Panel „Datenfeuerwerke: So gelingen Weltklasse-Visualisierungen“ mit Gregor Aisch, Moritz Stefaner, Sylke Gruhnwald und Benjamin Wiederkehr (v.l.n.r., Foto: Benjamin Richter)

Geht es nach Gregor Aisch, sind Grafiker nicht länger Dienstleister: Früher ließen sich Redakteure Infografiken für ihre fertigen Geschichten bauen, heute entstehen aus Infografiken Geschichten. „Das ist anders als bei einem Fotografen, der vielleicht doch primär die Aufgabe hat, ein Foto zum Text zu liefern“, sagt Aisch. Grafikredakteure wie Gregor Aisch sind selbstständiger und kreieren eigene Stories. Anders als der klassische Journalist starten sie nicht immer mit einer Recherchehypothese: Sie finden ihre Geschichten in den Daten.

Gregor Aisch hatte beispielsweise die vage Idee, zu untersuchen, wie Spieler, Vereine und die Nationalmannschaften bei der Fußballweltmeisterschaft zusammenhängen. Also suchte er im Internet nach Informationen zu den Spielern, wurde bei der Fifa fündig und erstellte so schnell wie möglich viele verschiedene Visualisierungen. Ausgereift waren die noch nicht. Aber darum ging es auch nicht. Es sollte vielmehr die zündende Idee kommen, was man denn tatsächlich aus den Daten machen kann. Im Fußball-Fall war es der Gedanke, wie eng die unterschiedlichen Nationen durch ihre Spieler miteinander verbunden sind. Sozusagen in Personalunion – Journalist und Grafiker – hatte Aisch eine Geschichte gefunden.

Doch auch bei ihm gilt ein wichtiger Grundsatz: Wenn sich nichts Interessantes findet, muss das Thema zu den Akten gelegt werden, wie es auch beim hypothesengeleiteten Vorgehen der Fall ist.
Unter den Profi-Visualisierern ist das ein wichtiger Punkt. „Klar ist es schwer, mit dem abgelegten Thema zum Chefredakteur zu gehen und zu sagen, dass es nichts gibt. Doch eine erzwungene Geschichte ist nie wirklich gut“, sagt Sylke Gruhnwald von der Neuen Züricher Zeitung (NZZ). Dort verfolgt man ein etwas anderes Konzept als bei der New York Times. Obwohl Sylke Gruhnwald auch selbst Erfahrung mit Grafiken hat, arbeitet sie mit der Kreativ-Agentur Interactive Things unter dem Namen NZZ Data zusammen und produziert so ihre Beiträge. Die Visualisierung wird dabei, ähnlich wie bei Aisch, nicht bloß als Ergebnis, sondern ebenfalls schon als Werkzeug zur Recherche für die Journalisten betrachtet. Und erst wenn die wirklich abgeschlossen ist, machen sich die Profis daran, die Grafik – und damit die Geschichte – publizierbar zu machen.

Ganz umkrempeln will man den Journalismus allerdings nicht: „Die Journalisten arbeiten genauso investigativ wie früher auch schon. Es kommt nur eine neue Darstellungsweise dazu“, sagt Benjamin Wiederkehr, Geschäftsführer von Interactive Things. Das sieht der selbstständige Grafiker Moritz Stefaner ein wenig anders. Auch er arbeitet immer wieder mit und für Journalisten. Und obgleich er noch mehr Dienstleister als Gregor Aisch ist, hält auch er fest: „Ich würde nicht zusagen, eine Grafik zu erstellen, bevor ich die Daten nicht genau betrachtet habe.“ Außerdem weist er daraufhin, dass sich direkt aus den Infografiken weitere Recherchemöglichkeiten ergeben. „Ich kann beispielsweise auswerten, welche Bevölkerungsgruppen meine Grafik wie nutzen und daraus wieder neue Schlüsse ziehen.“

Ob sich der Trend zum Grafikredakteur verstetigt, ist heute also noch offen: Kooperationsmodelle wie bei der NZZ wird es wohl auch in Zukunft geben. Und ob man seine Geschichten über eine Recherchehypothese findet oder so wie Gregor Aisch vorgeht, fällt am Ende weniger ins Gewicht – letztlich zählt allein die Qualität der Story.