Bündnis fordert Transparenzgesetz für Baden-Württemberg
Netzwerk Recherche unterstützt die Forderung von Mehr Demokratie e.V. und Transparency Deutschland für ein Transparenzgesetz in Baden-Württemberg:
Die Organisationen haben am 10. Februar 2021 einen Entwurf für ein Transparenzgesetz für Baden-Württemberg vorgestellt. Das Transparenzgesetz verpflichtet die Verwaltung, amtliche Informationen von öffentlichem Interesse aktiv auf einem Online-Transparenzportal zu veröffentlichen. Dazu gehören beispielsweise interne Gutachten und Studien genauso wie Liegenschaftspläne und Umweltmessungen zur Vorbereitung von Landtags- oder Gemeinderatsentscheidungen. Auch Verträge mit Dritten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben wie bei der Müllentsorgung fallen darunter sowie bisher geheime Verträge von Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung, wie etwa städtischen Wohnungsbaugesellschaften oder der EnBW.
Während das bestehende Informationsfreiheitsgesetz nur eine Informationsfreigabe auf Antrag vorsieht, geht das Transparenzgesetz einen entscheidenden Schritt weiter: Aus dem Informationsrecht der Bürger*innen wird eine Informationspflicht für die Verwaltung.
Bürgerbeteiligung und Vertrauen in die Demokratie stärken
Jürgen Louis, Leiter der Regionalgruppe Baden-Württemberg von Transparency Deutschland: „Mit einem modernen Transparenzgesetz möchten wir transparentes Verwaltungshandeln in Baden-Württemberg zur Regel machen und Amtsgeheimnisse zur Ausnahme. Wer über sein Verwaltungshandeln öffentlich Rechenschaft ablegen muss, ist weniger anfällig für unerlaubte Einflussnahmen Dritter. Transparenzgesetze sind daher ein wichtiger Baustein zur Korruptionsprävention und -bekämpfung in der öffentlichen Verwaltung, machen staatliches und kommunales Handeln besser nachvollziehbar und stärken das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie.“
Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin von Mehr Demokratie e.V.: “Die Basis jeder guten Bürgerbeteiligung ist der Zugang zu den vorliegenden Informationen. Nur so können konstruktive Vorschläge erarbeitet und rechtzeitig in die öffentliche Debatte eingebracht werden. Für eine Politik des Gehörtwerdens braucht es mehr als den 2015 verabschiedeten Minimalkonsens, der zu einem der bundesweit schwächsten Informationsfreiheitsgesetze geführt hat. Nach den Landtagswahlen am 14. März sollte zeitnah ein zeitgemäßes Transparenzgesetz in Baden-Württemberg eingeführt werden.“
Einrichtung eines Transparenzportals
Der Gesetzentwurf sieht eine automatische Veröffentlichung von relevanten amtlichen Informationen in maschinenlesbarer Form auf einem Online-Transparenzportal vor. Dieses soll innerhalb von zwei Jahren vom Land Baden-Württemberg eingerichtet und anschließend auch unterhalten werden. Informationen stehen dann in der Regel allen Bürger*innen kostenfrei und schnell zur Verfügung. Nur im Ausnahmefall soll noch eine Beantragung nötig sein, wobei Kosten erst ab einer Schwelle von 200 Euro erhoben werden dürfen.
Das Transparenzgesetz soll neben den Stellen des Landes, Gemeinden und Landkreisen auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts und Privatrechts gelten, sofern sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen. Personenbezogene Daten werden umfassend geschützt, es sei denn, das öffentliche Informationsinteresse überwiegt. Von der Informationspflicht ausgenommen sind ausschließlich der Landtag, die Gerichte und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in Bereichen, welchen ein besonderer Schutz zukommt.
Beispiel Hamburg: Modernisierungsschub für die Verwaltung
Das Transparenzportal Hamburg verzeichnet jeden Monat mehrere hunderttausend Seitenaufrufe, im Januar 2021 sogar 1,7 Millionen. „Die Bürger nutzen das Portal ganz selbstverständlich und ersparen sich und auch den Behördenmitarbeitern so viele Anrufe und Nachfragen“, bilanziert Manfred Redelfs von der Journalistenorganisation Netzwerk Recherche. Auch die Ämter selbst hätten es schätzen gelernt, dass Unterlagen anderer Dienststellen sofort zum Download bereitstehen. „Von diesem Modernisierungsschub können Verwaltungen anderer Bundesländer nur lernen“, so Manfred Redelfs. Netzwerk Recherche und Open Knowledge Foundation Deutschland unterstützen den Gesetzentwurf.
Bereits gestern wurde der Entwurf an den Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stephan Brink überreicht. Darüber hinaus haben die Kandidierenden aller bereits im Landtag vertretenen Parteien mit Ausnahme der AfD den Entwurf per Post erhalten, verbunden mit einer Umfrage zum Thema Transparenz. Die Ergebnisse sollen vor der Landtagswahl veröffentlicht werden, um transparent zu machen, von welchen Kandidierenden der Einsatz für mehr Transparenz in Politik und Verwaltung zu erwarten ist.