Die Klima-Netzwerkerin

Journalistik-Studierende der TU Dortmund stellen ausgewählte Referent:innen der NR24 vor: Gesa Steeger

Erst vor einigen Monaten sorgte ihre jüngste große Recherche für Aufsehen: Über die im April bei Correctiv veröffentlichte „Ökogas-Lüge“ wurde von zahlreichen deutschen Medien berichtet. Deutsche Energieversorger hatten mit „klimaneutralem Erdgas“ geworben. Ein leeres Versprechen, wie Gesa Steeger aufdeckte.

Rund sechs Monate hatte sie mit Kolleg*innen an der Geschichte gearbeitet. Unterstützt von zwei Datenjournalisten wühlten sie sich gemeinsam durch die Daten von Verra und Gold Standard – zwei der weltweit größten Datenbanken für CO2-Kompensationen. Sie fanden heraus, dass 116 Unternehmen hunderttausende Kunden täuschten. Das angebliche klimaneutrale Ökogas war nichts anderes als Erdgas. Das Geld investierten die Anbieter stattdessen in Projekte, die die schädlichen CO2-Emissionen lediglich ausgleichen sollten, etwa durch den Schutz von Wäldern in Brasilien oder den Bau von Wasserkraftwerken in Indien. Weiterlesen

Der Unermüdliche

Journalistik-Studierende der TU Dortmund stellen ausgewählte Referent:innen der NR24 vor: Jürgen Döschner

Dass er Journalist werden will, wusste er schon während seiner Schulzeit, als er bei einer Schülerzeitung mitwirkte. „Ich war schon immer neugierig und hatte ein Wissens- und Mitteilungsbedürfnis“, sagt Jürgen Döschner und lacht. Für Energiethemen hatte er sich damals auch schon interessiert: „für Gas, Öl und Atomkraft“.

Nach seinem Abitur studierte Döschner bis 1983 Journalistik und Geschichte an der TU Dortmund. 1984 startete seine Karriere beim WDR als einer der ersten bimedialen Reporter im „Zweimann-Regionalstudio‘’ in Kleve. Von 1997 bis 2002 arbeitete er als Korrespondent und Studioleiter im ARD-Hörfunkstudio Moskau und berichtete über die politischen Entwicklungen in Russland. Dort kam er das erste Mal journalistisch mit Energiethemen in Verbindung. Weiterlesen

Die Brandlöscherin

Journalistik-Studierende der TU Dortmund stellen ausgewählte Referent:innen der NR24 vor: Louisa Schneider

„Was bei mir wie ein Kipppunkt gewesen ist, war die Ahrtal-Flut 2021. Das Ahrtal ist bei mir wie im Hintergarten“, sagt Louisa Schneider. „Die Klimakrise ist nicht irgendwann und irgendwo, die ist jetzt und hier“. Diese Erkenntnis hat sie für die Arbeit als freie Klimajournalistin motiviert. „Mich ziehen die negativen Ereignisse nicht runter, sondern sie bestärken mich, etwas dagegen zu tun.“

Sie erinnert sich noch gut daran, als der Klimawandel für sie noch weit weg erschien und mit negativen Emotionen verbunden war. „Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, dass Klimajournalismus pfiffig, schnell und gut verdaulich ist“, sagt die 25-Jährige heute. In ihrem Profil bei LinkedIn schreibt sie „Klimaschutz, but make it sexy“. Damit will sie aussagen, dass Journalist*innen heute mit anderen Tools an das Thema heran gehen müssen, um es für das Publikum aufzubereiten. „Vor ein paar Jahren hatte man immer noch dieses Ökotante-Bild im Kopf“, erzählt Louisa Schneider. „Da muss jedoch ein Mensch her aus der bürgerlichen Mitte. Jung, kreativ, hedonistisch“.

Gemeinsam mit Greenpeace hat sie das Projekt „Grad.jetzt – Wo Klima und Ökosysteme kippen“ ins Leben gerufen. In dem Multimedia-Projekt zeigen sie am Beispiel von fünf Klimakipppunkten, wie gefährdet das Klimasystem ist. Dafür reiste Louisa Schneider mit dem Fotografen Markus Mauthe in den Senegal, wo das Ökosystem aus der Balance gerät, in die Wälder Kanadas, die zunehmend von Bränden betroffen sind, nach Grönland, wo das Eis schmilzt, zum Pazifik, wo die Korallenriffe absterben, und in den tropischen Regenwald, der immer weiter abgeholzt wird. Diese fünf Gebiete verbindet, dass sie 1,5 Grad zu warm sind und somit den kritischen Wert überschritten haben. Wie die Folgen aussehen und wie sie sich anfühlen, versuchen Mauthe und Schneider in dem Projekt sichtbar zu machen.

Stell Dir vor, Du stehst mitten im brasilianischen Regenwald, in den Bränden, drückende Hitze, es fällt der nächste Baum um, Wildschweinfamilien laufen aus dem Wald und es fliegen brennende Vögel am Himmel – das ist kein Kapitel aus einer Dystopie, sondern das hat Louisa Schneider erlebt. „Es brennt bildlich gesehen an allen Ecken der Welt und daher will ich das Löschwasser rausholen und helfen“, sagt sie. Mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen: auf Social Media, im Freundeskreis, in der Familie, auf Bühnen, auf der Straße, überall dort aktiv werden, wo es nur geht.

