Einmal Türke – immer Türke?
Werden Journalist*innen mit Migrationshintergrund in Redaktionen nur als „Ausländer vom Dienst” angesehen? So eindimensional ist die Erfahrung von Kolleg*innen mit Migrationshintergrund gar nicht. Von Minh Thu Tran, DJS
Drei Dinge, die Journalist*innen mit Migrationshintergrund im Redaktionsalltag nerven:
1. Wenn Redakteure unsensibel sind.
Journalist*innen mit Migrationshintergrund sind ein vielfältiges Umfeld gewöhnt. Und sind bei ihrer Ankunft in Redaktionen häufig überrascht, dass das Bild der weit gereisten und weltoffenen Journalist*innen nicht erfüllt wird. Sie erleben in der Hinsicht einen krassen „Kulturschock“. Sprüche wie: „Ich wusste gar nicht, dass sich Frauen mit Kopftuch für Mode interessieren“ lassen bei Journalist*innen mit Migrationshintergrund dann häufig die Frage aufkommen: Will ich mich wirklich mit ein solches Arbeitsumfeld begeben, in dem solche Fragen gestellt werden?
2. Wenn sie in Schubladen gesteckt werden.
Journalist*innen mit Migrationshintergrund sind nicht zwangsläufig Experten für Migration, Journalist*innen mit türkischem Namen sind nicht zwangsläufig Experten für Türkeithemen und Journalist*innen mit arabischem Namen wollen nicht „nafritisiert“ werden. Und die Frage „kennst du ‘nen Türken?“ oder „hast du Kontakte zur türkischen Community?“ können auch nerven – vor allem wenn nur oberflächliches Interesse besteht.
3. Der Weg in die Redaktionen und in Führungspositionen ist ziemlich schwierig.
Redaktionen haben ziemlich hohe Einstellungshürden. Geflüchtete Journalisten sind grundsätzlich in Redaktionen willkommen – aber dann wird von Ihnen perfektes Deutschkenntnisse verlangt. Außerdem sind kaum Journalist*innen mit Migrationshintergrund in Beschäftigungsverhältnissen und in „Nischenprodukten“ der Medienhäuser.
Drei Fragen an Alena Jabarine
Alena Jabarine hat beim NDR volontiert und war als freie Mitarbeiterin für NDR Info, die Reportage und Panorama 3 im Einsatz. Seit März ist sie Redakteurin beim WDR/foryou.
1. Hattest du auch mal mit Selbstzweifeln zu kämpfen und dem Gefühl, nur als Quotenausländerin in die Redaktion gekommen zu sein?
Nein, niemals. Zumal ich mich selbst nie als „Ausländerin“ betrachtet habe. Ich bin in Hamburg Lokstedt geboren, beim NDR um die Ecke, in Hamburg aufgewachsen, als Tochter einer deutschen Mutter. Allerdings haben Andere mir das manchmal suggeriert. Von Kollegen gab es Sprüche wie: „Du wirst bestimmt irgendwann mal Tagesschausprecherin, das ist ja gerade in, Frauen mit Migrationshintergrund.” Diese Sichtweise hat mich schon überrascht, sie hat wenig mit meinem privaten Umfeld zu tun, in dem Vielfalt einfach völlig selbstverständlich ist, in dem ausländische Wurzeln wenn überhaupt, dann als interessantes Feature wahrgenommen werden. Naiverweise hatte ich nicht erwartet, dass unter Journalisten noch extrem in Schubladen gedacht wird.
2. Hast du das Gefühl, dass du als Mensch mit Migrationshintergrund im Gegensatz zu einem weißen Redakteur mehr als Person im Fokus stehst, wenn dein Name unter einem Beitrag steht, und nicht als Redakteurin?
Ich bin froh darüber, dass mein Name nicht klar einer bestimmten Region bzw. Religion zugeordnet werden kann. Hätte ich einen klassisch muslimischen Namen, würde ich mir sicher Gedanken darüber machen, wie das auf Zuschauer wirkt. Ob Menschen meine Objektivität in Frage stellen könnten. Ich merke sogar an mir selbst, dass ich überrascht bin, wenn unter einem Leit-Artikel der FAZ , in dem es z.B. um das Thema Steuerhinterziehung geht, ein arabischer Autoren-Name steht. Wir sind das einfach nicht gewohnt. Ich bin mir sicher, Kollegen mit eindeutig arabisch/muslimischen Namen sehen sich auch viel häufiger Hass- oder verleumdenden Zuschriften ausgesetzt.
3. Du hast ein Volontariat beim NDR gemacht – und ihr habt schon im Panel festgestellt, dass sich nicht wirklich viele Kolleg*innen mit Migrationshintergrund für Volos beim NDR bewerben. Was können Redaktionen wie der NDR dafür tun, um für Journalist*innen mit Migrationshintergrund attraktiver zu sein?
Wir kämpfen ohnehin schon darum, junge Menschen zu erreichen, geschweige denn, Menschen mit Migrationshintergrund. Ich vermute, dass die sich in unserem Programm einfach nicht widergespiegelt finden, und das ist kein Wunder. Noch arbeiten wir immer wieder mit den gleichen Klischee-Bildern, Türken werden von einer dicken Frau mit Kopftuch symbolisiert, die man von hinten, zahlreiche Plastiktüten tragend und von Kindern umringt sieht. Als Protagonisten werden zumeist Deutsche gewählt, es sei denn, es geht explizit um „Migrantenthemen“. Geht es zum Beispiel um die mangelnde Anbindung von Dörfern in Schleswig-Holstein an den öffentlichen Nahverkehr, warum nicht mal einen iranischen Protagonisten? Der zahlt doch auch Steuern und wartet genauso auf den Bus. Aber das würde die Zuschauer verwirren, so haben wir das im Volo gelernt. Die denken dann, in dem Beitrag ginge es um den Iran. Solange wir Medien diese Denkweise nicht ändern, und dem Zuschauer weiterhin suggerieren, Deutschland sei eigentlich „weiß“ und bei Ausländern gehe es nur um Themen wie Abschiebung, Ehrenmord oder Dönerbude, werden wir nichts ändern. Und dann werden wir eben auch nicht als Arbeitgeber für junge angehende Journalisten attraktiv. Ich hoffe, dass sich da bald etwas ändert, dass vielleicht die Flüchtlingskrise und die gesellschaftlichen Veränderungen jetzt auch neue Impulse in den Redaktionen setzen. Damit wir bald in bunten, vielfältigen Redaktionen Programm für unsere bunte, vielfältige Gesellschaft machen können.
Minh Thu Tran auf twitter: @tran_vominhthu
Infos zum Panel unter: http://sched.co/AOXK