Eine Recherchekooperation von NDR und Süddeutscher Zeitung deckt Geheimdienstaktivitäten der US-Regierung auf, die von deutschem Boden aus stattfinden. Forschung für das Pentagon, Drohnen in der Oberpfalz und Freunde der Folterpolizei – alles fein säuberlich recherchiert und hübsch verpackt auf www.geheimerkrieg.de .

Klick. Klick. Klick. Filtern nach POP – „Place of Performance“ – Klick. „R423“, der Produktcode für die Intelligence Agency. Noch ein Klick und Bastian Brinkmann von der Süddeutschen Zeitung erhält eine detaillierte Liste aller US-Geheimdienstaufträge an deutsche Firmen – zur Verfügung gestellt von der US-amerikanischen Regierung, frei abrufbar im World Wide Web.
Diese Daten stellen die Hauptquelle dar für das geheimerkrieg.de-Projekt des NDR und der SZ. Gut für die Journalisten, dass in den USA ein anderes Verständnis von Transparenz herrscht und die Regierung alle Ausgaben über 3000 US-Dollar veröffentlichen muss. So geschehen im sogenannten FPDS . FPDS steht für Federal Procurement (= Beschaffung) Data System. Dort wird alles aufgelistet, was die 3000er-Marke übersteigt, „egal ob Fahrräder, Forstsägen oder biologische Bomben“, sagt Bastian Brinkmann.
Bevor das Rechercheteam jedoch die Top 3 der in Deutschland operierenden Geheimdienstfirmen ausfindig machen konnte, galt es erst einmal, einen gewaltigen Datenberg zu bezwingen. Unterstützung gab es dabei von der Agentur Open Data City, die im ersten Schritt alles, was mit Deutschland in Verbindung stand, aus der FPDS-Datenbank runtergeladen hat. Datenvolumen: ein Terrabyte.

Mehr Ordnung in den Datenwust bringen, hieß es jetzt. Behilflich dabei war die Bürokratie, die in den USA anscheinend genauso ausgeprägt ist wie in Deutschland. Jeder Auftrag im FPDS ist formularmäßig mit gewissen Pflichtfeldern versehen, zum Beispiel „Date signed“, „Place of Performance“ oder „Product or Service Code“. Wer sich einmal in der Welt dieser Codes und Bezeichnungen zurecht gefunden hat (hilfreich dabei: „Code Names“ von William M. Arkin), stößt schnell auf die 518 Geheimaufträge der US-Regierung an deutsche Unternehmen. Jetzt nur noch die Daten runterladen und mit Excel aufbereiten – „Scraping auf Kindergartenniveau“ laut Brinkmann.
Mit Excel lassen sich leicht Zusammenhänge zwischen den einzelnen, strukturierten Daten herstellen. Wertet man zum Beispiel „Global Vendor“ (= Mutterfirma) und „Action Obligation“ mittels Pivot Table zusammen aus, hat man ruckzuck die Umsätze der einzelnen Firmen zusammengestellt. Solche Auflistungen waren dann der Ausgangspunkt für die weitere Recherche.
Herausgekommen ist eine Vielzahl an Geschichten: angefangen mit dem Fotomodell in Stuttgart, das fünf Drohnen abfeuerte, über die stuttgarter Zentrale „Africom“ für amerikanische Einsätze in Afrika, weiter mit den Universitäten in Marburg, Bayreuth oder München, die Grundlagenforschung für das Pentagon betreiben. So wird zum Beispiel an der Ludwigs-Maximilian-Universität München nach umweltverträglichem Sprengstoff geforscht.
All das und noch viel mehr wurde multimedial aufbereitet und publiziert – in TV, Radio, Print und Online. Den circa halbstündigen Film kann man sich bei youtube anschauen, die großen Hintergrundgeschichten dazu auf www.geheimerkrieg.de.

Um die globale Ausbreitung dieses geheimen Netzwerks zu veranschaulichen, sind alle „Spielorte“ der Geschichten anschaulich mit einer Karte verknüpft. Bei der Africom-Geschichte etwa geht es in Windeseile von Nairobi nach Stuttgart, wieder Nairobi, Wiesbaden, Dschibuti, Endstation ist in Guantanamo.
Blicken Jan Strozyk und Bastian Brinkmann auf die Arbeit an dem Projekt zurück, hätten sie vieles anders gemacht. „Aber so haben wir es nun mal gemacht,“ sagt Strozyk. „Wir hatten viel Glück, Snowden zum Beispiel hat die Thematik viel bekannter gemacht.“
Und hat sich das Ganze gelohnt? Für den NDR ja, die SZ stelle zum Glück keine Kalkulationen darüber aus, grinst Brinkmann. „Es gab auch politische Reaktionen, so wurde zum Beispiel das Amt für Befragungswesen geschlossen“, erzählt Strozyk weiter. Grundlegend ändere sich von heute auf morgen natürlich nichts. „Aber wir sind die Gesprächstreiber.“ (Mehr zum Amt für Befragungswesen )

Für die EU gibt es übrigens eine ähnliche Online-Datenbank wie FPDS für die USA.