Foto: Nick Jaussi

Ein Gastbeitrag von Isolde Fugunt

Ein Frauenanteil von 45 Prozent auf den Podien – und mehr Moderatorinnen als Moderatoren. Darauf waren die Organisatoren der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche in Hamburg stolz. Haben wir jetzt also alles erreicht? Können wir das Thema Gleichberechtigung damit abhaken? Noch nicht ganz, findet Journalistenausbilderin Isolde Fugunt (ifp):

Wenn ich jemandem am ersten Tag bei #nr18 erzählte, dass ich dieses Jahr neben Datenjournalismus ganz viele Panels im Bereich Frauen besuchen würde, erntete ich bisweilen mitleidige Blicke – nicht wegen #ddj. Oder bildete ich mir das nur ein? Denn auch mein eigener kleiner Karriere-Teufel verhöhnte mich: Hier gibt’s so viele spannende Themen und Du beschäftigst Dich damit? Mit Journalistinnen-Netzwerken? Mit der gerechten Verteilung von Journalistenpreisen? Mit Frauen in Führungspositionen? Spätestens im Panel zum Thema „Journalistenpreise“ und Frauen hat sich dann bestätigt, dass diese Konzentration eine Dummheit sein könnte: Denn viel zu viele Frauen schreiben über weiche Themen (Frauen, Pflege, Kinder, Familie und so weiter) und überlassen die harten, die die als gesellschaftlich relevant gelten, ihren männlichen Kollegen. Unter anderem deshalb gewinnen Frauen wohl auch weniger Preise. Texte von Frauen und über Frauen wolle ja auch kein Mann lesen, sagte ein Diskussionsteilnehmer. Ich glaube ja eher, dass Männer sehr wohl Texte von Frauen und über Frauen lesen würden, wenn es diese in ausreichender Zahl gäbe. Machen Sie sich mal den Spaß und zählen Sie im Spiegel Nr. 25 (Zufall) die Autorinnen und Autoren (21:80) sowie die abgebildeten Frauen und Männer (31:113). Ich will Spiegel-Chef Klaus Brinkbäumer gerne glauben, dass in den Führungsetagen auf der Ericusspitz seit kurzem alles besser ist. Er müsse schon gar nicht mehr darüber nachdenken, eine Frau zu befördern, hat er im Führungspositionen-Panel gesagt. Die sind jetzt nämlich automatisch immer schon dabei, wenn der Spiegel nach den besten Leuten für einen Job in Führungsposition suche. Aber sein Heft, sorry, ist ein Männer-Heft. Dieses Missverhältnis wird übrigens schon in der Ausbildung eingeübt: Ich muss zugeben, dass unsere Ausbildungsprojekte hinsichtlich der Gesprächspartner auch oft Männer-Dossiers sind.

Foto: Nick Jaussi

Männer besuchen auch nur selten Panels über Gleichberechtigung oder zumindest nicht gerne – jedenfalls legt das die Geschlechterverteilung in den Frauen-Panels von #nr18 nah (auch nicht so verwunderlich, wenn man sie unter dem Stichwort „Frauen“ ankündigt statt den Themenbereich „Frauen und Männer“ zu nennen). Ein Journalist, Mann, sehr netter Kollege, kam jedenfalls aus dem Panel zu den Journalistenpreisen und sagte so ungefähr, blödes Panel, da haben eigentlich nur Frauen gejammert, dass sie keine Preise bekommen. Ich hatte einen ganz anderen Eindruck, denn das Panel war gut vorbereitet. Hier ging’s nicht ums Netzwerken oder gefühlte Benachteiligung, sondern um Zahlen und Strukturen. Moderatorin Silke Burmester hatte die Frauen-Männer-Quoten der Jurys und Preisträger der wichtigsten Journalistenpreise durchgezählt. Nannen-Preis, Brenner-Preis, Reporter-Preis – immer überwogen dort zuletzt die Zahl der lachenden Männer, ausgewählt von überwiegend männlichen Jury-Mitgliedern. Da kann man schonmal fragen, woher das kommt, finde ich. Die Antworten waren erhellend und konkret. Wenn sich daran was ändern soll, müssen sich noch mehr Frauen an die großen Themen ranwagen, muss schon beim Zusammenstellen eines Teams darauf geachtet werden, dass Frauen und Männer mitarbeiten, alle mit recherchierenden Frauen müssen genannt und die Jurys sich ihre Kriterien für Relevanz klarmachen. Und das wichtigste: Frauen müssen ihre preiswürdigen Geschichten natürlich auch einreichen, wenn sie einen Preis gewinnen wollen. Eine Frauenquote für die Preisverteilung wollte dagegen keiner, jedenfalls nicht öffentlich.

Die Journalistin Silke Burmester, die das Thema Gleichberechtigung bei #nr18 vorangetrieben hat – entweder moderierte sie, diskutierte auf dem Podium mit oder meldete sich vom Publikum aus oder per Twitter zu Wort – rief in einem Panel die Journalistenschulen als nächstes Kampfgebiet aus. Es gäbe an den Journalistenschulen kaum Dozentinnen. Nachdem @BoWiebke diese These in die Welt getwittert hatte, reagierten die Journalistenausbilder ein bisschen empfindlich. Ein geschätzter Kollege betonte, dass doch aber ganz viele Frauen in der Journalistenausbildung arbeiteten (arbeiten ja, leiten in der Mehrzahl nein), dass man schon bei 42 Prozent sei oder die 50 Prozent sogar schon geknackt habe – und überhaupt wir doch schon ganz gut dabei wären.

Gut, auch wenn wir an den Journalistenschulen offenbar schon alles wunderbar richtig machen (wir sind beim ifp bei 30 Prozent – das finde ich ausbaufähig) und wir’s im Journalismus in Sachen Gleichberechtigung doch eh echt gut haben, wie mir ein Kollege Abends beim Bier erklärt hat, habe ich mir trotzdem ein paar ToDos aufgeschrieben.

  1. Auswahlgremien paritätisch besetzen
  2. Gute Journalistinnen an geeigneter Stelle empfehlen
  3. Trainerinnen- und Mentorinnen-Quote überprüfen, gegebenenfalls eine Quote einführen
  4. Frauen ermuntern, sich für Journalistenpreise zu bewerben
  5. Bei jeder Preis-Ausschreibung ungleich besetzte Jurys laut kritisieren
  6. Journalistinnen ermutigen, sich mit Geld, Macht und Terrorismus auseinanderzusetzen
  7. Alle ermuntern, Expertinnen zu Wort kommen zu lassen und über Frauen zu schreiben
  8. Überlegen, wie eine bessere Journalistinnen-Netzwerk-Veranstaltung für #nr19 aussehen könnte

Und wenn wir das alles gemacht haben, dann darf nr-Mann-Kuno Haberbusch, der bisher erzählen muss, dass es harte Arbeit war so viele Referentinnen auf die Podien zu bekommen (45 Prozent! Respekt!), weil so viele angefragte Frauen abgesagt haben (schade!), spätestens bei #nr25 diesen Brinkbäumer-Satz sagen: Wir denken bei der Besetzung von Podien noch nicht mal darüber nach, ob genügend Frauen dabei sind, das ist ganz automatisch so.