Laudatio zur Verleihung der Verschlossenen Auster 2009
Austerpreisträger: Bundesverband deutscher Banken
Laudator: Prof. Dr. Rudolf Hickel, Direktor des „Instituts Arbeit und Wirtschaft“ (IAW) an der Universität Bremen
1. Als Ökonom beginne ich mit einer Produktbeschreibung der verschlossenen Auster:
Die verschlossene Auster ist:
- kein toxisches, also vergiftetes Produkt;
- kein Bad- Produkt, vergleichbar einer Bad-Bank;
- kein Derivat, also keine ursprüngliche Forderung, die mehrfach zu einem Wertpapier ohne Wert verpackt worden ist, um es zu verhökern;
- auch kein Zertifikat, das einer Wette im Glückspiel gleicht.
Die verschlossen Auster zielt abgesehen vom geringen Materialwert vielmehr auf die Bewertung eines Dienstleistungsprodukts, allerdings ist das ein Bad-Good.
Im Mittelpunkt steht der Einsatz von Produktionsfaktoren zur Erzeugung der Dienstleistung „Informationsblockierung“, ja der gezielten Fehlinformation, der selektiven Informierung denkfauler, möglicherweise aber auch gefügiger Journalistinnen und Journalisten
2.
Der Kritik-Preis des Netzwerks Recherche, die verschlossene Auster, wird in diesem Jahr an den Bundsverband deutscher Banken (BdB) verliehen.
Die Jury verdient für die Auswahl des in diesem Jahr Preisgekrönten ein uneingeschränktes Kompliment.
Der Bundesverband deutscher Banken hat sich diesen Preis wahrhaft erarbeitet.
Gemessen an dem Kriterium der Jury, Honorierung für „Informationsblockierung“, hat der Bundesverband deutscher Banken die Ansprüche sogar übererfüllt. Denn nicht nur Informationsblockierung, sondern Fehlinformierung, Halbwahrheiten, lobbyistische Rechtfertigungen kennzeichnen die Öffentlichkeitsarbeit dieses Verbandes.
Dass der BdB diesen Preis auch ernst nimmt, wird dadurch sichtbar, dass Herr Prof. Dr. Axel Weber die verschlossene Auster persönlich entgegennehmen wird. Er ist:
„der Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstandes Bank- und finanzmarktpolitische Grundsatzfragen, Wirtschafts- und Währungspolitik, internationale Beziehungen, Öffentlichkeitsarbeit, Parlament.“
Herr Prof. Dr. Weber wird sicherlich die Chance nutzen, sich auf seine Weise für diesen Preis zu bedanken.
3.
Bevor die großen Leistungen bei der Informationsblockierung und auch der Verbreitung von Fehlinformationen laudiert werden, lohnt sich der Blick auf diesen Verband der Banken. Es handelt sich um den Zusammenschluss von großteils mächtigen Privatbanken.
Dabei sind:
- Großbanken wie die Deutsche Bank und teilverstaatlichte Commerzbank;
- Regionalbanken wie die vollverstaatlichte Hypo Real Estate, die BMW-Bank, auch die Hypotheken- Karstadt Bank AG; Privatbankiers wie die feine Adresse B. Metzler Institute mit Sonderaufgaben wie die IKB Auslandsbanken, wie die City Group und Lehman Brothers Bankhaus AG
Der Sprecher des Vorstands, Klaus- Peter Müller, der Verantwortung für die Commerzbank trägt, ist vor einiger Zeit abgelöst worden durch: Andreas Schmitz.
Zum Vorstand gehören auch Dr. Josef Ackermann, der den Preis für unerschütterliche Profitarroganz – selbst in derFinanzmarktkrise – verdient; sowie Martin Blessing von der teilverstaatlichen Commerzbank – Neu, der den Titel „Mit Ehrlichkeit zu einem Neuanfang“ verliehen bekommt.
4.
Wie prädestiniert der BdB für diesen Preis ist, ergibt sich aus der Beschreibung seiner informationellen Aufgaben:
- Die Informierung richtet sich nach Innen. Unterrichtet werden die Verbandsmitglieder über „aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklung“. Übrigens ist nicht bekannt und deshalb wohl auch nicht anzunehmen, dass dieser Verband seine Mitglieder über die Krisen des Bankensystems und die Ursachen sowie den Vertrauensverlust ehrlich informiert hat.
