Recherche und investigative Recherche sind für die Zukunft des Radio überlebenswichtig. Warum aber findet investigative Recherche trotzdem kaum im Radio statt? Und warum sehen Radioredaktionen investigative Recherchen nicht als treibende Kraft? Diese Frage diskutierten Inge Seibel (Jurymitglied beim Deutschen Radiopreis), Johannes Nichelmann (Deutschlandfunk Kultur), Tom Schimmeck (freier Journalist) und Benedikt Strunk (NDR). Von Minh Thu Tran, DJS

Fünf Erkenntnisse aus der Diskussion:

Journalistische Ansprüche im Radio sind eher niedrig.
„Investigative Recherche ist, wenn man eine eigene Fragestellung hat“, sagte Tom Schimmeck. Aber sollte das nicht die Devise von jeder Recherche sein? Da sind wir wahrscheinlich schon beim Grundproblem: Recherche wird in lokalen Radios kaum betrieben – sondern eher „Hof- und Terminberichterstattung“. Geldmangel, Zeitmangel, personeller Mangel – im Lokalradio gibt es häufig nicht das Umfeld, das investigative Recherchen schafft. Positive Gegenbeispiele schaffen nur sehr engagierte Reporter*innen, die auch bereit sind, unbezahlte Überstunden für recherchengetriebenen Journalismus zu machen.

Starre Senderstrukturen sind oft Gift für Rechercheprojekte.
Die starre Organisation der Sendehäuser verhindert zum Beispiel Zusammenarbeiten von unterschiedlichen Ressorts und verkompliziert die Verteilung der Gelder für lange Recherchen. Das frustriert engagierte Journalist*innen, die auch investigatives Radio machen wollen. Sie wechseln dann zu anderen Medien.

Bezahlungsmodelle für freie Journalisten macht für langfristige Recherchen keinen Sinn.
Freie Journalist*innen werden meistens immer noch pro Beitrag entlohnt – und nicht für die Zeit, die sie in den Beitrag stecken. Das kann Freie nicht motivieren, in ihre Beiträge viel Arbeitszeit zu investieren. Weiteres Problem: Spesen werden fast nie bezahlt. Vor allem bei Recherchen im Ausland müssen Freie finanzielle Risiken auf sich nehmen.

Öffentlich-rechtliche Sender bemühen sich nicht um investigative Recherche.
Sender wie der Deutschlandfunk ruhen sich häufig auf ihren guten Ruf als Qualitätsmedium aus – und bemühen sich kaum selbst um Innovation. Dass öffentlich-rechtliche Sender nicht innovationsträge sein müssen, zeigt die BBC. Das Selbstverständnis des BBC, als leitender Sender auch Impulsgeber sein zu wollen, wünschen sich viele auch von den öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland.

Radio ist für investigativ arbeitende Freie häufig lediglich die „Resterampe“.
Radioredaktionen sind für freie Journalisten nicht die erste Wahl für ihre investigativen Geschichten. Die meisten bieten ihre investigativen Recherchen erst Print- oder TV-Redaktionen an.