicht direkt die Macht etwas zu verändern, aber es gibt Menschen, die das können. Deswegen machen wir das.