Warum macht sich der Bankenverband das Motto zu Eigen: Banker dürfen nur die Geschäfte betreiben, die sie verstehen und verantworten können. - Nach Außen steht die Einflussnahme im Vordergrund: „ ….Ansprechpartner für Parlament, Ministerien und Behörden in allen kreditwirtschaftlichen Fragestellungen zu sein ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der Verbandsarbeit. Politiker und Beamte greifen für die sachgerechte Beurteilung kreditwirtschaftlicher Fragen regelmäßig auf das Expertenwissen des Bankenverbandes zurück.“
Hier geht um Lobbyarbeit im Gesetzgebungsverfahren. Dazu gehört massiver Lobbyeinfluss auf die Deregulierung der Finanzmärkte, die zu einer schweren und folgenreichen Krise des Bankensystems geführt hat.
Zuletzt habe ich persönlich den BdB bei der Anhörung beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags erleben dürfen: Harte Lobbyarbeit gegen die Austrocknung von Steueroasen.
Die Informationspolitik wird maßgeblich durch diese Lobbyinteressen bestimmt. - Schließlich steht die Informierung der Medien, wie überhaupt der Öffentlichkeit auf der Agenda.
Der Schlüsselsatz lautet:
„Die Information der Öffentlichkeit über die Aufgaben und Tätigkeiten der privaten Banken bildet einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit des Bankenverbandes. Es gilt, Informationslücken zu schließen, Missverständnisse auszuräumen und den vertrauensvollen Umgang miteinander zu fördern. Gerade die Banken mit ihren hochspezialisierten Finanzdienstleistungen sind von Fehleinschätzungen besonders betroffen.
Der Bankenverband ist Ansprechpartner in allen bankspezifischen Fragen.“
Jenseits von Selbstkritik werden damit selbst produzierte Fehler zu Missverständnissen, mangelnde Befähigung zur Einsicht bei den Betroffenen, den Dritten gestempelt. Es geht also um informationelle Rechtfertigung, ja auch Propaganda wider die selbst erzeugten Fehlentwicklungen.
Übrigens, diese Verbandspolitik zur kritiklosen Rechtfertigung der wohlstandsstiftenden Privatbanken steht im Widerspruch zu der quasistaatlichen, hoheitlichen Funktion: der Einlagensicherungsfonds, den der damalige Bundeskanzler, Helmut Schmidt nach der Herstatt- Pleite 1974 durchgesetzt hatte.
Der BdB muss sich dem Widerspruch stellen: Soweit seine Mitglieder mit hochriskanten, abenteuerlichen Risikogeschäften das gesamte Bankensystem in die Krise stürzen, droht am Ende der Zugriff auf den staatlich erzwungen Einlagensicherungsfonds. Die Informationspolitik des BdB unter dem Regime der Finanzmarktkrise zeigt:
Der BdB verdient den Preis für Informationsblockierung und –vermeidung uneingeschränkt.
Dazu auch noch einige Beispiele:
4.1.
Die Deutung der Entstehung sowie der Ursachen dieser Finanzmarktkrise, die nicht mit der Weltwirtschaftskrise zu vergleichen ist, lenkt von den wahren Fehlleistungen auch der deutschen Privatgroßbanken ab.
Ursachen und Auslöser werden auf der Homepage kontrafaktisch auf Fehlentwicklungen in den USA und dort am Ende auf die expansive Geldpolitik der Notenbank sowie auf den politisch gewollten Zusammenbruch von Lehman Brothers am 15. 9 2008 zurückgeführt.
Diese Interpretation lenkt ab von den Alchimisten in den deutschen Banken, die glaubten, wenn ich einen Stein mit der Farbe Gold anmale, dann sei das echtes Gold.
Diese Finanzmarktkrise ist jedoch das Ergebnis einer langfristig angelegten Politik der Deregulierung der Finanzmärkte. Auslöser in Großbritannien war der „Bigbang“ im Oktober 1986, mit dem Regulierungen am Finanzplatz London aufgehoben worden sind.
