Die Wissbegierige
Von Kira Schacht
Etwas mit Design wollte sie immer machen, aber auch mit Wissenschaft – und beides auch noch möglichst abwechslungsreich. Lena Groeger möchte die Eigenheiten des menschlichen Verstandes von allen Seiten her erforschen und studierte deswegen gleich Biologie, Philosophie und Wissenschaftsjournalismus in Providence und New York. Als sie sich im Studium zum ersten Mal mit Datenvisualisierung beschäftigt, ist sie begeistert: Hier kann sie alles anwenden, was sie fasziniert.
Ihre Neugier ist ihr Antrieb, damals wie heute. Nach dem Studium schreibt die US-Amerikanerin unter anderem für Wired und Scientific American. Inzwischen ist sie 29 Jahre alt und arbeitet beim News Application Team von ProPublica, dem größten Non-Profit-Recherchebüro der USA. Sie entwickelt Datengrafiken in den verschiedensten Formaten – und nutzt dabei all ihre Ressourcen.
Visualisierungen auf den menschlichen Verstand zuschneiden
Denn Datenvisualisierung, das erklärt sie den deutschen Journalisten beim Datenlabor, klappt noch viel besser, wenn man die Erkenntnisse der Wissenschaft über den menschlichen Verstand zu Rate zieht. Wohin schauen Menschen zuerst, wenn sie eine Grafik betrachten? Wie gestaltet man eine Visualisierung, damit sie im Kopf bleibt? Diese Aspekte müssen bei Lena Groegers Projekten immer bedacht werden.
“How to use science to make better #ddj projects”: Very interesting talk by @lenagroeger at #datenlabor15 pic.twitter.com/Nl73PhemFg
— Julius Tröger (@juliustroeger) 23. Oktober 2015
Wenn sie nicht gerade den harten, investigativen Geschichten auf der Spur ist, teilt sie ihre Überlegungen gern mit anderen: Sie schreibt auf ProPublica etwa über die Design-Prinzipien für Infografiken oder philosophiert über Auswirkungen, die kleinteilige Grafiken auf ihre Betrachter haben. „Seh- und Denkgewohnheiten nutzen“, das ist ihr Motto. Bekannte Muster kommen unserem Gehirn entgegen. Sie erleichtern den Einstieg in Geschichten und flößen dem Unterbewusstsein gleich Vertrauen ein.
In der konkreten Umsetzung lässt sich Lena Groeger gern von ihren Daten inspirieren. „Ich versuche, an jedem meiner Datensätze etwas Einzigartiges zu finden. Etwas, was man nur damit machen kann“, sagt sie. So entstehen Projekte wie die „Worker’s Compensation“-Grafik.
Das ProPublica-Projekt untersucht, wie unterschiedliche Gesetzeslagen der US-Bundesstaaten das Schmerzensgeld beeinflussen, das Arbeiter für verlorene Gliedmaßen erhalten. Die Umsetzung: Zeige dem Nutzer kleine Figürchen – je größer ein Körperteil, desto wertvoller ist es. Der menschliche Körper als vertraute Form erleichtert den Lesern das Verständnis und weckt einen emotionalen Zugang.
Neben ihrer Arbeit bei ProPublica lehrt Lena Groeger inzwischen auch Design an zwei New Yorker Universitäten. Wenn man den Besuch beim Datenlabor als Beispiel ihres Unterrichtsstils betrachten darf, dann haben es die Studierenden gut getroffen. Mit viel Humor und ansteckendem Enthusiasmus spricht sie über die alltäglichen Streiche, die unser Verstand uns spielt. Sie überzeugt ihr Publikum, weil sie selbst überzeugt ist.
status: propublica fanboy. @lenagroeger @ #datenlabor15 (livestream: https://t.co/mCXk8jLz8m)
— journa.host/@fin (@fin) October 23, 2015
Das News Application Team sammelt seine Beiträge auf dem „Nerd Blog“ der ProPublica-Website. Die Nerds unter den Journalisten, das seien die Leute, die sich freiwillig mit Wissenschaft auseinandersetzen, sich mit Zahlen und Technik herumschlagen, sagt Groeger. In der Community ist es ein liebevoller Kosename. Lena Groeger lässt sich gern so betiteln.
Ihre Freude an der Arbeit wirkt nie gespielt. Sie hat es geschafft, Wissenschaft, Journalismus und Design zu vereinen. Das Schönste ist für sie aber nach wie vor, jeden Tag etwas Neues lernen zu dürfen. Sie macht sich Sorgen, dass das abgedroschen klingt. Aus ihrem Munde tut es das nicht.