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Fünf Tipps für den Einstieg in den Datenjournalismus
Von Anastasiya Polubotko
Interaktive Karten, aufwendiges Design, monatelange Investigativ-Recherche: So manch datenjournalistisches Projekt wirkt geradezu einschüchternd aufwendig. Denn die meisten Journalisten können weder ein Team von Programmierern und Designern noch ein großes Budget oder Programmierkenntnisse vorweisen. Wie man als Neuling dennoch den Einstieg in den datengetriebenen Journalismus schafft, haben wir auf der Datenlabor-Tagung erfragt.
1. Excel lernen
Wer datenjournalistisch arbeiten will, kommt an Tabellenkalkulationsprogrammen nicht vorbei. Excel ist dabei die am weitesten verbreitete Wahl, nicht zuletzt, weil es als Teil des Microsoft-Office-Pakets auf Windows-Rechnern bereits vorinstalliert und damit einfach zugänglich ist. Die kostenfreie Alternative: OpenOffice Calc.
Datensätze sprechen selten für sich selbst. Die Aufgabe des (Daten-)Journalisten ist es daher, die interessanten Aspekte und Geschichten in den Daten zu finden. Dabei kommt Excel ins Spiel. Mit wenigen Klicks lässt sich zum Beispiel aus einer Tabelle der amtlichen Statistik herausfiltern, welche Todesursachen in Deutschland am häufigsten sind. Wie das geht, erläutert das Datenjournal in einem kurzen Video.
Aber Excel kann nicht nur rechnen – das Programm kann auch Grafiken erstellen. Diese reichen an die Design-Möglichkeiten anderer Programme (siehe Tipp 2) zwar meist nicht heran, einen ersten Überblick über den Datensatz und die darin enthaltene Geschichte können sie dem Datenjournalisten trotzdem liefern.
Die Tipps von Daten-Labor-Teilnehmern in der Videoumfrage:
2. Verfügbare Tools nutzen
Manche Programme, man spricht auch von Werkzeugen oder Tools, können das Leben von (Daten-)Journalisten enorm vereinfachen. Das Internet bietet eine Fülle von teils kostenfreier Software. Vor allem für die Visualisierung von Daten kann das von Nutzen sein.
Um bei dem Beispiel aus Tipp 1 zu bleiben: Nach näherer Betrachtung der Excel-Tabelle fällt zum Beispiel auf, dass in Ungarn im Jahr 2012 deutlich mehr Menschen je 100.000 Einwohner an Krebs starben als in der Schweiz. Das ist eine Erkenntnis und möglicherweise eine Geschichte wert. Bleibt noch die Frage nach einer geeigneten Darstellungsform. Alle europäischen Länder nur im Text miteinander vergleichen? Den meisten Datenjournalisten wäre das wohl zu wenig, zumal sich für Online-Beiträge sehr einfach interaktive Karten erstellen lassen.
Schnell ist die Excel-Tabelle zum Beispiel bei Openheatmap hochgeladen, Details wie Kartenausschnitt und Farben angepasst und voilà: fertig ist die interaktive Visualisierung. Die Bedienung ist einfach, kostenlos, aber dafür in den Optionen eingeschränkt. Weitere Tools für Karten sind CartoDB, Mapbox oder Google Maps.
Auch zum Erstellen von Infografiken, wie zum Beispiel Balken- oder Tortendiagrammen, lassen sich im Web viele Anwendungen finden. Dazu gehören Highcharts, Tableau Public oder Datawrapper. Bei all den technischen Möglichkeiten bleibt jedoch zu bedenken: Eine schöne Infografik sollte eine gut recherchierte und spannende Geschichte unterstützen, nicht die Geschichte selbst sein.
3. Hilfe suchen
Auch ein erfahrener Datenjournalist arbeitet nicht allein.