In Deutschland sind unter dem massiven Druck dieses Bankenverbandes seit 2002 Deregulierungen durchgepeitscht worden (Handel mit Derivaten, Öffnung des Verbriefungsmarktes, Zulassen von Hedgefonds). Die Informationspolitik dient den Lobbyzielen.
4.2.
Die Banken haben unter Vernachlässigung eines seriösen Geschäftsmodells kurzfristig hoch rentierliche, jedoch riskante Finanzmarktprodukte kreiert. Teilhabe am Kasinokapitalismus, nicht die Unterstützung der ökonomischen Wertschöpfung stand im Vordergrund.
Wo bleibt die Kritik des BdB an dem noch durch hohe Bonuszahlungen beschleunigten Verkauf etwa von Zertifikaten, die etwa einer Rentnerin ausgeschwatzt worden sind?
4. 3.
Der BdB hat die Finanzkrise dazu missbraucht, die Schuld in Deutschland den staatlich verantworteten Landesbanken zuzuweisen. Sicherlich, die Geschäfte einiger Landesbanken, die über Zweckgesellschaften betrieben wurden, sind ein Skandal.
Aber diese Kritik darf nicht von schweren Fehlern der Privatbanken ablenken. Hier wird eine Marktbereinigungspolitik betrieben. Schließlich haben die Sparkassen und Genossenschaftsbanken solche Geschäfte nicht betrieben.
4.4.
Privatbanken haben ihre eigenen Kunden über die Risiken vieler Anlageinstrumente unzureichend, ja auch falsch informiert. Dafür müssten die Verbraucherzentralen den Preis der „faulen Tomaten“ an den BdB vergeben.
Immerhin gesteht der BdB mit den kürzlich vorgelegten „Leitlinien zur Stärkung des Anlagervertrauens im Retailgeschäft“ diese Fehlberatung ein.
Da heißt es beispielsweise: „Zentrale Vorgaben zur Organisation des Kundengeschäfts richten sich an den Bedürfnissen der Kunden aus“.
Im Umkehrschluss heißt das, dass bisher der bonigetriebene Verkauf von Anlageprodukten an den Kundeninteressen vorbei betrieben worden ist.
Also nicht die Gier der Kunden, sondern der Anlageberater bestimmt das Geschäft.
4.5.
Die Banken, die wegen ihrer toxischen Produkte auf der Aktivseite nur noch restriktiv Kredite vergeben, belasten viele kleine und mittlere Unternehmen. Bis heute gibt es keine klare Stellungnahme zu der durch die Bankenkrise ausgelösten Kreditklemme gegenüber den kleinen und mittleren Unternehmen.
4.6.
Die Banken haben die Krise, nach dem sie lange Zeit profitiert haben, verursacht. Erforderlich ist endlich dreierlei:
- eine unmissverständlich Selbstkritik und ein Schuldeingeständnis;
- die Übernahme der Verantwortung für diese Katastrophe, die jetzt die Realwirtschaft belastet;
- vor allem aber ein klares Bekenntnis zur Aufstellung von Spielregeln mit dem Ziel, die Gier zu ersticken. Das Foul darf nicht die Spielregel bleiben.
Gebraucht werden „stinklangweilige Banken“ (Paul Krugman) mit dienender Funktion.
Wann und wo hat der BdB erklärt, dass etwa Leerkäufe zu verbieten sind und der Handel mit Forderungen an eine ausreichende Eigenkapitaldeckung zu binden ist?
Dieser Kritik-Preis richtet sich aber auch an die Journalistinnen und Journalisten, die sich mit welchen Motiven auch immer als gefügige Sprachrohre der Banken sowie des BdB haben missbrauchen lassen.
Ich wünsche mir, dass der SPIEGEL, der jahrelang die Globalisierung der Finanzmärkte arrogant gefordert hat, auch einmal seine schweren Irrtümer eingesteht.
Der Bundesverband deutscher Banken hat eine Chance, den Kritik-Preis, die verschlossene Auster aberkennt zu bekommen. Er muss – selbst einen verbindlichten Kodex der Banken für ein nachhaltiges Wirtschaften vorlegen und auf dessen Realisierung seine Informationspolitik ausrichten.