Vier Fragen an… Kristian Kersting, Informatik-Professor an der TU Dortmund

Kristian Kersting (Foto: Benjamin Richter)

1. Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Datenjournalisten in Deutschland?
Eine Herausforderung ist die Beschaffung der Daten. Das ist aber ein generelles Problem, das nicht nur in Deutschland auftritt. Technisch gesehen muss ein Datenjournalist auf zwei Hochzeiten tanzen: Er muss sowohl das journalistische Handwerk beherrschen als auch vor Daten und deren Analyse keine Angst haben. Das sind Themen, die Journalisten in einer Ausbildung nicht unbedingt lernen. Ich kann mir außerdem vorstellen, dass die Probleme der Datenbeschaffung nicht immer bekannt sind. Dafür, dass sowas schon mal dauern kann, könnten einige Redaktionsleiter zum Beispiel kein Verständnis haben.

2. Wo können Datenjournalisten mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten?
Ich glaube, dass man auf lange Sicht auf allen Gebieten zusammenarbeiten kann. Durch die voranschreitende Digitalisierung wird irgendwann jeder Journalist zwangsläufig mit Daten zu tun bekommen und gewisse Fragestellungen durch gute Recherche selbst beantworten können. Allerdings tauchen auch immer neue wissenschaftliche Fragen auf, für deren Beantwortung Wissenschaftler gefragt sind. Datenjournalisten sind ein Rädchen in der Maschine: Es geht nicht ohne sie, aber es wird immer jemand mitwirken müssen.

3. Wie sollte man den Datenjournalismus in Deutschland fördern?
Als Informatiker habe ich leider keinen Einblick in den redaktionellen Alltag. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass der Datenjournalismus momentan oft noch als Luxus angesehen wird. Redaktionen sind im Zwiespalt, schnellstmöglich gute Ergebnisse zu liefern – da überlegt man schon mal, ob sich die lange Recherche lohnt. Der Datenjournalismus muss sich erst beweisen, das benötigt Zeit. Es ist so wie bei den Informatikern, die immer noch oft als Programmierer gesehen werden, dabei sind sie viel mehr. Diese Stereotypen muss man überwinden. Dafür bedarf es zum Beispiel geldlicher Förderung. So wird der finanzielle Druck erstmal von den Redaktionen genommen und man kann sich von den positiven Ergebnissen des Datenjournalismus überzeugen. Außerdem sollten die Menschen besser informiert werden, auch schon in den Schulen. Die Diskussion, die zum Beispiel durch Snowden aufgekommen ist, muss unbedingt weitergetragen werden.

4. Wo sind die Grenzen des Datenjournalismus vor dem Hintergrund jüngster Datenschutzdebatten?

Jeder Mensch sollte das Recht haben, Privates privat zu halten – aber auch, Privates offen zu legen. Es muss differenziert werden, welche Informationen schützenswert sind. Ich persönlich möchte nicht in einer gläsernen Welt leben und für das Data Mining oder den Datenjournalismus meine Privatsphäre opfern. Aber das muss auch nicht sein.
Eine Forschungsfrage im Data Mining, meinem Forschungsgebiet, ist es , wie man die Privatsphäre schützen und trotzdem Daten erhalten kann. Momentan sind ja längst nicht alle frei verfügbar – hier beispielsweise stößt der Datenjournalismus an seine Grenzen.