Und das, obwohl die Arbeit für sie selbst manchmal schwer wird. „Ich glaube, ich bin noch nie so stark an meine Grenzen gekommen, sowohl emotional, körperlich als auch mental“, berichtet sie und spielt dabei auf ihre Reise in den Senegal an. „Wir waren in einem Geflüchtetenlager, aber nicht für Geflüchtete aus Kriegszonen, sondern weil dort Naturgewalten ganz anders auf das Land einsprechen und sich die Menschen viel weniger schützen können“, sagt sie. Für die Menschen dort sei es wie ein Teufelskreis, aus dem sie aus eigener Kraft gar nicht ausbrechen können.

Dabei ist Louisa Schneider auch die politische Dimension wichtig, sie thematisiert auf Social Media die Gesetzeslage, die den Kampf gegen den Klimawandel erschwert. Dabei kritisiert sie beispielsweise die Arbeitsweise der fossilen Industrie, da diese einen hohen Einfluss auf die Klimapolitik hat. Ihre Arbeit trennt sie vom Aktivismus, indem sie sich durch Quellen und Fakten absichert. „Wenn ich einfach nur Louisa bin, habe ich aber auch natürlich meine eigene Meinung und ziehe Rückschlüsse durch die Erfahrungen, die ich mache“, sagt sie und teilt diese persönlichen Einblicke auf ihrem Social-Media-Kanal. Dabei ist ihr jedoch immer bewusst, in welcher Rolle sie auftritt und wofür sie einsteht.

„Es gibt keine Wissenschaft, die dauerhaft so stark in der Kritik ist und angezweifelt wird wie der Klimaschutz“, schildert sie und teilt ihr Unverständnis dafür auch mit ihrem Publikum. Die Berichterstattung löse vor allem Emotionen wie Wut, Trauer und Schuldgefühle aus. „Ich möchte mit meiner Arbeit auf positive Emotionen abzielen, dass man Hoffnung daraus schöpft, dass es nicht zu spät ist“, sagt Louisa Schneider.

Um ihre Botschaft zu transportieren, hat sie ihre Reise und ihre Erfahrungen in einem Buch mit dem Titel „Grad° jetzt: Gegen die Angst“ zusammengefasst, um anderen Mut zu machen. Denn Louisa Schneider ist davon überzeugt, dass wir alle zu einem Kipppunkt unserer selbst werden können für positive und soziale Gerechtigkeit.

Bei der Netzwerk Recherche Jahreskonferenz wird Louisa Schneider in der Session „Against all odds: Klimajournalismus auf Instagram und Tiktok“ am 20. Juli sprechen. Gemeinsam mit der Klimajournalistin und Hosterin des Podcast „Climate Gossip“, Samira El Hattab, und der Klimajournalistin und Gründerin des Digitalverlags MedyaN, Nalan Sipar, spricht sie über Klimajournalismus in den sozialen Medien.

von Antonia Marquardt (TU Dortmund)

Die Eliten-Expertin

Journalistik-Studierende der TU Dortmund stellen ausgewählte Referent:innen der NR24 vor: Julia Friedrichs

Begonnen hat alles 2005. Julia Friedrichs war damals 25 Jahre alt und arbeitete nach ihrem Studium der Journalistik an der TU Dortmund als freie Mitarbeiterin für verschiedene Medien. Für eine Geschichte für Die Zeit fuhr sie Undercover zu einem Recruiting-Prozess von McKinsey & Company, einer weltweit agierenden Unternehmensberatung mit rund 45.000 Mitarbeiter*innen. Sie wollte herausfinden, wer diese Mächtigen sind, die große Unternehmen und die Politik beraten.

Friedrichs nahm dazu an einem Gruppenauswahlverfahren in Griechenland teil. Dort waren alle Teilnehmenden jung, von sich überzeugt, hungrig nach Erfolg. Die McKinsey-Berater versuchten, ihnen die Welt der Reichen schmackhaft zu machen. Neben Workshops und Vorträgen zu dem, was einen idealen Geschäftsführer und Manager ausmacht, wurden die Anwärter*innen mit Partys und Yacht-Ausflügen verwöhnt. Weiterlesen

Die Klima-Übersetzerin

Journalistik-Studierende der TU Dortmund stellen ausgewählte Referent:innen der NR24 vor: Samira El Hattab

Samira El Hattab erinnert sich immer wieder an einen Moment in ihrem Leben: Als 16-Jährige auf einem Bremer Gymnasium soll sie mit ihren Mitschüler:innen Zeitungen lesen, sich politisch bilden und im besten Fall auch das journalistische Handwerk kennenlernen. Doch statt innezuhalten und Neugierde zu entwickeln, ist Samira verwirrt, verärgert und fragt sich: Warum verstehe ich diesen Text nicht? An mangelndem Interesse für Politik liegt es nicht, im Gegenteil. Samira El Hattab interessiert sich sehr für das Weltgeschehen. Eher liegt es an der Art und Weise, wie der Artikel geschrieben ist: eine elitäre Sprache und zu viele fremde Begriffe, die nicht erklärt werden.

