Vier Fragen an… Miguel Paz

Miguel Paz (Foto: Raphael Hünerfauth)

1. Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Datenjournalisten in Deutschland?
Journalisten weltweit und eben auch in Deutschland müssen verstehen, dass Datenjournalismus ein Teil davon ist, wie Journalismus heute funktioniert. Eigentlich ist es nur eine Methodologie, ein Werkzeug, das wir zwar Datenjournalismus nennen, sich aber auf alle verschiedenen journalistischen Sparten anwenden lässt. Sei es im Sportjournalismus oder im Gesundheitsjournalismus. Irgendwann, wird man gar nicht mehr über „den“ Datenjournalismus sprechen, sondern über die Werkzeuge, die er dem Journalisten zur Verfügung stellt. Wir sprechen ja auch nicht vom „Telefonjournalismus“. Einfach, weil es ganz normal ist, ein Telefon zu verwenden. Dahin auch mit dem zu kommen, was wir heute Datenjournalismus nennen, sollte das Ziel sein. Denn Datenjournalismus führt zu einem besseren Journalismus – das sollten die Redaktionen verstehen und vorleben. Außerdem sind die Zeiten des Journalisten als einsamem Wolf ohnehin vorbei – so unromantisch das klingen mag. Wir müssen uns zu Teamplayern entwickeln. Und wenn wir vor einem Berg an Daten sitzen, dann muss einer im Team sein, der sie entschlüsseln kann.
2. Wie sollte man Datenjournalismus in Deutschland fördern?
Das wichtigste ist, niemanden abzuschrecken. Und das würde schnell passieren, wenn man hingeht und sagt: „Hey, du musst jetzt programmieren.“ Journalisten, die aus den Geisteswissenschaften kommen und Schwierigkeiten mit Mathematik haben, kommen mit solchen Aussagen schwer zurecht. Aber nehmen wir mal an, jemand sitzt vor einem gewaltigen Berg an Daten und muss Informationen daraus ziehen, dann hilft es, wenn man sagt: „Pass auf, ich kann dir eine Formel zeigen, mit der sparst du bei deiner Suche fünf Stunden. Fünf Stunden, die du einsetzen kannst, um anderweitig zu recherchieren.“ Oder man bringt jemandem ein kleines bisschen bei und dann noch ein kleines bisschen, sodass dieser jemand nicht mehr so abhängig von Experten ist. Was ich damit sagen will: Es kommt darauf an, stückweise vorzugehen und dabei daran zu denken, was ein Journalist tatsächlich für
seine Arbeit braucht. Darauf kommt es an – und nicht darauf, was ihm ein Profi-Programmierer gerne beibringen würde. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Journalisten, die sich überhaupt nicht mit Daten auseinander setzen wollen oder können. Dann ist es sinnvoll, in Teams zusammen zu arbeiten, in denen jeder seinen Teil zu einer gelungenen Geschichte beiträgt.

3. Wo könnten Datenjournalisten mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten?
Direkt bei der Erstellung eines Artikels. Soziologen kennen sich beispielsweise gut mit Umfragen, Statistik und anderen Analyseformen aus. Eigentlich passt jeder Wissenschaftler, der so etwas kann, gut in eine Redaktion. Wobei Soziologen natürlich noch einen Vorteil haben: Sie können uns verstehen helfen, was eigentlich das Interesse der Rezipienten ist. Und dann sind da natürlich die Programmierer. Wobei es bei denen eigentlich gar nicht so sehr darauf ankommt, welche Programmiersprachen sie können oder ob sie tatsächlich studiert haben. Ein Programmierer ist ein kreativer Problemlöser. Er erkennt ein Problem und findet einen effektiven Weg, es zu lösen.

4. Gibt es Grenzen für Datenjournalismus – gerade im Hinblick auf die Datenschutzdebatte?
Eigentlich mag es nicht, über Grenzen oder Limits im Journalismus zu sprechen. Natürlich sollte man die Privatsphäre von Menschen respektieren. Aber womöglich macht es auch keinen Sinn zu fragen, was die Grenzen von Datenjournalismus sind. Denn der ist ja nur ein Werkzeug. Die bessere Frage wäre nach den Limits, die Journalisten haben, wenn sie diese Werkzeuge anwenden. Und die sind dieselben wie sonst auch: Man muss nach den gleichen Qualitätsstandards arbeiten und seine Fakten immer überprüfen. Über Grenzen zu reden ist da müßig. Wir sollten uns eher darauf konzentrieren, die Technologie zu verstehen, mit der wir arbeiten. Denn von der hängen wir heute zu hundert Prozent ab.