Neun Lea­dership-​Tipps für Frauen

ver­öf­fent­licht von Netz­werk Recherche | 20. Februar 2022 | Lese­zeit ca. 7 Min.

Mehrere Frauen an einem Tisch, manche sitzend, manche stehend. Sie wirken positiv gestimmt und inspiriert.

Autorin: Amel Ghani

Die Jour­na­lis­mus­branche im All­ge­meinen und der inves­ti­ga­tive Jour­na­lismus im Beson­deren waren und sind ein ein­samer Ort für Frauen. Lei­tende Redak­teu­rinnen füh­render Orga­ni­sa­tionen aus der ganzen Welt wie des bri­ti­schen Bureau of Inves­ti­ga­tive Jour­na­lism (TBIJ) oder des Wole Soy­inka Centre for Inves­ti­ga­tive Jour­na­lism aus Nigeria geben Frauen neun Tipps für eine starke Kar­riere im Inves­ti­ga­ti­vjour­na­lismus.

Ver­gesst die Geschichte der ein­samen Wölfin

Rachel Old­royd, Mana­ging Editor und CEO von TBIJ, sagt, dass das vor­herr­schende Bild des Inves­ti­ga­tiv­re­por­ters als „ein­samer Wolf“, der im Allein­gang eine Story aus­gräbt, ver­altet sei. Sie argu­men­tiert, dass Jour­na­list:innen diese Vor­stel­lung ad acta legen und sich dar­über freuen sollten, dass viele Frauen Team­playe­rinnen sind, was ganz eigene Vor­teile mit sich bringe, vor allem im Bereich des kol­la­bo­ra­tiven Inves­ti­ga­ti­vjour­na­lismus. „Wir neigen dazu, besser zu teilen, zusam­men­zu­ar­beiten und zu netz­werken. Wir können uns besser in andere ein­fühlen und ver­fügen häufig über all die Fähig­keiten, die im Inves­ti­ga­ti­vjour­na­lismus so wichtig sind“, erklärt sie und fügt hinzu, dass Frauen ruhig stärker betonen könnten, wie wichtig all diese Dinge für den Jour­na­lismus sind.

Nicht jede Kar­riere ver­läuft linear

Marina Walker Gue­vara, Exe­cu­tive Editor des Pulitzer Center, arbei­tete als Senior Repor­terin in Argen­ti­nien, als sie beschloss, in die USA umzu­ziehen. Ihre Familie hielt dies damals für einen Schritt zurück, da sie von einer hoch­ran­gigen Posi­tion als Repor­terin als Prak­ti­kantin in das Inter­na­tional Con­sor­tium of Inves­ti­ga­tive Jour­na­lists (ICIJ) wech­selte. Doch sie stieg schnell auf und was wie ein Lot­te­rie­spiel schien, zahlte sich aus: Sie wurde zunächst stell­ver­tre­tende Direk­torin und schließ­lich Direk­torin für stra­te­gi­sche Initia­tiven und Netz­werk des ICIJ. Frauen rät sie, den Gedanken anzu­nehmen, dass ihre Kar­riere nicht immer vor­her­sehbar ist und dass Wer­de­gänge nicht zwangs­läufig einem geraden Weg folgen oder immer in die­selbe Rich­tung weisen.

Haltet Aus­schau nach preis­ge­krönten Sto­ries

Old­royd erin­nert Frauen daran, dafür zu kämpfen, dass ihre Per­spek­tiven in den Redak­tionen und Chef­etagen Gehör finden. Sie unter­streicht, wie wichtig eine Bericht­erstat­tung zu frau­en­spe­zi­fi­schen Themen ist, die in der Ver­gan­gen­heit nicht die Auf­merk­sam­keit erhielten, die sie ver­dienen. Sie glaubt, dass sich hier etwas ändert, da glo­bale Sto­ries über Frauen und ihre Erfah­rungen Aus­zeich­nungen erhalten. Diese preis­ge­krönten Sto­ries könnten als Vor­bild dienen und von Reporter:innen in den Redak­tionen als Refe­renz ange­führt werden, um sich für ähn­liche Arbeiten ein­zu­setzen.

Nutzt Daten zur Unter­maue­rung eurer Argu­mente

Mot­un­rayo Alaka, Exe­cu­tive Director und CEO des Wole Soy­inka Centre, ermu­tigt Frauen, Daten für ihre Anliegen zu nutzen. Sie berichtet von ihren eigenen Recher­chen über die „Mas­ku­linität der Redak­tionen“, in deren Rahmen sie her­aus­fand, dass in Nigeria auf Manage­ment­ebene zwei Frauen auf zehn Männer und auf Vor­stands­ebene zwei Frauen auf sieben Männer kommen. Dieses Wissen, so Alaka weiter, habe es ihr nicht nur erlaubt, dem Manage­ment mit For­de­rungen gegen­über­zu­treten, son­dern auch, sich für die Ein­stel­lung von mehr Frauen aus mora­li­schen und wirt­schaft­li­chen Gründen stark zu machen.

Bittet um Hilfe und Unter­stüt­zung

Old­royd findet, dass Frauen in den Redak­tionen auch mehr Sicher­heit und Unter­stüt­zung ein­for­dern sollten, wenn sie diese benö­tigen, vor allem dann, wenn sie zu sen­si­blen Themen arbeiten und bei­spiels­weise Recher­chen über mäch­tige Männer und Beläs­ti­gung im Rahmen von „#MeToo“ machen. „Sto­ries, bei denen Frauen im Zen­trum stehen, sind oft sehr her­aus­for­dernd und erfor­dern zusätz­liche Unter­stüt­zung, da man mit ver­letz­li­chen Quellen wie Ver­ge­wal­ti­gungs­op­fern oder Mit­glie­dern der #MeToo-​Bewe­gung spricht“, erklärt Old­royd und ergänzt, dass dies zu „stell­ver­tre­tenden Trau­mata“ führen kann.

