Antonia Rados: Von der Quotenfrau zur Kriegsreporterin

Eröffnungsrede „Von der Quotenfrau zur Kriegsreporterin“ mit Antonia Rados (Foto: Wulf Rohwedder)

„Stellen Sie sich vor, Sie wären jetzt rund 3.000 Kilometer südlich von hier,“ so die RTL-Auslandskorrespondentin in ihrer Eröffnungsrede. „Sie wären in Kairo. Die Polizei sammelt alle unsere Handys ein, wir werden alle verhaftet und sehen uns im Gefängnis wieder. Denn wir, Sie alle und ich, wir sind die ‘Terrorzelle NDR/nr’.“ So geschehen mit den Kollegen von Al Jazeera, die nichts anderes gemacht haben, als zu recherchieren und zu berichten, von der ägyptischen Justiz aber als „Terrorzelle Marriott“, benannt nach dem Kairoer Hotel, in dem sie arbeiteten, zu Gefängnisstrafen zwischen sieben und zehn Jahren verurteilt wurden. Journalismus als Verbrechen. Aber, so Antonia Rados: „Journalismus ist kein Verbrechen.“

Die Kriminalisierung von Journalisten findet überall auf der Welt statt. In demokratischen Staaten zwar weniger, aber auch hier werden Maulkörbe erteilt, auch hier findet eine Diskriminierung statt. Und es seien nicht nur Menschen wie Edward Snowden, die verfolgt und angeklagt werden, sondern eben auch die berichtenden Journalisten und ihre Angehörigen. Beispiel: Die Verhaftung des Lebensgefährten vom Guardian-Journalisten Glenn Greenwald auf dem Londoner Flughafen.

Rados arbeitete von 1978 bis 1991 für den Österreichischen Rundfunk als Auslandskorrespondentin in Chile, Somalia, Südafrika und im Iran. Danach wurde sie Sonderkorrespondentin beim WDR (siehe Kasten). Nach ihrem Wechsel zu RTL berichtete sie aus den Krisengebieten weltweit. Kein Wunder also, dass Netzwerk Recherche die mehrfach ausgezeichnete Journalistin als „so etwas wie eine große Dame der Kriegs- und Krisenberichterstattung“ adelt. Dabei begann ihre Karriere beim ORF als „Quotenfrau“, einer reinen Männer-Erfindung. „Ich bekam eine Festanstellung, weil der Sender eine Frau brauchte. Ich wollte aber keine Quotenfrau sein, es wurde mir aufgezwungen.“

Rückblickend muss die Alibi-Quotenfrau aber feststellen: „Viele Reportagen hätte ich nicht machen können, wenn ich nicht festangestellt gewesen wäre.“ Die Quote hätte ihr bei den Auslandseinsätzen „Rückendeckung durch den Sender“ gegeben. Und nach einem kleinen, nach Meinung des Autors überflüssigen Schlenker gegen Karl Kraus („Frauen als Reporterinnen im Krieg seien ein mehrfaches Verbrechen.““) schlägt sie gekonnt wieder den Bogen, zu den Arbeitsbedingungen von Reporterinnen und Reportern in Kriegs- und Krisengebieten: Die Kriminalisierung des Journalismus findet überall statt. Dabei gebe es sogar einen Unterschied bei männlichen und weiblichen Berichterstattern. Während Journalisten als „Terroristen oder Spione“ diskriminiert und verfolgt würden, genüge dieses bei Journalistinnen einfach nicht. Beleidigungen wie von Arafat in einem Interview („Sie reden wie eine zionistische Agentin.“) werden – bei einem anderen Interview im Nahen Osten – noch getoppt mit der Nachfrage: „Who is this prostitute?“

Antonia Rados über Reporterinnen in vielen Länder: „Es genügt nicht, eine Mata Hari zu sein, sondern obendrein auch noch eine Hure. Frauen werden besonders mies behandelt.“ Doch sie wolle nicht zu viel jammern, denn es gäbe noch eine Gruppe von Auslandsjournalisten, denen es noch schlimmer ginge, die es bei ihrer Berichterstattung weitaus schwerer hätte – die Blogger und die große Gruppe von Freien Journalisten. „Sie sind in der ständigen Gefahr, mit einem Fuß im Gefängnis zu sein.“ Und da die Freien eben frei seien und meist keine Redaktion im Rücken hätten, die sich für sie einsetzen könnte, wäre deren Arbeit in Krisengebieten viel leichter in eine kriminelle Ecke zu rücken.

Aber gerade deshalb gelte weltweit: „Journalismus ist immer noch alles andere als ein Verbrechen.“

Bei der Abmoderation der Rede bat Kuno Haberbusch (nr) noch um 4’30 Minuten Geduld, um aller anderen Krisen- und Kriegsreporte zu gedenken, die bei ihren Auslandseinsätzen gestorben sind oder ermordet wurden. Gezeigt wurde das eindrucksvolle Porträt des Hessischen Rundfunks über die im April in Afghanistan ermordete Fotografin Anja Niedringhaus.

Und dennoch und deshalb: Es bleibt nach Eröffnung dieser 14. Jahreskonferenz die Zuversicht „Your’ll never walk alone“ – auch oder gerade, wenn als Quotenfrau gestartet wird.