Liebe Kolleg:innen,

es ist die wichtigste Veröffentlichung seit Jahren, als Correctiv vor zweieinhalb Wochen über ein geheimes Treffen von Rechtsextremen und ihren menschenfeindlichen Überlegungen berichtete. Die Enthüllung zeigt, wie tief Extremismus in Teilen der politischen Landschaft verwurzelt ist – und das nicht nur innerhalb der AfD, sondern auch in Teilen der CDU.

Die Reaktionen auf diese Enthüllungen sind beispiellos. Hunderttausende sind seitdem auf die Straßen gegangen, auch die Umfragewerte der AfD sinken.

Als Journalist:innen ist es unsere Pflicht, solche Entwicklungen weiterhin genau zu beobachten und darüber zu berichten. Wir tragen Verantwortung, die Wahrheit ans Licht zu bringen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Arbeit von Correctiv steht exemplarisch für den Wert und die Notwendigkeit von investigativem Journalismus. Umso mehr freut es uns, dass am 6. Februar Justus von Daniels, Anette Dowideit und Jonathan Sachse von Correctiv in einem NR-insights über ihre Recherche berichten werden.

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft informiert, engagiert und vor allem frei von Extremismus bleibt.

Eure

Annelie Naumann

 

 

Annelies Tipps des Monats

Mögliches AfD-Verbot?

Sollte man die AfD verbieten? Darüber streiten Expert:innen. Ronen Steinke führt hier gute Gründe für ein Verbot der Partei auf. „Das Grundgesetz überlässt die Entscheidung, wann eine solche politische Kraft verboten werden sollte […] den unabhängigen Richtern am Verfassungsgericht. Es braucht aber Parteipolitiker, um diesen Prozess überhaupt in Gang zu setzen“, fordert Steinke.

Erneuter Pegasus-Angriff

Aus guten Gründen unterhält „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) ein „Digital Security Lab”, um Journalist:innen gegen Überwachung zu helfen. Fachleute haben erneut Pegasus-Spyware gefunden – diesmal auf den Mobiltelefonen der togoischen Reporter Loïc Lawson und Anani Sossou. Die zwei Journalisten waren wohl Ziel eines Spionage-Angriffs. Pegasus ist eine der leistungsfähigsten Spionagesoftwares der Welt.

The Runaway Princesses

Der Herrscher von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum, ist einer der reichsten Männer der Welt und wurde in der Vergangenheit für die Modernisierung der Vereinigten Arabischen Emirate gefeiert. Er kündigte an, „alle Hürden für Frauen zu beseitigen“. Doch für seine Tochter Latifa war Dubai im wahrsten Sinne ein Gefängnis. Die Podcast-Serie „The Runaway Princesses“ des New Yorker erzählt in vier Teilen, wie und warum die Tochter des Emirs von Dubai unter Lebensgefahr aus den Fängen ihres Vaters flüchtete.

Eigenanzeige

Aus dem Netzwerk Recherche

„Wahnsinn. Eine Riesenscheiße”

Ignoranz, Kompetenzgerangel, verratene Ortskräfte: Einblicke in Geheimpapiere zeigen erstmals das ganze Ausmaß des Versagens rund um den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Diese Recherche (€) des freien Investigativjournalisten Christian Schweppe (erschienen in der ZEIT) hatte Netzwerk Recherche mit einem Recherchestipendium gefördert.

NR-insights zur Geheimplan-Recherche

Correctiv hat mit seinen Enthüllungen zu einem Geheimtreffen von Neonazis, einflussreichen AfD-Politikern, CDU-Mitgliedern und rechtsextremen Unternehmern deutschlandweite Demonstrationen gegen Rechtsextremismus ausgelöst. In unserem NR-insights sprechen wir mit Justus von Daniels, Anette Dowideit und Jonathan Sachse über die umfangreichen Vorbereitungen dieser Recherche, rechtlichen Überlegungen und moralischen Abwägungen. Wie findet man Quellen im rechtsradikalen Spektrum? Welche weiteren Folgen können aus dieser Recherche noch erwachsen? Welche Rolle spielten Lokaljournalist:innen nach der Veröffentlichung? Und wie gehen sie um mit Anfeindungen aus dem rechtsextremen Milieu?

