Der Trans­pa­renz-​Ver­fechter

ver­öf­fent­licht von Gast­bei­trag | 24. Januar 2016 | Lese­zeit ca. 3 Min.

Timo Grossenbacher ist Datenjournalist bei SRF Data. Foto: Franziska Senkel

Timo Grossen­ba­cher ist Daten­jour­na­list bei SRF Data. Foto: Fran­ziska Senkel

Von Ana­sta­siya Polu­b­otko

Timo Grossen­ba­cher glaubte schon früh zu wissen, was oft falsch läuft in den Medien. Und das noch bevor er selbst Jour­na­list wurde. Schon als Geo­grafie-​ und Infor­ma­tik­stu­dent kri­ti­sierte der Schweizer die Intrans­pa­renz medialer Bericht­erstat­tung. Und zwar nicht nur im Fern­sehen und Radio, son­dern auch in Print-​ und Online-​Medien, wo Jour­na­listen durch Ver­lin­kungen eigent­lich beson­ders ein­fach auf ihre Quellen hin­weisen können. Das Pro­blem sei ihm zwar medien-​ und res­sort­über­grei­fend auf­ge­fallen, sagt Grossen­ba­cher, doch im Wis­sen­schafts-​ und Daten­jour­na­lismus trete es beson­ders deut­lich hervor: Wenn von Stu­dien berichtet werde, ohne auf die Studie selbst direkt hin­zu­weisen. Oder, wenn Daten zwar hübsch auf einer Karte visua­li­siert würden, aber als Roh­daten selbst nicht zugäng­lich seien. Dann müsse der Leser darauf ver­trauen, dass der Jour­na­list seine Arbeit gut getan habe. Aber wo bleibt der Beweis?

Geschichten ans Licht bringen, Recher­chen nach­voll­ziehbar machen

Bevor Timo Grossen­ba­cher 2014 zum SRF-​Data-Team beim Schweizer Radio und Fern­sehen stieß, arbei­tete er als Ent­wickler beim Züri­cher Tages-​Anzeiger. Doch mit dem Wechsel war für ihn klar: Er muss dort auch jour­na­lis­tisch tätig werden. „Ich wollte Leute anrufen, ich wollte Inter­views führen und ich wollte Texte schreiben“, sagt er. Wieso? Weil er es besser machen wollte als die Kol­legen, deren Recher­chen nicht nach­voll­ziehbar seien. Und weil er das Gefühl hatte, mit seiner Arbeit etwas bewegen zu können. Indem er Geschichten ans Licht bringt, die nicht für die Öffent­lich­keit gedacht waren, jedoch umso mehr Rele­vanz für die Gesell­schaft haben.

Als Daten­jour­na­list hält der ehe­ma­lige Pro­gram­mierer nun Vor­träge zum Doku­men­ta­tions-​Defizit des (Daten-​)Jour­na­lismus Doch vor allem macht er vor, wie Trans­pa­renz in der jour­na­lis­ti­schen Praxis aus­sehen kann: Er und seine Kol­legen achten darauf, neben dem eigent­li­chen jour­na­lis­ti­schen Pro­jekt auch dessen Ent­ste­hungsweg, die Beschrei­bung der Daten und ver­wen­deten Methoden sowie den ver­wen­deten Pro­gramm­code, zugäng­lich und nach­voll­ziehbar zu machen. Die Infos stellen Grossen­ba­cher und sein Team auf der Plat­form Github online. Dort findet sich etwa zu einem Stück über heikle Rüs­tungs­ex­porte der Schweiz  eine genaue Beschrei­bung der Daten, ihrer Ver­ar­bei­tung in der Pro­gram­mier­sprache R und ihrer gra­fi­schen Auf­be­rei­tung.

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Mehr Infor­ma­tionen

Bei Pro­jekten, die auf der Basis von Daten ent­standen sind, sei die Trans­pa­renz beson­ders wichtig, sagt Timo Grossen­ba­cher. Denn gerade diese erweckten beson­ders leicht den fal­schen Ein­druck von Objek­ti­vität. Dafür reiche offenbar bereits die Tat­sache, dass sie „aus dem Com­puter kommen“. Tat­säch­lich erle­digten die Rechner zwar einen Teil der Arbeit, die Ent­schei­dungen, so Grossen­ba­cher, treffen aller­dings stets die Jour­na­listen dahinter: Sie machten Annahmen über die gesam­melten Daten, ana­ly­sierten diese, ließen Varia­blen weg. Sie wählten bewusst einen Weg der Dar­stel­lung, um auf Aspekte hin­zu­weisen, die sie als wichtig emp­fänden. In jedem Schritt der Pro­duk­tion gibt es neue Ent­schei­dungen. Nur wenn diese Ent­schei­dungen öffent­lich zugäng­lich gemacht würden, könne sich der Leser selbst davon über­zeugen, ob das Resultat plau­sibel sei – und die Autoren hin­ter­fragen und gege­be­nen­falls kor­ri­gieren.

Gerade wegen der „Pseudo-​Objek­ti­vität“ der Daten sei es im Daten­jour­na­lismus beson­ders wichtig, trans­pa­rent und repro­du­zierbar zu han­deln. Timo Grossen­ba­cher geht sogar noch weiter: Er ist der Mei­nung, dass ein Trend zu mehr Trans­pa­renz im Daten­jour­na­lismus sich auch auf den „klas­si­schen“ Jour­na­lismus sowie die Wis­sen­schaft selbst positiv aus­wirken kann. Aber dafür braucht es Zeit – und Men­schen, die sich dafür ein­setzen.

 

Dieser Bei­trag wurde am 31.01.2016 aktua­li­siert.

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