Bleibt eurem Füh­rungs­stil treu

Sherry Lee, Chef­re­dak­teurin des tai­wa­ne­si­schen The Reporter, warnt davor, dass häufig abwer­tende Adjek­tive wie „recht­ha­be­risch“ oder „emo­tional“ ver­wendet werden, um Frauen in Füh­rungs­po­si­tionen zu beschreiben. Solche Begriffe werden für Männer in der­selben Posi­tion nicht genutzt. Einer ihrer Kol­legen sagte einmal zu ihr: „Sherry, du spielst den Bad Cop wirk­lich gut.“ Zunächst wusste sie nicht, was sie darauf erwi­dern sollte. Als ein wei­terer Kol­lege die­selben Worte ver­wen­dete, wusste sie, dass sie es anspre­chen musste. Sie sagte ihnen, dass es als Füh­rungs­kraft ihre Auf­gabe sei, Ver­ant­wor­tung zu über­nehmen, und dass sie genau das tue. „Ich for­derte sie zudem auf, nicht noch einmal so über mich zu spre­chen“, sagt sie und zog damit ihre Grenze. Sie ist der Ansicht, dass unter­schied­liche Frauen unter­schied­liche Füh­rungs­stile haben und dies annehmen sollten, anstatt zu ver­su­chen, sich auf­grund von herr­schenden Vor­ur­teilen in Redak­tionen zu ändern.

Passt euch an – wieder und wieder

Marina Walker Gue­vara betont die Bedeu­tung von Fle­xi­bi­lität auf per­sön­li­cher Ebene. Rawan Damen, Gene­ral­di­rek­torin von ARIJ, hin­gegen, legt den Fokus eher auf Anpas­sungs­fä­hig­keit und Fle­xi­bi­lität auf orga­ni­sa­to­ri­scher und beruf­li­cher Ebene. „Du musst viel planen und dich jedoch auch oft anpassen“, erklärt Damen und betont, dass Fle­xi­bi­lität und einen Plan zu haben „zwei Seiten der­selben Medaille“ seien.

Achtet auf Euch

„Studie um Studie hat auf­ge­zeigt, dass Frauen häu­figer von Burnout betroffen sind als Männer“, mahnt Walker Gue­vara und äußert die Ver­mu­tung, dass das daran liegen könne, dass Männer und Frauen ihre Prio­ri­täten anders setzten. Sie erin­nert sich an eine Zeit in ihrer eigenen Kar­riere, als sie ein T-​Shirt mit der Auf­schrift „Schei­tern ist keine Option“ trug, und ver­weist darauf, dass diese Art von Druck schließ­lich im Burnout enden könne, sie jedoch erkannt habe, wie wichtig es sei, „Nein“ zu sagen, Grenzen zu ziehen und diese auch zu kom­mu­ni­zieren.

Unter­stützt die neue Gene­ra­tion von Füh­rungs­kräften

Für Mot­un­rayo Alaka ist es nicht nur wichtig, für sich selbst ein­zu­treten, son­dern auch andere Frauen zu ermu­tigen und als Men­torin zu begleiten. Sie ver­öf­fent­licht nicht nur Aus­schrei­bungen für bestimmte Posi­tionen, son­dern sucht auch nach Jour­na­lis­tinnen, indem sie nach ihren Recher­chen sucht, um poten­zi­elle Kan­di­da­tinnen zu finden. „Wenn eine Frau gewinnt, gewinnen alle Frauen, denn du kannst den Weg für andere ebnen“, sagt sie.

Info:

Neun Lea­dership Tipps für Frauen sind aus dem Work­shop „Frauen und inves­ti­ga­tiver Jour­na­lismus: Lea­dership-​Tipps“ ent­standen. Er fand auf der 12. Global Inves­ti­ga­tive Jour­na­lism Con­fe­rence (#GIJC21) statt.

Auf dem Podium saßen lei­tende Redak­teu­rinnen füh­render Orga­ni­sa­tionen aus der ganzen Welt wie des bri­ti­schen Bureau of Inves­ti­ga­tive Jour­na­lism (TBIJ), des Wole Soy­inka Centre for Inves­ti­ga­tive Jour­na­lism aus Nigeria, der tai­wa­ne­si­schen Online­platt­form für inves­ti­ga­tiven Jour­na­lismus The Reporter, des Pulitzer Center aus den Ver­ei­nigten Staaten, das den inves­ti­ga­tiven Jour­na­lismus mit För­der­mit­teln unter­stützt, und Arab Repor­ters for Inves­ti­ga­tive Jour­na­lism (ARIJ) mit Sitz in Jor­da­nien. Gestützt auf Jahr­zehnte kol­lek­tiver Erfah­rungen berich­teten die Podi­ums­teil­neh­me­rinnen, wie sie es trotz der Her­aus­for­de­rungen, mit denen Frauen in vielen Nach­rich­ten­re­dak­tionen kon­fron­tiert sind, an die Spitze geschafft haben. Eine voll­stän­dige Auf­zeich­nung der im Rahmen der GIJC21 geführten Dis­kus­sion stellen wir auf You­tube zur Ver­fü­gung.

Zudem gibt es Tips­heets und Prä­sen­ta­tionen der Redner:innen auf der GIJC21-​Web­site. Zur wei­teren Ver­tie­fung emp­fehlen wir diesen Bericht von der GIJC19, Women Inves­ti­ga­tive Jour­na­lists on Work and Life, und den GIJN-​Leit­faden Resources for Women Jour­na­lists.

Dieser Guide wurde über­setzt von Tanja Felder.

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