Recherchieren mit der Speicherkarte in der Babywindel
Der eigene Laptop, das Mobiltelefon, die Speicherkarten – alles unter staatlicher Kontrolle. Wo bleibt da noch Freiraum für die journalistische Arbeit? Drei deutsche Reporter berichten, wie sie in China, Kuba und im Iran trotzdem arbeiten können. Von Beatrice Steineke, ifp
„Mein Computer ist ein offenes Fenster für die Regierung.“ Lea Deuber arbeitet als Korrespondentin für die Wirtschaftswoche in Shanghai.
Warum Chinesen mit hohen Schulden keine Tickets für Schnellzüge oder Flüge kaufen dürfen. Und warum China bis 2020 seine Einwohner per „Social Credit“-System bewerten will. Das sind ihre Themen. Offizielle Stellen gibt es, aber die anzurufen mache sowieso keinen Sinn. „Irgendwo in China klingelt den ganzen Tag ein Telefon“, sagt Lea Deuber lachend. Ein Auskunftsrecht wie in Deutschland existiere nicht. Aber ihre chinesischen Sprachkenntnisse helfen ihr im Netz weiter. Sie sei immer zuerst im chinesischen Internet unterwegs, was mehr ein Intranet sei. Und sie mache ganz, ganz viel Laufarbeit. Sie spreche auf offiziellen Anlässen mit so vielen Leuten wie möglich und verteile viele Visitenkarten. Manchmal weiß auch der Taxi-Fahrer auf der Heimfahrt mehr. Das sei sowieso gut, um auch aus der eigenen Filterblase herauszukommen, erzählt Deuber. Da generell alles überwacht wird, kann sie ihren Informanten streng genommen keine Anonymität garantieren. Sich selbst schützt sie aber seit kurzem mit einem Anwalt als Notfallkontakt.
„Auf Kuba funktioniert so gut wie nichts mehr – außer dem Sicherheitssystem.“ Wiebke Keuneke ist mehrmals als freie Journalistin für ihre Radiofeatures nach Kuba gereist.
Warum wollen junge Kubaner ihr Land verlassen, obwohl sie so stolz sind auf ihre Heimat, die in ihren Augen jahrelang den USA die Stirn bot? Ein Thema über das Wiebke Keuneke berichtet. Für ihre Radiofeatures überlegt sie sehr genau, wen sie interviewt und für ihre Geschichten begleitet. Denn Kuba sei seit dem Besuch des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama im März 2016 viel repressiver geworden, findet Keuneke. Schon als Ausländer eine SIM-Karte zu besorgen, ist schwierig. Und es ist ein Geschäft. Kubaner verkaufen Ausländern auf den Namen ihrer Großmütter SIM-Karten. Aber selbst das habe der Staat schon auf dem Schirm, sagt Keuneke. Die größte Gefahr sei auch nicht, dass sie verhaftet werde, denn Kuba wolle keine schlechte Presse. Der Albtraum der freien Journalistin ist, dass ihr Equipment beschlagnahmt wird. Deshalb hat sie ein ausgeklügeltes System mit mehreren Speicherkarten entwickelt – selbst die Windel ihres Sohnes musste schon als Versteck herhalten.
„Ich arbeite mit maximaler Offenheit.“ Theresa Tropper berichtet oft für die Deutsche Welle als Reporterin und Videojournalistin aus Teheran.
Auf den Straßen Teherans aus der Menge heraus zu berichten, das kommt nicht oft vor. Erstmals nach vier Jahren möglich war es auf der offiziellen Party nach den Parlamentswahlen im Iran. Theresa Tropper berichtete für die Deutsche Welle. Normalerweise fühle sie sich meist mit zahlreichen Genehmigungen, die sie vor ihrer Reise einholen muss, bürokratisch fest umarmt, erzählt die Reporterin. Auch weil ihr der obligatorische Begleiter der Media Agency nie von der Seite weicht. 180 Euro kostet der offizielle Übersetzer jeden Tag. Und das muss der Journalist zahlen. Dafür dokumentiere der Übersetzer jeden Schritt und jedes Gespräch und gebe es an offizielle Stellen weiter. Aber bisher sei sie noch nie inhaltlich eingeschränkt worden, sagt Tropper. Dass ihr Telefon abgehört und ihre Nachrichten gelesen werden, merke sie allerdings schon, auch in Gesprächen. Da zahle es sich aus, dass ihr Persisch immer besser werde. Besonders heikle Recherchen, bei denen sie oder andere Beteiligte verhaftet werden könnten, lehne sie ab. Diese Themen überlässt sie denjenigen Kollegen in Berlin, die ohnehin nicht mehr in den Iran einreisen dürften. Auch deshalb bleibe sie bei maximaler Offenheit. Sobald die Behörden merkten, dass man versuche etwas heimlich zu machen, bekomme man Probleme.