Als Sebastian Vollnhals auf der Jahrestagung des Netzwerk Recherche von „Klicki-Bunti-Seiten“spricht, deren maschinenlesbare Informationen sich mit eigens programmierter Software aus dem Internet fischen lässt, blickt er in die ratlosen Gesichter vieler Journalisten. Denn wenn Vollnhals von diesen Scraping-Programmen redet, dann redet er auch viel von Quellcodes und von Formaten wie html, csv, xml, json, rss und atom. Als Journalist komme man darum aber eben nicht herum – zumindest nicht, wenn man Daten für Geschichten sucht, die sonst keiner hat.

Ein bisschen „wonky“ sei es ja schon, so viel gesteht Sebastian Vollnhals den Journalisten noch zu. Trotzdem ist Programmieren für ihn etwas, das jeder einfach lernen kann – jeder, der es wirklich versucht. „Das ist alles eine Frage des Selbstbewusstseins“, sagt Vollnhals. Er habe sich alles, was er über Programmierung weiß, selbst beigebracht, mithilfe von Büchern. Kein Studium – nur eine abgebrochene Ausbildung zum Fachinformatiker.

Sebastian Vollnhals ist der Typ Mensch, den man anhand von Klischees schnell in die Kategorie Nerd oder Geek steckt. Das scheint er zu wissen und irgendwie scheint es ihm sogar zu gefallen. „Ich bin wohl in den Zaubertopf gefallen“, erklärt er sein schnelles Verständnis für Daten und Programmiertechniken. Doch was tun, wenn besagter Zaubertopf nicht auffindbar ist? Muss der normale Journalist dann tatsächlich mühsam programmieren lernen, um mit Daten zu arbeiten?

Marco Maas glaubt das nicht: „Journalisten sind Storyteller“, erklärt der Datenjournalist. Dinge wie das Scrapen lägen nicht in ihrem Aufgabenbereich. Nicht umsonst müssten Programmierer ihren Job in der Regel fünf bis sechs Jahre lernen, bevor sie wirklich gut seien– ebenso wie Journalisten. „Das zu vermengen ist gar nicht unbedingt sinnvoll oder gewinnbringend“, sagt Maas. Vollnhals ist da anderer Meinung: „Es sollte mittlerweile zum Handwerkszeug eines Journalisten gehören, zumindest ansatzweise programmieren zu lernen.“ Informationen könne man heutzutage nicht mehr in einem Aktenschrank finden, auch reiche es nicht mehr aus, irgendwelche Leute zu interviewen. „Es kommen immer mehr Informationen aus dem Netz“, sagt er.

Auf den ersten Blick sind die beiden Datenjournalisten ein ungleiches Paar: Vollnhals ist der Exzentriker mit blau lackierten Fingernägeln und pinken Haaren, Maas eher der etwas ruhigere Anzugträger. Trotzdem gehören die beiden zum Kernteam von Open Data City, einer Datenjournalismus-Agentur. Zwar kennt sich auch Marco Maas mit Daten aus und weiß, wie man sie beschafft und visualisiert. Für ihn gibt es aber eine Grenze von dem, was ein Journalist wirklich lernen muss. Er selbst würde sich Hilfe holen, wenn er nicht mehr weiter weiß – zum Beispiel bei Vollnhals. „Es gibt Experten auf jedem Gebiet, die dann zusammenkommen, um gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten“, sagt Maas. „Datenjournalismus wird immer mehr zur Teamarbeit.“

So oder so: Der Journalismus wird technischer, da sind sich die beiden einig. Vollnhals geht sogar noch einen Schritt weiter: „Es wird bald keinen Datenjournalismus mehr geben, weil es keinen Journalismus ohne Daten mehr geben wird“, sagt er. „Und wenn du selbst kein Nerd bist, such dir einen“, rät er denen, die sich so gar nicht damit anfreunden können. Finden kann man einen Nerd – das sollte ausreichend deutlich geworden sein– eben zum Beispiel bei Open Data City. Die Agentur hilft dabei, Technik-Freaks und Journalisten an einen Tisch zu bringen und so ganz neue Ideen umzusetzen.

Trotzdem sei es nicht verkehrt, sich mit manchen Dingen selbst auszukennen, findet auch Marco Maas: „Je mehr man selbst machen kann, desto besser kann man auch Geschichten umsetzen“, erklärt er. Dabei muss jeder selbst entscheiden, wie weit diese Eigenständigkeit gehen soll. „Ich glaube, es wird immer eine Teilung zwischen Hardcore-Codern und Journalisten geben, die ein bisschen verstehen, wie diese Leute ticken und vielleicht Einstiegssachen selbst machen können“, sagt Maas.Und dabei denkt er wohl auch an seinen Kollegen Vollnhals und sich selbst.