Journalistik-Studierende der TU Dortmund stellen ausgewählte Referent:innen der NR24 vor: Julia Friedrichs

Begonnen hat alles 2005. Julia Friedrichs war damals 25 Jahre alt und arbeitete nach ihrem Studium der Journalistik an der TU Dortmund als freie Mitarbeiterin für verschiedene Medien. Für eine Geschichte für Die Zeit fuhr sie Undercover zu einem Recruiting-Prozess von McKinsey & Company, einer weltweit agierenden Unternehmensberatung mit rund 45.000 Mitarbeiter*innen. Sie wollte herausfinden, wer diese Mächtigen sind, die große Unternehmen und die Politik beraten.

Friedrichs nahm dazu an einem Gruppenauswahlverfahren in Griechenland teil. Dort waren alle Teilnehmenden jung, von sich überzeugt, hungrig nach Erfolg. Die McKinsey-Berater versuchten, ihnen die Welt der Reichen schmackhaft zu machen. Neben Workshops und Vorträgen zu dem, was einen idealen Geschäftsführer und Manager ausmacht, wurden die Anwärter*innen mit Partys und Yacht-Ausflügen verwöhnt.

„Was ich vor allem gespürt habe, ist, wie mit dem Begriff Elite damals gearbeitet wurde“, sagt Friedrichs heute. „Es wurde uns gesagt, ihr könnt die Elite sein. Ihr könnt zu denen gehören, die Europa lenken und leiten.“ Was Friedrichs an dem Fall reizte, war die psychologische Komponente. „Was macht das gerade mit jungen Leuten? Wenn sie das gesagt bekommen, fühlen sie sich dann erhaben? Wie verhalten sie sich? Und ist das ein guter Weg, um später Entscheidungen über andere zu treffen, wenn man schon so früh mit diesem Gedanken groß wird?“

Diese Recherche war für Julia Friedrichs ein Schlüsselmoment, der sie dazu bewegte, sich verstärkt mit der Elite und den Superreichen auseinanderzusetzen. „Da bin ich zum ersten Mal mit einer Welt in Verbindung gekommen, in der sich Geld mit Macht koppelt“, sagt sie. Bei einem Vermögen von hunderten oder tausenden Millionen Euro geht es um Gestaltungsmacht, die dem Besitzer dient und anderen schadet. „Deshalb ist das ein Feld, was mich wirklich wahnsinnig interessiert“.

Ihre Recherchen hat sie in dem Buch „Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von morgen“ (erschienen 2008) verarbeitet. Es folgten weitere Sachbücher. „Wir Erben: Was Geld mit Menschen macht“ (2015) erforscht die Auswirkungen von Erbschaften auf Menschen und die Gesellschaft. In „Working Class: Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können“ (2021) geht es um die Lebensrealität der arbeitenden Bevölkerung, die trotz harter Arbeit oft nur schwer über die Runden kommt.

„Ich glaube, dass gerade Vermögen ein Punkt ist, der lange in Deutschland viel zu wenig beachtet wurde. Wenn wir über Arm und Reich sprechen, haben wir immer auf Einkommen geachtet, aber Vermögen sind in Deutschland viel, viel relevanter“, sagt Friedrichs. Deutschland ist, was Vermögen angeht, ein sehr ungleiches Land. Der Unterschied zwischen den sehr Reichen und dem Rest der Bevölkerung ist größer als in den meisten anderen Ländern. „Ich halte das für ein Problem, wenn sich auf Dauer sehr große Vermögen bei Wenigen ballen. Wir sollten darüber sprechen, welche Folgen das hat.“

Heute setzt sich die Autorin, Journalistin und Gründerin auch mit den sozialen Folgen des Klimawandels auseinander: Wenn die Superreichen so viele klimaschädliche Treibhausgase produzieren, wie die ärmsten zwei Drittel der Welt, was genau bedeutet der Klimawandel dann für die Bevölkerung? Ist die Diskussion, den CO2-Ausstoß über den Preis zu regeln, der richtige Weg? Führen Verzichtsforderungen von Langflügen nicht eher dazu, dass die Armen sich noch weniger leisten können, während die Reichen ihren Lebensstil fortsetzen, weil sie andere Möglichkeiten für sich finden? „Wenn wir nur eine endliche Summe an CO2 ausstoßen dürfen und die Erde nicht mehr verträgt, können wir dann erlauben, dass die Superreichen das Recht bekommen, so wahnsinnig viel auszustoßen, während wir verzichten?“ Diese Fragen treiben Julia Friedrichs an, deswegen denkt sie die sozialen Folgen bei all ihren Klima-Recherchen mit: „Ich glaube, dass die Superreichen uns beim Thema Klima an die wunden Punkte bringen, über die wir nachdenken müssen, die aber total schwer zu beantworten sind.“

Einer Antwort versucht sie in ihrem neuen Buch näherzukommen: „Crazy Rich: Die geheime Welt der Superreichen“, das im August 2024 veröffentlicht wird. Dafür hat sich Friedrichs monatelang mit einem Superreichen aus einer Milliardärsfamilie getroffen, der Einblicke in sein Leben liefert. „Nehmen die Superreichen Einfluss auf Politik und Wirtschaft? Wie ist es mit dem Klimatreiben?“ Und wie schafft er es, nur sehr wenig Steuern zu zahlen? Damit ist Friedrichs dem Milliardär nähergekommen wie kaum jemand sonst, denn Superreiche ziehen es normalerweise vor, über ihr Vermögen zu schweigen.

Von ihren Erkenntnissen wird Friedrichs auf der Netzwerk Recherche Jahreskonferenz 2024 berichten. In der Session „Die Superreichen und das Klima – Geschichten der Ungleichheit“ spricht sie neben Oda Lambrecht und Ajit Niranjan am Freitag, den 19. Juli um 10:45 Uhr. In der Session „Blackbox Superreiche: Wie ein Datensammler für die Reichenlisten recherchiert“ spricht sie als Moderatorin mit Andreas Bornefeld über die Datenlage zu Superreichen und Unternehmerfamilien, am Samstag, den 20. Juli um 16:45 Uhr.

von Mariana Büter (TU Dortmund)