„Wo die Welt nicht hin­schaut“ – eine Quer­ein­stei­gerin filmt in Afrika

ver­öf­fent­licht von Gast­bei­trag | 8. August 2016 | Lese­zeit ca. 4 Min.

Von Katja Engel, Stu­dentin der TU-​Dort­mund

Der Sand knirscht zwi­schen den Zähnen, wenn der Wind weht. Der Wind bringt aber nicht nur ein­fach Sand­körner, er trägt radio­aktiv belas­teten Abraum­staub von einer Uran­halde in Süd­afrika zu den Men­schen, die ganz nahe an der Halde leben. Katja Becker, Fil­me­ma­cherin, reist in dieser Geschichte über den Uran­abbau vom nie­der­säch­si­schen Wend­land, wo der Atom­ab­fall begraben werden könnte, bis nach Süd­afrika, wo gerade eine Renais­sance der Atom­kraft beginnt. Seit sieben Jahren berichtet Katja Becker regel­mäßig über afri­ka­ni­sche Länder, in denen sie inzwi­schen ein gut funk­tio­nie­rendes Netz­werk auf­ge­baut hat. Ursprüng­lich ist Katja Becker gelernte Kran­ken­schwester mit tro­pi­scher Zusatz­aus­bil­dung und einem Stu­dium in Pro­jekt­ma­nage­ment. Selbst­or­ga­ni­siert arbei­tete sie 2005 für sieben Monate in einem Kin­der­kran­ken­haus in Nigeria.

Von Kran­ken­schwester zu Fil­me­ma­cherin

Katja Becker im Interview. (Foto: www.ujuzi.de)

Katja Becker im Inter­view. (Foto: www.ujuzi.de)

Damit begann ihre Lei­den­schaft für den Kon­ti­nent Afrika. Hier sieht sie die Themen, die in der west­li­chen Welt kaum beachtet werden, von den Folgen des Palmöl­ab­baus bis zur länd­li­chen Was­ser­ver­sor­gung. „Das sollte die Welt erfahren, was dort pas­siert. Dort, wo die Welt nicht hin­guckt.“ Das ist ihre Moti­va­tion als Jour­na­listin und Fil­me­ma­cherin zu arbeiten. Sie reist in Länder wie Kenia und Tan­sania, Länder, denen der Verein Reporter ohne Grenzen erkenn­bare Pro­bleme mit der Pres­se­frei­heit beschei­nigt. Ihr ist es „wichtig zu zeigen, dass das, was die Regie­rungen in diesen Län­dern ver­spre­chen, nicht die ganze Seite zeigt. Wir wollen einen Teil dazu bei­tragen auch die andere Seite zu zeigen.“ Das neue Denken in Afrika beginnt gerade, das Ein­for­dern von Bür­ger­rechten, Demons­tra­tionen, auf denen Afri­kaner laut­stark und mit Musik auf­be­gehren. Die Filme von Katja Becker doku­men­tieren dies nicht nur, sie ergänzen das jour­na­lis­ti­sche Angebot vor Ort.

Recher­chieren in Afrika

2nd Nuclear Industry Congress Africa 2015 (Foto: www.ujuzi.de)

2nd Nuclear Industry Con­gress Africa 2015 (Foto: www.ujuzi.de)

So wie eben „Legacy War­nings“, ein Film über die radio­ak­tiven und che­mi­schen Hin­ter­las­sen­schaften des Uran­ab­baus in Süd­afrika und Tan­sania. Der Film läuft in Deutsch­land auf Ver­an­stal­tungen und Fes­ti­vals, aber auch im süd­afri­ka­ni­schen Fern­sehen. „Legacy War­nings“ haben Katja Becker, Jona­than Happ und Jean Jac­ques Schwenz­feier gemeinsam geplant, gedreht und geschnitten. Doch die Recher­chen dazu waren nicht ein­fach. Zu Regie­rungs­spre­chern bekamen sie keinen Zugang, medi­zi­ni­sche Stu­dien zu ihren Themen gibt es so gut wie nicht. Also nutzten sie eine Viel­zahl anderer Quellen: betrof­fene Men­schen, NGO’s, ört­liche Umwelt­or­ga­ni­sa­tionen, Schul­leiter, tra­di­tio­nelle Heiler, Umwelt­ak­ti­visten, Arbeiter, Wis­sen­schaftler, Manager der GTZ (deut­sche Gesell­schaft für tech­ni­sche Zusam­men­ar­beit) und Archiv­ma­te­rial. Und die Gegen­seite? Die Aus­sagen einer Ener­gie­mi­nis­terin und von Prä­si­denten über­nehmen sie aus tages­ak­tu­ellen Nach­rich­ten­sen­dungen.

Luftbild Abraumhalde (Foto: www.ujuzi.de)

Luft­bild Abraum­halde (Foto: www.ujuzi.de)

Außerdem treffen sie die Anbieter von Atom­tech­no­logie und Orga­ni­sa­tionen wie die Dekra auf zahl­rei­chen Indus­trie­messen in den afri­ka­ni­schen Län­dern. Sie waren über­rascht, als sie zu den in Tan­sania und Süd­afrika statt­fin­denden Kon­fe­renzen zu Atom­energie ganz offi­ziell akkre­di­tiert wurden. Denn als kri­ti­sche Reporter in Afrika sind sie bekannt. Sie bleiben die ein­zigen Jour­na­listen über­haupt, die dort erscheinen. Hier guckt die Welt anschei­nend tat­säch­lich nicht hin.
„Legacy War­nings“ zeigt aber auch die Schwie­rig­keiten einer Repor­tage in Län­dern mit begrenzter Pres­se­frei­heit. Am Ende“, sagt sie, „können wir keine ganz klare Ant­wort darauf geben, ob die Men­schen auf­grund der Radio­ak­ti­vität krank geworden sind.“ Der Film zeigt aber die ver­wüs­teten Land­schaften nach dem Abbau, die wirt­schaft­liche Zer­stö­rung nach einem zeit­lich begrenzten Auf­schwung und die Men­schen, die so viele unbe­ant­wor­tete Fragen zu ihren Krank­heiten haben.

Wie finan­ziert man das?

Kinder in Tudor Shaft in der Nähe einer Halde. (Foto: www.ujuzi.de)

Kinder in Tudor Shaft in der Nähe einer Halde. (Foto: www.ujuzi.de)

Katja Becker bedauert trotz all der Mühen nur eines: „die geringen eigenen finan­zi­ellen Mittel und nur zeit­lich begrenzte Res­sourcen nutzen zu können.“ Der Film über den Uran­abbau wurde von Olin mit einem Sti­pen­dium unter­stützt und hat eine pro­fes­sio­nelle Post­pro­duk­tion mit Musik, Spre­cherin und Ton­mi­schung ermög­licht. Netz­werk­re­cherche hat mit dem Mentor Egmont Koch, der selber Fil­me­ma­cher ist, bera­tend zur Seite gestanden
Aber die nächsten Recher­chen stehen für Katja Becker schon fest: Die Was­ser­ver­sor­gung in Kenia für länd­liche Bauern. „Wir suchen halt Themen aus, die uns unter den Nägeln brennen. Das machen wir dann.“ Da halten sie die finan­zi­ellen geringen Mittel nicht ab.

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