Panel „Überwachte Journalisten – Wenn Geheimdienste Pressefreiheit und Informantenschutz bedrohen“ mit Stefan Buchen, Andrea Röpke, Marie Delhaes und Moderatorin Julie Kurz (v.l.n.r., Foto: Raphael Hünerfauth)

Wenn Behörden Journalisten zum Zeugen machen wollen – abgehörte Reporter erzählen

Der Anruf kam im September und auf Rügen. Andrea Röpke stapfte gerade durch den Sand und suchte eigentlich den Museums-Eingang zum NS-Koloss Prora. Dann war da diese Nummer auf ihrem Display. Am anderen Ende der Leitung: Maren Brandenburger. Eine halbe Stunde redete sie, die Verfassungsschützerin aus Niedersachsen, mit ihr, der anerkannten Expertin für Neonazismus. Am Ende des Telefonats wusste die Journalistin Andrea Röpke, dass sie überwacht worden war. Eine Stunde blieb ihr da noch, um die richtigen Entscheidungen für ihre journalistische Zukunft zu treffen.

Angefangen hatte alles 2005 in Bremen. Andrea Röpke führte dort bei einer Veranstaltung den Film „Neonazistische Umtriebe“ vor. Einer der Besucher erstatte Anzeige, woraufhin die Staatsanwaltschaft Bremen zu ermitteln begann. Letztlich kam der Vorfall in das System des Verfassungsschutzes Niedersachsen. Allerdings wurden die Verfahren schnell eingestellt – nur der Verfassungsschutz pflegte von 2006 bis 2012 weiter die Akte Röpke. Die Journalistin selbst ahnte, überwacht zu werden und fragte 2012 beim Verfassungsschutz nach. Eine Akte zu ihrer Person gäbe es nicht, bekommt sie als Antwort – eine kalkulierte Lüge. Tatsächlich wurde die Akte heimlich geschreddert, erst später aufwändig rekonstruiert. Dann klingelte im Regen von Rügen Röpkes Telefon. In dem Gespräch kündigt Maren Brandenburger Röpke an, schon eine Stunde später eine Pressekonferenz zu der Affäre halten zu wollen. Hastig rief die Journalistin ihren Anwalt an. Bis heute weiß sie nicht, in welchem Umfang sie ausspioniert wurde. Längst hat sie beim Verwaltungsgericht Stade Klage auf volle Einsicht eingereicht. „Die ganze Akte ist ein Witz“, sagt Röpke.

Auch bei Marie Delhaes klingelten schon die Ermittler durch. Sie beschäftigt bei ihren Recherchen oft die Frage, warum sich junge Menschen dem radikalen Islam zuwenden. Und das war auch für das LKA Baden-Württemberg interessant. Für eine Doku hatte Delhaes einen Kontakt mit Sven Lau aufgebaut, der sich in Syrien für religiös motivierte Rebellen eingesetzt haben soll. Der LKA-Beamte am Telefon wollte die Journalistin jetzt als Zeugin in diesem Fall gewinnen – und von ihren umfassenden Recherchen profitieren. Lau saß da bereits in U-Haft, ein Telefonat mit Delhaes war abgehört worden. „Sie wissen wahrscheinlich, worum es geht“, sei der erste Satz des Beamten gewesen, erzählt die Journalistin. Der Beamte habe fast beiläufig geplaudert und sogar Witze gemacht. Doch das LKA rief immer wieder an und will die Journalistin vorladen lassen. Erscheine sie nicht vor Gericht, müsse sie mit einer Strafe von 1.000 Euro rechnen und sechs Wochen lang in Beugehaft. „Da hat sich das wahre Gesicht des LKA gezeigt“, sagt Delhaes.

NDR-Reporter Stefan Buchen sagt: „Behörden mögen es nicht, wenn Journalisten einen Wissensvorsprung haben.“ Mit seinen Recherchen zum Thema Islamismus geriet auch er ins Visier von Ermittlern – aus Amerika. Bis 2010 betrieb die CIA im rheinischen Neuss gemeinsam mit dem deutschen Verfassungsschutz und dem BND das „Projekt Sechs“, um das Umfeld von Islamisten auszuhorchen. Und durch den beruflichen Kontakt zu einem radikalen Prediger aus dem Jemen gehörte Stefan Buchen nun ganz offenbar zu diesem Umfeld: Zwei geheime Dokumente zeigen, dass die CIA von den deutschen Behörden Informationen zu Stefan Buchen, dem Journalisten, forderte. „Ein investigativer Journalist muss heute damit rechnen, überwacht zu werden. Das ist die traurige Wahrheit“, sagt er heute. Dass tatsächlich Daten zu seiner Person nach Amerika gingen, bestreiten die deutschen Behörden. „Ich kann das glauben oder eben nicht“, sagt Buchen. Beweisen könne er es nicht – aber wo ein Casino steht, werde eben oft gespielt.