Unmittelbar vor der Sommerpause hat die Landesregierung am 28. Juli den Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vorgestellt. Die im Kabinett abgestimmte Vorlage, mit der mehr Verwaltungstransparenz geschaffen werden soll, ist jedoch enttäuschend. „Dieser Vorschlag fällt hinter die Standards zurück, die in anderen Bundesländern längst erreicht sind. Ausgerechnet eine Regierung, die mit dem Versprechen von mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz angetreten ist, versagt bei einem solchen Reformprojekt“, so Manfred Redelfs, IFG-Experte der Journalistenorganisation Netzwerk Recherche.

Die Hauptkritikpunkte an dem Entwurf sind die breiten Ausnahmeklauseln, die langen Antwortfristen von bis zu drei Monaten, die es bisher in keinem Bundesland gibt und die Möglichkeit zur kostendeckenden Gebührenerhebung in den Kommunen. „Andere Bundesländer haben auch für die Kommunen eine Gebührenobergrenze festgelegt. Die Erfahrung zeigt leider, dass sonst auskunftsunwillige Behörden unliebsame Antragsteller mit der Gebührenkeule abschrecken“, fasst Manfred Redelfs eine Erkenntnis der Informationsfreiheitsgesetzgebung zusammen.

Auch die aktiven Veröffentlichungspflichten sollen in Baden-Württemberg so geregelt werden, dass die Behörden möglichst wenig in die Pflicht genommen werden: Der Katalog der Landesregierung enthält weitgehend Selbstverständlichkeiten, wie die Veröffentlichung von Pressemeldungen, Statistiken und Aktenplänen. Hamburg dagegen stellt grundsätzlich alle Verträge der öffentlichen Hand ab einer Mindestschwelle von 100.000 Euro ins Internet, auch alle Gutachten und Studien, die von öffentlichen Stellen in Auftrag gegeben werden. Rheinland-Pfalz bereitet derzeit gleichfalls ein Transparenzgesetz vor, das bei den aktiven Veröffentlichungspflichten weitergeht.

Dass der Landesregierung in Baden-Württemberg kein großer Wurf gelungen ist, zeigt vor allem der Vergleich mit Rheinland-Pfalz: Dort ist ein deutlich bürgerfreundlicheres und weitreichenderes Landesgesetz auf den Weg gebracht worden. Außerdem hat Rheinland-Pfalz einen breiten öffentlichen Beteiligungsprozess durchgeführt, mit Bürgeranhörungen, öffentlichen Diskussionsveranstaltungen und Internet-Feedback-Plattformen. In Baden-Württemberg ist aufgrund des Zeitplans noch nicht mal sicher, ob es zu einer Expertenanhörung im Landtag kommen wird oder ob dies dem Zeitdruck zum Ende der Legislaturperiode zum Opfer fällt. Grundlegende Verbesserungen, die eigentlich nötig sind, können zudem leicht mit dem Argument abgewehrt werden, wer jetzt noch viel ändern wolle, würde die Verabschiedung insgesamt gefährden. „Der gesamt Ablauf spricht leider nicht dafür, dass die Landesregierung bei diesem Transparenzgesetz auf eine Einbindung der Zivilgesellschaft setzt. Es hat eher den Anschein, dass eine ungeliebte Verpflichtung aus dem Koalitionsvertrag mehr schlecht als recht abgearbeitet werden soll“, bemängelt Manfred Redelfs.

 

Die Kritikpunkte im Überblick:

Bezugspunkt der Regelung:
Der Gesetzentwurf orientiert sich nicht am fortschrittlichen und weitreichenden Umweltinformationsgesetz, das Baden-Württemberg bereits seit 1994 aufgrund einer EU-Richtlinie offenbar problemlos und ohne Beschwerden der Verwaltung anwendet, sondern am eher schwachen Informationsfreiheitsgesetz des Bundes. Hinzu kommt, dass zentrale Empfehlungen aus der Evaluierung des Bundesgesetzes (etwa die Einführung einer Abwägungsklausel mit dem öffentlichen Interesse bei den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen) von der Landesregierung einfach ignoriert werden. Die Chance zur Vereinheitlichung der Informationszugangsgesetze, indem man Umweltinformationsgesetz und Informationsfreiheitsgesetz zusammenführt in einer Regelung, was auch bürgerfreundlicher wäre, wird vertan.

Anspruchsverpflichtete, wer fällt unter das Gesetz?
Es ist nicht einsichtig, warum z.B. die Hochschulen und Kammern komplett außen vor bleiben sollen. Bei den Hochschulen wäre es, wie in einigen anderen Bundesländern praktiziert, leicht möglich, nur den Schutz von Forschung und Lehre zu wahren, aber alle reinen Verwaltungsinformationen (z.B. Anzahl der Stellen, Studienplätze etc.) unter das IFG zu fassen.

Ausnahmeklauseln:
Hier bergen die Formulierungen einige Tücken: Auf Bundesebene muss die öffentliche Sicherheit “gefährdet” werden, damit Informationen unter Verschluss bleiben. In Baden-Württemberg reicht es, dass “nachteilige Auswirkungen” entstehen können – das ist eine viel niedrigere Schwelle für eine Antragsablehnung und sicherlich von Fachjuristen in voller Absicht so restriktiv formuliert worden, für Laien aber nicht sofort als zentrale Einschränkung erkennbar.

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse:
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sollen absolut geschützt werden, ohne Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Information, wie international und in zahlreichen Ländergesetzen üblich. Hier beruft man sich auf die ebenfalls kritikwürdige restriktive Formulierung im Bundes-IFG – und verschweigt, dass der Evaluierungsbericht empfiehlt, eine solche Abwägungsklausel einzuführen. Zudem wird argumentiert, es dürfe ja keine Verschlechterung für die Wirtschaft in Baden-Württemberg geben. Dabei haben nicht nur Berlin, Hamburg, Bremen solche Abwägungsklauseln, auch Schleswig-Holstein und das größte Bundesland, Nordrhein-Westfalen. Nachteile für die Wirtschaft sind dort nicht bekannt geworden.

Fristen:
Die vorgesehene feste Monatsfrist ist gut, aber es fehlt die Formulierung „unverzüglich“, die andere Landesgesetze haben. Eine Erweiterung bei der Verlängerung auf drei Monate ist abzulehnen und sonst nirgendwo in einem Bundesland zu finden (Standard: bei Verlängerung zwei Monate).

Kosten:
Die volle Kostendeckung in den Kommunen steht im Widerspruch zu den Bestimmungen in fast allen anderen Bundesländern. Die Formulierung, es könne in besonderen Einzelfällen ganz auf die Erhebung verzichtet werden, klingt wie ein nettes Zugeständnis. Sie ergibt sich aber bereits aus dem allgemeinen Verwaltungskostenrecht und stellt deshalb nicht den Fortschritt dar, als der sie zunächst erscheint. Es ist zu befürchten, dass unwillige Ämter die Kostenkeule nutzen werden, um unliebsame Anfragen abzuwehren.

Aktive Information, Veröffentlichungspflichten:
Die in den Eckpunkten skizzierten Veröffentlichungen kommen sehr unverbindlich daher und beziehen sich im Wesentlichen auf Selbstverständlichkeiten, wie Hinweisen zu den Rechten nach dem Informationsfreiheitsgesetz, statistischen Daten oder Presseerklärungen. Der hier weitgehend verfolgte Ansatz der Freiwilligkeit ist ungenügend und fällt weit hinter den Standard zurück, der in Hamburg seit Oktober vorigen Jahres erreicht wurde und dem Rheinland-Pfalz nun folgen will.