Christliche Fundamentalisten werden unterschätzt
Je radikaler die Gruppe, desto schwieriger ist die Recherche. Egal, ob evangelikale Christen oder Neue Rechte – sie würden die Zeit gerne zurückdrehen. Drei Fragen an Oda Lamprecht, Freie Journalistin beim NDR. Von Beatrice Steineke, ifp
Wer ist für Sie ein christlicher Fundamentalist?
Lambrecht: „Ein Fundamentalist hält sich eng an sein Fundament, also in unserem Fall von christlichem Fundamentalismus, an die Bibel. Das heißt, dass ein Fundamentalist entgegen gesellschaftlicher Aufklärung und Weiterentwicklung an bestimmten Zitaten auf immer und ewig festhält. Wenn zum Beispiel in der Bibel steht, „der Mann soll nicht beim Manne liegen“, dann wird das wörtlich genommen und gesagt, „Homosexualität ist Sünde und darf nicht sein“. Und das gilt dann. Während in dem Beispiel sich die Gesellschaft öffnet und mehr Toleranz zulässt, ist dann aufgrund des Fundamentes klar, das gilt in alle Ewigkeit und ist sozusagen eine Art von Starrheit.“
Wieso sind christliche Fundamentalisten in Deutschland unterschätzt?
Lambrecht: „Ich glaube, dass es damit zu tun hat, dass Kirche und Christentum erst einmal mit Nächstenliebe und per se etwas Gutem verbunden werden. Ich halte es aber für wichtig, dass man genauer hinschaut, welche Werte real vertreten werden. Das kann nämlich unter dem Dach der Kirche sehr unterschiedlich ausfallen. Man kann religiöse Dialoge mit Muslimen führen, um die Integration voran zu bringen. Oder man sagt: „Muslime sind per se von Dämonen besessen.“ Das sind jetzt so die Extreme. Dazwischen gibt es dann auch in gemäßigter Art Ablehnung von Muslimen. Aber da finden sich halt riesige Unterschiede und da würde ich einfach sagen, dass man genauer hinschauen muss.“
Beeinflussen christliche, fundamentalistische Bewegungen politische Entscheidungen in Deutschland?
Lambrecht. „Das läuft nicht sehr transparent ab. Deswegen ist es die Aufgabe von Journalisten, Netzwerke und Einflüsse aufzuzeigen und ich glaube schon, dass es die gibt. Denn in christlichen, fundamentalistischen Kreisen wird immer wieder dazu aufgerufen, sich in der Politik zu engagieren und seine Positionen durchzusetzen – zum Beispiel zu Abtreibung oder zu Familie und Ehe. Dort herrscht ein sehr traditionelles Bild vor, also zum Beispiel die Frau ist dem Mann eher Untertan. Und insbesondere die Kirche hat schon auch Einfluss in der Politik. Journalisten müssen genaue schauen, wer was auf welcher Grundlage vertritt. Ist jemand in einer Gemeinde noch aktiv? Ist er in Netzwerken zum Beispiel von Evangelikalen aktiv? Das transparent zu machen, ist die Aufgabe.“
Beatrice Steineke auf Twitter: @beasteineke