Heute ist Samira El Hattab 26 Jahre alt und befindet sich auf der anderen Seite – sie ist die, die die Artikel schreibt. Zehn Jahre und ein Studium an der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft später, hat sie sich als Journalistin auf Energie- und Klimapolitik spezialisiert. Ihr Zugang zu dem komplexen Thema: die Sprache.

„Wenn man da nicht drinsteckt, fällt es einem schwer, es nachzuvollziehen“

Samira El Hattab hat sich die Balance aus Fakten und Verständlichkeit zur Aufgabe gemacht. Ihr ist es wichtig, die Komplexität so weit wie nur möglich herunterzubrechen, um alle abzuholen. „Klimapolitik ist so wahnsinnig kompliziert, wenn man da nicht drinsteckt, fällt es einem schwer nachzuvollziehen, was da passiert“.

Angefangen hat ihre Leidenschaft für die Klimaberichterstattung beim WDR Format „klima:neutral“. Auf dem Instagramkanal berichtet Samira El Hattab für ein junges Publikum über Klimapolitik und Nachhaltigkeit. Als eine der Hosts erklärt sie in Kurzvideos die EEG-Umlage, berichtet über Lützerath und interviewt während der Bundestagswahl die Spitzenkandidat:innen. Obwohl sie viele Fakten vermitteln müssen, bleiben Samira El Hattab und ihre Kolleg:innen locker, verständlich und mit den Usern auf Augenhöhe.

Es ist gerade diese Vielfältigkeit des Themas, die sie fasziniert: Klima ist immer und überall. Und die Herausforderung, die Komplexität für das Publikum zu dolzumetschen, spornt sie an.

Ständige Selbstkontrolle

Ihr derzeitiges Herzensprojekt ist „Climate Gossip“. In dem Podcast diskutiert Samira El Hattab mit ihrer Kollegin und Freundin Jule Zentek, die genauso fürs Thema brennt, die aktuelle Klimapolitik. „Wir haben gedacht: ey, wir machen das einfach für uns, damit wir rumnerden können. Wenn unsere Zuhörer*innen daraus noch etwas mitnehmen können, umso besser“. Auch bei Climate Gossip ist es für beide wichtig, die aktuelle Klimapolitik verständlich widerzugeben. Das fällt den beiden nicht immer leicht.  „Jule und ich erwischen uns oft, dass wir zum Beispiel KSG statt Klimaschutzgesetz sagen und uns dann gegenseitig stoppen: ‚ne warte Mal, das versteht doch keiner.“ Umso wichtiger ist es den beiden, sich immer wieder gegenseitig in Bezug auf Verständlichkeit zu kontrollieren.

Verständliche Klimaberichterstattung nicht nur für Gen Z

Wenn Samira El Hattab an ihren Themen arbeitet, ist ihre 16-Jährige Version immer mit dabei. Wie sie im Politikunterricht die Zeitung in ihren Händen hält und das Papier ihren Frust widerspiegelt. „Ich kann doch nicht so blöd sein.“ Dieser Gedanke von damals hilft Samira heute, sensibel für ihre Sprache zu sein. Dabei ist es ihr wichtig, für alle Generationen gleichermaßen und nicht nur für die Gen Z Klimapolitik einfach zu erklären. „Wenn ich abends mit meiner Mama über Klimathemen rede und sie sagt: ‚Ja, ja, das hab‘ ich verstanden, dass hast du ja in deinem Podcast erklärt‘, dann freut mich das“. Ebenso, wenn ihr Zuhörer:innen von „Climate Gossip“ schreiben, dass sie durch eine Folge endlich verstanden haben, was es mit dem Klimaschutzgesetz auf sich hat.

Das sieht Samira El Hattab nicht als selbstverständlich an, denn wie viele Journalist:innen beobachtet sie eine „Klimamüdigkeit“ in der Leser:innenschaft. Der Dauerkrisenzustand und die Allgegenwärtigkeit des Themas lassen viele abstumpfen. Umso wichtiger ist es deswegen, in der Klimaberichterstattung verständlich einzuordnen und gleichzeitig trotzdem umfassend zu erklären. Damit die Leser:innenschaft wieder für die Krise sensibilisiert wird und kein Raum für Mythen und Falschinformationen entsteht. Wie genau Leser:innen wieder für das Thema begeistert werden können, beschäftigt Samira El Hattab sehr. Es komme vor allem auf Kreativität an, um Geschichten anders und neu zu erzählen.

Um die Herausforderungen der Sprache und der Formate wird es auch auf der Netzwerk Recherche Jahreskonferenz 2024 gehen. Samira El Hattab moderiert die Sessions „Mehr Herz im Klimajournalismus“ am Freitag, den 19. Juli um 14 Uhr und „Against all odds: Klimaberichterstattung auf Instagram und TikTok“ am Samstag, den 20. Juli um 10:30 Uhr.

von Jamie Sophie Postler (TU Dortmund)