Im Greenhouse Report Nr. 2 geht Maximilian Fischer der Frage nach, wie unabhängig der Gaming-Journalismus berichten kann. (Grafik: Ute Lederer)

Im Greenhouse Report Nr. 2 geht Maximilian Fischer der Frage nach, wie unabhängig der Gaming-Journalismus berichten kann. (Bild: Ute Lederer)

Independence Play

Wie der Videospieljournalismus um seine Unabhängigkeit kämpft

Ein Report von Maximilian Fischer

Computerspiele sind mehr als Unterhaltung. Sie gelten als Medium der digitalen Gesellschaft, das auch für Bildung und Aufklärung sorgen kann. In „Serious Games“ werden drängende Themen der Zeit wie Extremismus behandelt. Gleichzeitig hat die Begeisterung der Menschen für Computer- und Videospiele einen gigantischen Markt geschaffen: Knapp zehn Milliarden Euro hat die Games-Branche im Jahr 2022 in Deutschland umgesetzt.

Im Mittelpunkt der journalistischen Berichterstattung stehen allerdings nicht die gesellschaftliche, künstlerische oder wirtschaftliche Bedeutung der Computerspiele, sondern die Produkte selbst. Wer als Journalist:in über aktuelle Spiele berichten möchte, ist daher in der Regel auf die Unternehmen oder die beauftragten Marketing-Agenturen angewiesen, die die Medien mit relevanten Informationen und Testmustern zu Neuerscheinungen versorgen.

Angesichts dieser Nähe zur Videospielindustrie fragt der Greenhouse Report Nr. 2: Wie unabhängig kann der Games- Journalismus in Deutschland berichten? Welche Faktoren behindern Recherche und Berichterstattung in den großen, anzeigenfinanzierten Videospielmagazinen – und welche Maßnahmen ergreifen die Redaktionen? Der Report porträtiert zudem die kleinen, publikumsfinanzierten Indie-Medien, die insbesondere mit Podcasts eine Alternative zu den klassischen Kiosk-Magazinen anbieten.

Den Report gibt es als PDF-Version und als Podcast zum Hören. (Grafik: Ute Lederer)

Den Report gibt es als PDF-Version zum Lesen und als Podcast zum Hören. (Grafik: Ute Lederer)

Für den Report (auch als Hörbuch verfügbar) wurden im Zeitraum von August bis September 2023 elf Interviews mit Videospieljournalist:innen aus Deutschland geführt. Unter den Befragten sind freie und festangestellte Journalist:innen. Auch Gründer und Verantwortliche von vier publikumsfinanzierten Angeboten sind unter den Interviewten. Zudem untersuchte der Autor im Zeitraum zwischen Juli und Dezember 2023 stichprobenartig die Artikel von vier werbefinanzierten und vier publikumsfinanzierten Videospielmagazinen, um sich einen Überblick über die Berichterstattung im Videospielbereich zu machen.

Nahezu alle für den Report befragten Videospieljournalist:innen erkennen eine gewisse Abhängigkeit von der Industrie. Bei der Bewertung dieser Beziehung und den konkreten Gefahren für die Berichterstattung gehen die Meinungen aber auseinander. Nur eine Minderheit der befragten Journalist:innen sieht beispielsweise in den von der Industrie zur Verfügung gestellten Testmustern ein Problem für die Berichterstattung im Sinne eines geldwerten Vorteils für Journalist:innen. Dafür sieht ein Großteil der Befragten in von Videospielstudios bezahlten Pressereise eine Ursache für starke Interessenskonflikte.

Bemängelt wird von vielen Interviewten zudem, dass die kritische Distanz der Presse zur Branche oft fehlt. In einigen Interviews werden Videospieljournalist:innen eher als Fans denn als neutrale Beobachter: innen beschrieben. Unter diesen Bedingungen leide die journalistische Sorgfaltspflicht. Der Report belegt, dass Transparenzhinweise nicht immer konsequent erfolgen, zum Beispiel bei der vom Pressekodex verlangten Kennzeichnung von Artikeln, die durch die Einladung zu Pressereisen ermöglicht wurden.

Ein weiteres großes Problem ist laut einer Mehrzahl der Journalist:innen die Trennung von Werbung und Redaktion. Der Report veranschaulicht an Beispielen aus der aktuellen Berichterstattung, wie die Grenzen mitunter verschwimmen. Magazine wie GameStar versuchen, mit einem umfangreichen Kodex gegenzusteuern, in dem sie die Grundregeln für unabhängigen Spielejournalismus in ihrem Haus formulieren.

Einige Befragte klagen über fehlende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Videospieljournalist:innen. Ein Großteil der befragten Journalist:innen berichtet zudem von prekären Beschäftigungsbedingungen, die die unabhängige Berichterstattung erschweren können. Die Bezahlung für freie Autor:innen und festangestellte Journalist:innen bilde weder für längere Reportagen oder Reviews (Tests von Videospielen) sowie Previews (Vorschauberichte zu Videospielen) den tatsächlichen Arbeitsaufwand ab.

Alternativangebote wie The Pod, OK COOL oder Insert Moin werden von einer treuen Community getragen. Solche publikumsfinanzierten Indie-Medien im Videospieljournalismus werden prinzipiell von den Befragten begrüßt und als sinnvolle Ergänzung zu den Kiosk-Magazine gesehen, nicht als Ersatz. Die Gründer der Indie-Medien haben zum Teil zuvor in leitender Position für große Reichweitenmagazine gearbeitet. Sie grenzen sich nun bewusst ab und betonen den Wert der unabhängigen, communitybasierten Berichterstattung.

Die Recherche für den Greenhouse Report von Maximilian Fischer wurde mit dem Greenhouse Fellowship unterstützt. Das Fellowship ist ein Angebot im Grow Greenhouse, dem Zentrum für gemeinnützigen Journalismus und Medienvielfalt von Netzwerk Recherche. Ermöglicht wurde das Fellowship von der Schöpflin Stiftung.

 

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