Erst vor einigen Monaten sorgte ihre jüngste große Recherche für Aufsehen: Über die im April bei Correctiv veröffentlichte „Ökogas-Lüge“ wurde von zahlreichen deutschen Medien berichtet. Deutsche Energieversorger hatten mit „klimaneutralem Erdgas“ geworben. Ein leeres Versprechen, wie Gesa Steeger aufdeckte.

Rund sechs Monate hatte sie mit Kolleg*innen an der Geschichte gearbeitet. Unterstützt von zwei Datenjournalisten wühlten sie sich gemeinsam durch die Daten von Verra und Gold Standard – zwei der weltweit größten Datenbanken für CO2-Kompensationen. Sie fanden heraus, dass 116 Unternehmen hunderttausende Kunden täuschten. Das angebliche klimaneutrale Ökogas war nichts anderes als Erdgas. Das Geld investierten die Anbieter stattdessen in Projekte, die die schädlichen CO2-Emissionen lediglich ausgleichen sollten, etwa durch den Schutz von Wäldern in Brasilien oder den Bau von Wasserkraftwerken in Indien.

Die Recherche-Ergebnisse stellte das Autor*innen-Team dem Correctiv Lokalnetzwerk zur Verfügung. Über das Netzwerk können Lokaljournalist*innen auf die Daten und Ergebnisse von Correctiv zugreifen und mit Bezug auf die eigene Stadt berichten. Denn im Fall der „Ökogas-Lüge“ hatten auch viele Stadtwerke Geschäfte mit den angeblichen klimaneutralen Zertifikaten gemacht.

„Es ist wichtig, die Leute vor ihrer eigenen Haustür abzuholen”, erklärt Gesa Steeger. Lokaljournalismus müsse den Menschen aufzeigen, wie sich die „Klimakrise“ in ihrer Stadt und ihrer Region auswirke. So könnten auch jene Leute erreicht werden, die sich üblicherweise nicht mit dem Thema beschäftigen, meint die 40-Jährige.

Seit 2022 ist Gesa Steeger Reporterin mit den Schwerpunkten Klima und Sustainable Finance und koordiniert die Zusammenarbeit zwischen der Klimaredaktion und dem Lokalnetzwerk von Correctiv, um die beiden Bereiche stärker zusammenzubringen.

Dass sie einmal als Journalistin arbeiten würde, hatte sie nicht geplant. Sie studierte an der Universität Potsdam Germanistik, Anglistik und Kulturwissenschaften. Nebenbei arbeitete sie in einer Galerie in Berlin und war zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. „Dabei habe ich dann festgestellt, dass eigentlich ich diejenige sein will, die die Leute anruft und Sachen fragt“, erzählt sie. Kurz vor Studienabschluss bewarb sich Steeger auf ein Praktikum bei der taz im Berliner Lokalteil. Dort gefiel es ihr so gut, dass sie ihr Praktikum verlängerte und anschließend als freie Mitarbeiterin für die Tageszeitung schrieb.

Doch nicht nur die Neugierde brachte sie zu ihrem Beruf. „Ausschlaggebend war sicherlich mein Gerechtigkeitssinn.“ Die hochpolitische Aufgabe der Berichterstattung und die Presse als vierte Gewalt würden besonders aktuell immer wichtiger werden, meint Steeger. Für sie ist es elementar, Verantwortlichkeiten herauszuarbeiten – sagen, was ist. Wie eben bei der Recherche zur „Ökogas-Lüge“. Einen anderen Beruf könne sie sich heute nicht mehr vorstellen.

„Am meisten interessiert mich die Schnittstelle zwischen Klima und Wirtschaft“, sagt Gesa Steeger. Sie glaubt, dass die Wirtschaft – wie auch die Gesellschaft – aufgrund des Klimawandels vor einer großen Transformation steht. Die Klimakrise versteht sie dabei nicht als ein Thema, sondern als Dimension. Auf viele Lebensbereiche wirke sich die Erderwärmung aus. Viele Menschen seien von der komplizierten Thematik überfordert. Umso wichtiger sei es deshalb aufzuklären, damit sich die Menschen der Folgen des Klimawandels bewusst werden.

Die „Klimakrise“ bewegt Gesa Steeger auch persönlich. „Ich mache mir Sorgen, wie die Welt Ende des Jahrhunderts aussieht“, sagt sie. Besonders die Häufigkeit von Extremwetterereignissen oder die Sicherheit der Lebensmittelversorgung treiben sie um. „Ich befürchte, es wird Regionen geben, in denen Menschen dann nicht mehr leben können.“

Sie selbst versuche daher, klimafreundlich zu leben­­, verzichtet aber nicht darauf, ihre Verwandtschaft im Ausland zu besuchen, wenn Reisen mit der Bahn aufgrund der hohen Preise alternativlos sind. „Den Klimaschutz habe ich aber immer im Hinterkopf“, sagt Steeger. Statt Auto fährt die 40-Jährige mit dem Fahrrad oder nutzt öffentliche Verkehrsmittel.

Dass Aufklärung im Lokaljournalismus manchmal zu kurz kommt, weiß Steeger. „Die Klimakrise, die uns als Dauerthema begleitet, gerät medial manchmal in den Hintergrund“. Andere Themen wie der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der Israel-Gaza-Konflikt oder die Debatte über den Bundeshaushalt stehen in Konkurrenz zur Klimakrise. Deswegen hält sie gemeinnützige und unabhängige Redaktionen wie Correctiv mit einer eigenen Klimaredaktion für wichtig. Diese Fokussierung helfe, Klimathemen im Bewusstsein der Rezipierenden zu halten – auch auf lokaler Ebene.

Auf der Netzwerk Recherche Jahreskonferenz spricht Gesa Steeger über ihre Recherche zur „Ökogas-Lüge“. Sie ist eine von zwei Speaker*innen in der Session „Grüne Märchen. Wie wir das Greenwashing von Unternehmen entlarven“ am Freitag, dem 19. Juli um 12 Uhr. Gemeinsam mit Felix Rohrbeck nimmt sie die Versprechen von Unternehmen in den Blick, klima- und umweltfreundliche Produkte anzubieten. Annika Joeres moderiert die Session.

von Julien März (TU Dortmund)