Panel „Von wegen normal! – Hitzlspergers Coming-Out in den Medien” mit Moritz Müller-Wirth, Moderatorin Caren Miosga, Carolin Emcke und Thomas Krüger (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Es war ein Sonntag, als der ehemalige Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger den damaligen Feuilleton-Chef der ZEIT, Moritz Müller-Wirth, um ein Gespräch bat. Der Spieler, damals beim VfL Wolfsburg, offenbarte dem Journalisten an diesem Tag seine Homosexualität – und den Plan, sie irgendwann öffentlich machen zu wollen. Eine Wahnsinnsstory, auf die Medien seit Jahren gewartet hatten.

Müller-Wirth weiht seine Kollegin Carolin Emcke ein. Beide raten Hitzlsperger von einem öffentlichen Coming-Out ab. „Solange nicht geklärt war, ob er persönlich und professionell abgesichert ist, wollten wir das nicht publik machen“, sagt Müller-Wirth heute. In Großbritannien habe sich damals ein junger Spieler aus der Premier League zu seiner Homosexualität bekannt. „Er wurde anschließend so massiv gemobbt, dass er sich das Leben nahm“, begründet Emcke die Vorsicht.

Knapp drei Jahre vergingen. Währenddessen fanden zahlreiche Gespräche zwischen den beiden Journalisten und Hitzlsperger, aber auch mit Presserechtsberatern und der Familie des Sportlers statt. Viele Momente hätten sich wie der richtige Zeitpunkt für das Coming-Out angefühlt und seien es dann doch nicht gewesen. „Die Entscheidung, wann und ob wir das Interview veröffentlichen, lag allein bei Thomas Hitzlsperger“, sagt Müller-Wirth. Im Januar dieses Jahres sei der sich dann sicher gewesen. Schrittweise wurden Ressortleiter und Layouter eingeweiht. Das Wochenmagazin ging in den Druck, der Artikel früh am morgen online.

Von Trainingskollegen bis DFB, von Evangelischer Kirche bis Bundesregierung: Alle lobten Hitzlspergers Mut. „Wir haben ihm vorhergesagt, dass es eine gigantische Reaktion geben werde, vor allem eine positive. Trotzdem hat uns der enorme Zuspruch nach der Veröffentlichung überrascht“, sagt Müller-Wirth.

„Den sehr positiven Reaktionen müssen nun aber auch Veränderungen im Verhalten folgen“, fordert Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung und Herausgeber des Magazins fluter. Schon ein Jahr vor Hitzlspergers Coming-Out in der ZEIT hatte ein anderer Bundesligaspieler im fluter anonym über seine Homosexualität gesprochen.

Hitzlspergers Wunsch sei es, dass sich junge Menschen heute freier verhalten, als er es früher konnte, fasst Emcke zusammen. „Denn immer noch führen homosexuelle Sportler ein Leben in Heimlichkeiten.“