Datenjournalismus vereint drei verschiedene Kompetenzbereiche: Journalismus, Programmierung und Design. Es ist ratsam, als (Daten-)Journalist in die anderen Fachbereiche reinzuschnuppern und sich fortzubilden. Jedoch wird aus dem Journalisten dadurch in der Regel kein IT-Experte oder Profi-Designer; und das ist auch nicht nötig. Denn dafür gibt es Spezialisten: Selbst Redaktionen ohne großes Datenjournalismus-Team beschäftigen manchmal Programmierer. Und die haben bestimmt einen guten Rat parat, wenn der Journalist in seinem Projekt bei seinen ersten Programmier-Versuchen mal gar nicht weiter weiß.
Doch nicht nur Personen können in so einem Fall weiterhelfen. Das WWW bietet unzählige Tipps, Anleitungen und Linksammlungen für datenjournalistische Projekte. Und wenn man bei der Bedienung eines Programms mal nicht weiter weiß: „Einfach [Programmname] for journalists googlen“, empfiehlt Julius Tröger, Datenjournalist bei der Berliner Morgenpost. Eine Taktik, die auch er nach mehreren Jahren Berufserfahrung mit Daten immer wieder anwendet.
Hahah, so ein bisschen wie "xx für Dummies"? 🙂 #datenlabor15 https://t.co/nj1FXGEgJj
— Eva Wolfangel (@evawolfangel) October 23, 2015
Manchmal lohnt es sich auch, über den Tellerrand zu blicken und bei solchen Disziplinen abzuschauen, die auf den ersten Blick nichts mit Datenjournalismus zu tun haben – beispielsweise beim Controlling, beim industriellen Data-Mining oder dem Projektmanagement.
Auch sollte man nicht vergessen, dass Datenauswertung allein keine Expertenmeinung ersetzt. Hat man – wie im oben genannten Beispiel – herausgefunden, dass in Ungarn gemessen an der Gesamtbevölkerung mehr Patienten an Krebs sterben als in der Schweiz, ist das an sich noch keine Geschichte. Vielmehr ist das Ergebnis Anlass, tiefer zu recherchieren und Fachexperten zu Wort kommen zu lassen. Was könnten Gründe für diese Unterschiede sein? Ist das Gesundheitssystem der Länder dafür verantwortlich, oder kann es womöglich Fehler in der Berechnung oder der Zählung gegeben haben?
4. Automatisieren lernen
Es muss nicht immer gleich ein Informatikstudium sein. Einfache Operationen für die Datenrecherche und -verarbeitung kann jeder automatisieren – und dabei viel Zeit und Nerven sparen.
Automatisierung kann schon mit kleinen Tricks beginnen: Wer zum Beispiel weiß, wie man bei Excel eine ganze Spalte oder ganze Tabellenbereiche markiert statt separat jedes Feld anklicken zu müssen, ist klar im Vorteil. (siehe Tipp 1)
Werden die Daten mal nicht per Excel-Tabelle zur Verfügung gestellt, sondern beispielsweise als PDF-Datei, kommt das sogenannte Scrapen ins Spiel: Um nicht alle Daten manuell übertragen zu müssen, extrahieren Datenjournalisten mithilfe von Programmen und Webanwendungen Daten aus Webseiten oder PDFs. Für letzteres stehen zum Beispiel Programme wie PDF Tables, Tabula oder die Webseite onlineocr.net zur Verfügung.
5. Probieren, probieren, probieren!
Jeder Journalist hat seinen eigenen Stil und seine eigene Art, an Geschichten heranzugehen. Eine universelle Anleitung geben zu wollen, wäre absurd. Das gilt auch dann, wenn Daten die Basis der Recherche darstellen. Anleitungen zum Programmieren, Visualisieren, Analysieren und Recherchieren finden sich zu Hauf im Netz (siehe auch Punkt 1 bis 4). Um den eigenen Weg als Datenjournalist zu finden – und diesen stetig weiterzuentwickeln – hilft aber nur: Ausprobieren!