Strafrechtsreform zur Abschaffung von § 353d Nr. 3 StGB

Gegen Gegen FragDenStaat-Chefredakteur Arne Semsrott wird ermittelt. Im August erschienen bei FragDenStaat Dokumente aus laufenden Verfahren gegen die „Letzte Generation“. Grundlage der Ermittlungen ist § 353d Nr. 3 StGB, gemäß dem Dokumente aus laufenden Gerichtsverfahren nicht im Wortlaut publiziert werden dürfen. Mit zahlreichen anderen Organisationen fordern wir in einer Stellungnahme, den Strafrechtsparagraphen § 353d Nr. 3 abzuschaffen.

Jahreskonferenz: Neuer Rekord beim CfP

230 Einreichungen für unsere Jahreskonferenz haben uns über den Call for Participation erreicht – das sind 12 Prozent mehr als letztes Jahr und somit ein neuer Rekord. Vielen Dank für die zahlreichen Ideen und Vorschläge, wir sichten und bewerten jetzt alle Einreichungen und geben voraussichtlich im März 2024 einen Rückmeldung. Aus den Vorschlägen und unseren Ideen gestalten wir dann wieder ein Programm von Journalist:innen für Journalist:innen. Der Ticketverkauf startet voraussichtlich Anfang Februar.

Freilassung unserer Leuchtturm-Preisträgerinnen

Am 14. Januar sind unserer Leuchtturm-Preisträgerinnen Elahe Mohammadi und Nilufar Hamedi gegen Kaution auf Bewährung aus dem iranischen Evin-Gefängnis entlassen worden. Die Erleichterung darüber wurde jedoch bereits am nächsten Tag geschmälert, als bekannt wurde, dass die Justiz mit einem neuen Verfahren gegen sie vorgehen will.

The Journalism Value Loop: Journalismus in Ungarn

Arbeiten unter ständiger Überwachung – darüber berichtet der ungarische Investigativjournalist Szabolcs Panyi (Direkt 36) in der neuen Podcastfolge von „The Journalism Value Loop“. Bis zum 31. Januar könnt ihr übrigens noch an der großen Befragung zu unabhängigen Medien in Europa teilnehmen (und dabei zusätzlich Tickets für die Dataharvest 2024 gewinnen)!

Nachrichten

„Privatsphäre oder Überwachung“

Eine Koalition von datenschutzfreundlichen Unternehmen in Europa ruft die Innen-, Justiz- und Wirtschaftsminister:innen aller EU-Länder in einem offenen Brief auf, das Recht auf Privatsphäre zu verteidigen. Nach den Plänen der belgischen Ratspräsidentschaft sollen die Innenminister:innen der EU-Länder im März über die Einführung eines verpflichtenden clientseitigen Scannings aller Chat- und E-Mail-Nachrichten abstimmen. „Kurz vor Beginn des Trilogs müssen sich die EU-Mitgliedstaaten entscheiden, auf welcher Seite sie stehen: Privatsphäre oder Überwachung“, heißt es im Brief.

Studie zu Freien im Journalismus

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) wollen in einer Studie die Rahmenbedingungen von Freien in der Kultur- und Kreativbranche erforschen. Auch die wirtschaftliche und soziale Lage von freien Journalist:innen ist Teil der Studie.

Zukunftsrat stellt Empfehlungen für ARD und ZDF vor

Der Zukunftsrat für ARD und ZDF hat seine Empfehlungen für die Reform des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks vorgestellt. Das Gremium wurde im vergangenen März, u.a. wegen des Skandals beim rbb, von der Rundfunkkommission der Bundesländer eingesetzt. Im Bericht werden tiefgreifende Änderungen vorgeschlagen. So soll der Rundfunkbeitrag an einen Index, wie die Inflation, gekoppelt werden.

