Vier Fragen an… Nicola Kuhrt, Redakteurin SpiegelOnline

1. Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Datenjournalisten in Deutschland?
Datenjournalismus ist für viele Redaktionen noch neu. Und selbst die, die ihn unterstützen, haben noch keine oder wenig Strukturen, um diese Projekte zu realisieren, ohne dass die Beteiligten sich stark engagieren müssten und auch Grenzen überschreiten.

2. Wo können Datenjournalisten mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten?
Ich kann nur für die Medizin sprechen, aber generell gilt: Überall da, wo Wissenschaftler Daten verwalten und nutzen. Ein Beispiel ist unsere Zusammenarbeit mit Professor Jonas Schreyögg vom Center for Health Economics in Hamburg. Mit ihm haben wir schon Wartezeiten und die Wirkung von Fallpauschalen analysiert. Derzeit versuchen wir mit ihm zusammen, die Patientendaten aller Krankenkassen in Deutschland nutzen zu können. Oder beim OperationExplorer von Volker Stollorz und seinem Kollegen vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien – hier sind Mediziner und Statistiker wichtig, um die entsprechenden Codes zu detektieren. Interessant wäre auch eine Auswertung von Erdbebenstatistiken oder Großwetterereignissen. Oder die internationalen Samen-Datenbanken – da braucht man einen Biologen.

3. Wie sollte man den Datenjournalismus in Deutschland fördern?

Es ist durchaus eine politische Frage – wenn man etwa die Auswertungen der OpenKnoweledge Foundation bedenkt – wie wenig Daten die deutsche Regierung und die Ministerien transparent machen, und welchen Kampf es oft bedeutet, Daten zu erhalten der wundert sich nicht, dass Deutschland hier hinter vielen Ländern zurückfällt. Alles eine Frage der Haltung! Das wirkt sich auch auf die Wissenschaft aus.

4. Wo sind die Grenzen des Datenjournalismus vor dem Hintergrund jüngster Datenschutzdebatten?
Ich möchte das mit dem Verweis auf die aktuelle Debatte um die Freigabe der Daten aus klinischen Studien bei der Europäischen Arzneimittelbehörde beantworten: Bisher sind Arzneimittelhersteller nicht verpflichtet, die Daten aller Tests eines neuen Medikaments zu veröffentlichen oder der europäischen Zulassungsbehörde EMA vorzulegen. Eine neue Regelung soll Vertrauen schaffen und Wissenschaftlern ermöglichen, mit den Daten zu forschen. Es gibt unzählige Widersprüche, die Konzerne haben bereits geklagt – dabei geht es NICHT um sensible Daten, die der Konkurrenz ermöglichen würden, wichtige Medikamente nachzubauen. Mit anonymisierten Patientendaten könnten Zusammenhänge und Verläufe und Krankheiten besser erforscht werden! Also: Grenzen sind gut – leider wird mit Verweis auf den Datenschutz gern übertrieben beziehungsweise wird dieser genutzt, um wichtige Transparenz aus Eigeninteresse Dritter zu verhindern.