Netzwerk Recherche veröffentlicht Dossier zur Lage der Auslandsberichterstattung

Wiesbaden. Die Auslandsberichterstattung in Deutschland weist erhebliche Defizite auf. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Kommunikationswissenschaftlers Lutz Mükke, die in der Publikationsreihe „nr-Dossier“ erscheint. An etlichen Beispielen aus der Medienpraxis werden die Mängel aufgezeigt – an der Steuerung der Kriegsberichterstattung durch PR-Profis, am Umgang von Nachrichtenagenturen mit Ortsmarken oder am „virtuellen Journalismus“ im Hörfunk. In dem Dossier kommen auf rund 25 Seiten zahlreiche Korrespondenten, Reporter sowie Auslandsressortleiter deutscher Leitmedien zu Wort.

Das Dossier skizziert die rasanten Veränderungstendenzen im Auslandsjournalismus: Neue geopolitische Konstellationen führen demnach zur Hinwendung zu neuen Mega-Themen wie Globalisierung oder Terrorismus. Technische Innovationen sorgen zudem für eine sagenhafte Beschleunigung von Produktionsprozessen und zu einer stärkeren Orientierung am Mainstream, die den Qualitätsjournalismus aus der Bahn zu werfen drohen. Korrespondentennetze sind an manchen Stellen löchriger, an anderen Stellen engmaschiger geworden und bilden vor allem nationalstaatliche Interessen ab.

Zwei Tendenzen lassen die Auslandsberichterstattung in Deutschland an Bedeutung verlieren: Erstens eine stärkere Selbstbezüglichkeit, die sich unter anderem im Bedeutungsgewinn von Inlandsberichterstattung und in Regionalisierungs- und Lokalisierungstendenzen besonders bei Regionalmedien ausdrückt. Zweitens nimmt der Deutschlandbezug innerhalb der Auslandsberichterstattung zu. Zahlreiche Auslandsjournalisten beklagen die zunehmende Brennpunktberichterstattung, die Boulevardisierung des Auslandsjournalismus und den Spagat zwischen der gesellschaftlichen Aufgabe und einer stärker werdenden kommerziellen Ausrichtung an Quote und Auflage.

Der Autor des Dossiers resümiert: „Abgesehen von wenigen prominenten Wortmeldungen verhallt die Kritik am deutschen Auslandsjournalismus in der Regel. Das mag auch daran liegen, dass der Organisationsgrad von Auslandsjournalisten gering ist. Die veränderte geopolitische Großwetterlage und die neue Position Deutschlands nach dem Ende des Kalten Krieges machen eine Debatte über Auslandsjournalismus jedoch dringend notwendig.“ Der Journalismus müsse die außenpolitischen Veränderungen kritisch und kompetent begleiten. „Medienunternehmen sollten sowohl Ressourcen als auch Know-how bereitstellen und Machtkontrolle in Form von Hintergrund- und Recherchejournalismus im Ausland stärker fördern“, sagt Lutz Mükke, der als Kommunikationswissenschaftler an der Universität Leipzig arbeitet. In zwölf Thesen und Empfehlungen fasst er seine Ergebnisse zusammen.

Zum Dossier „Was wissen wir noch vom Weltgeschehen?“.

Die Publikationsreihe „nr-Dossier“ hat das Ziel, journalistische und medienpolitische Fragen vertieft zu behandeln und stichhaltige Argumente zu liefern. Sie ergänzt die regelmäßigen Veröffentlichungen von Netzwerk Recherche e.V. – die „Werkstatt“-Broschüren, die nr-Studien und die Publikationsreihe im LITVerlag (Münster) mit relevanten Dissertationen und Diplomarbeiten.