Veranstaltungen, Preise & Stipendien

A European public sphere: Angebot für junge Europäer:innen

Die Europäische Kommission will Medienangebote für junge Menschen fördern. Mit einem Gesamtbudget von 9 Millionen Euro bietet „A European public sphere” Medienorganisationen und gemeinnützigen (Jugend-)Organisationen die Möglichkeit, cross-border Projekte umzusetzen. Das Projekt will jungen Menschen die EU näher bringen und europäische Online-Nachrichten in verschiedenen Sprachen niederschwelliger gestalten. Zusammenarbeiten sollten hierfür mindestens fünf Organisationen aus fünf EU-Mitgliedstaaten. Mehr Infos gibt es hier. Bewerbungsfrist ist der 29. Januar 2024.

Investigative Journalism for Europe: Millionen für Recherchen

Der Investigative Journalism for Europe fund (IJ4EU) möchte „Kooperationen anregen, die sonst unmöglich wären.“ Die fünfte Ausgabe von IJ4EU bietet insgesamt 2 Millionen Euro an Zuschüssen und ist offen für mehr Länder denn je. Für den Fund können sich cross-border Teams bewerben, die in mindestens zwei EU-Ländern tätig sind (außerdem zählen die Nicht-EU-Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Island, Liechtenstein, Montenegro, Nordmazedonien, Norwegen, Serbien und die Ukraine dazu). Im Rahmen des Programms erhalten geförderte Medien finanzielle Unterstützung, Fortbildungen, Vernetzungsmöglichkeiten und Rechtshilfe. Insgesamt gibt es zwei Programme und drei Programmrunden. Die jetzige Bewerbungsfrist endet am 1. Februar 2024.

Nina-Grunenberg-Fellowship für Bildungsjournalismus

Du interessierst dich für Bildungspolitik und Journalismus? Dann bewirb dich um das Nina-Grunenberg-Fellowship von Publix. In zwei 14-tägigen Blöcken (6. bis 17. Mai 2024 und 4. bis 15. November 2024 in Berlin, Hamburg und weiteren Städten) bietet das Fellowship Vernetzungs- und Recherchemöglichkeiten sowie Einblicke in das deutsche Schulsystem, in Landes- und Bundespolitik, die Verwaltung und die Wissenschaft. Es ermöglicht Austausch mit Schulen, Redaktionen, Bildungseinrichtungen und politischen Institutionen. Das Fellowship umfasst die Reise- und Übernachtungskosten sowie einen  Gehaltsausgleich in Höhe von maximal 3.500 Euro. Bewerbungsschluss ist der 9. Februar 2024.

Deutsche Gesellschaft für Ernährung vergibt Journalismus-Preis

Journalist:innen, die im Jahr 2023 zum Thema (nachhaltige) Ernährung gearbeitet haben, können sich für den Journalisten-Preis 2024 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bewerben. Zugelassen sind feste und Journalist:innen sowie Redaktionsteams aus allen Medienbereichen, die zwischen dem 1. Januar und 31. Dezember zum Thema publiziert haben. Der Preis ist mit 2.000 Euro pro Kategorie (Tages- und Wochenzeitungen; Publikumszeitschriften; Hörfunk und Podcast; Filmbeiträge; Internet und Social Media) dotiert. Bewerbungsschluss ist der 15. Februar 2024.

Journalistinnenbund vergibt Medienpreise

Der Journalistinnenbund hat die Bewerbungsphase für zwei Preise gestartet. Der Nachwuchspreis, benannt nach seiner Stifterin, der langjährigen jb-Geschäftsführerin Marlies Hesse, wurde seit 2002 über zwanzig Mal verliehen. Der Courage-Preis wurde 2016 ins Leben gerufen, um auch Frauen in der Mitte ihres Berufslebens für engagierte, aktuelle Berichterstattung auszeichnen zu können. Wer einen besonderen Blick für Themen von gesellschaftlicher Relevanz hat oder eine gendersensible Perspektive einnimmt, kann sich – unabhängig von Medium und Genre – auf einen der beiden Preise bewerben. Bewerbungsschluss ist der 31. März 2024.

Fortbildungen

Zum Schluss

Proteste gegen Rechtsextremismus

Hunderttausende Menschen sind am Wochenende als Reaktion auf die Correctiv-Recherchen auf die Straße gegangen. In Berlin beispielsweise waren am Sonntag etwa 100.000 Menschen zum Protest gegen die AfD und Rechtsextremismus zusammengekommen.

Foto: Christian Esser