Von Judith Hoppermann, JONA

Ein junger Mann aus Hamburg-Altona radikalisiert sich, geht nach Syrien und stirbt dort im Dschihad. Der freie TV-Journalist Karaman Yavuz will mit einem Freund des Toten sprechen. Der aber droht ihm: Yavuz solle nicht berichten – und schlägt den Reporter einige Monate später tatsächlich zusammen. Das Ergebnis: drei Wochen Krankschreibung. Was tun, wenn Journalisten zur Zielscheibe werden?

Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht – aber zumindest eine Schutz-Checkliste des ARD-Terrorismusexperten Holger Schmidt. Dazu zählt: Das Geburtsdatum gehört nicht ins Internet, ebenso wenig die Privatadresse. Für heikle Recherchen rät er, einen Dienst- oder Leihwagen zu nutzen. Um ganz sicherzugehen, sollten nie Standortdaten bei Twitter oder Facebook zu finden sein.

Weniger bedrohlich erscheint es, über die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ in Syrien zu berichten. „Der IS ist nicht direkt vor unserer Haustür“, sagt Volker Siefert vom Hessischen Rundfunk. Die Angst vor der Bedrohung ist da. Denn: „Für Salafisten sind Journalisten der größte Feind“, sagt Siefert.

Christina Elmer von Spiegel Online und Bertolt Hunger von der Spiegel-Dokumentation haben einen anderen Zugang zur Salafisten-Szene gefunden. Sie haben Daten von 539 Personen ausgewertet: Gerichtsurteile, Spiegel-Artikel und Pressemitteilungen des Generalbundesanwalts, der Terroristen anklagt. Eines der Ergebnisse: Jeder sechste Salafist in Deutschland wohnt in Berlin, mehr als 70 Prozent in Großstädten mit mindestens 100.000 Einwohnern. Außerdem wurden Alter, Herkunft und Zugehörigkeit zu Organisationen erfasst. „Natürlich haben wir nicht alle gewaltbereiten Islamisten in der Tabelle, aber rund die Hälfte. Der Verfassungsschutz schätzt ihre Zahl auf rund 1000“, sagt Hunger.

Wissenschaftlicher Anspruch werde dabei natürlich nicht erhoben. „Eigentlich war es nur ein Abfallprodukt meiner täglichen Arbeit“, sagt Hunger. Um den Überblick bei seinen Recherchen für die Spiegel-Dokumentation zu behalten, habe er die Namen von Islamisten in eine Liste eingepflegt, die dann die Grundlage für das Datenjournalismusprojekt wurde.

Karaman Yavuz und Volker Siefert setzen lieber auf persönliche Gespräche. „Sie können auch mit Salafisten reden, die beißen nicht“, sagt Siefert. Wichtig für die Recherche sei es, Ausgangspunkte zu finden: „Dazu bieten sich vor allem Moscheegemeinden an oder Religionslehrer“, sagt Siefert. Natürlich reiche da ein einmaliger Besuch nicht aus – „die Leute müssen Vertrauen fassen“, sagt er. Die Gemeinden wüssten, wer wo betet, wer gerade in Syrien ist und welche Eltern um ein totes Kind trauern. Außerdem seien sie auch daran interessiert, ein positiveres Bild ihrer Religion zu vermitteln.

Mit dem Islambild beschäftigt sich auch der Münchner Ägyptologe Stefan Wimmer. Es geht ihm vor allem um sogenannte „Islamhasser“ – wie die Partei „Die Freiheit“ oder den Blog „Politically Incorrect“. „Diese Leute verbreiten Dinge über den Islam, die einfach nicht richtig sind. Deshalb ist Aufklärung wichtig, denn wenn ich völlig unvorbereitet an diesen Menschen vorbeilaufen würde, dann würde ich ihnen vielleicht sogar glauben“, sagt er. Deshalb fordert Wimmer Aufklärung in den Medien. Eine Frage bleibe dabei offen: „Macht man auf diese Negativkampagnen noch mehr aufmerksam, wenn man über sie berichtet?“ Fest steht für Wimmer jedenfalls, dass das normale Leben der Muslime verstärkt in den Fokus gerückt werden müsse.

Ignoranz gegenüber dem Thema kann die Lösung nicht sein – darin zumindest sind sich die Journalisten einig. In diesem Zusammenhang stehen Behörden in der Kritik: „Die wollen das Thema einfach totschweigen, auch wenn sie Bescheid wissen – bis dann eine Lösung gefunden ist“, sagt etwa Siefert. Das gelte auch für Schulen. „Denn wie viele Schüler kommen noch im nächsten Schuljahr, wenn bekannt wird, dass dort Kämpfer für Syrien angeworben werden?“