Recherchieren wie die Maden im Speck?

Die Journalistenorganisation Netzwerk Recherche übt angesichts der jüngsten Berichterstattung in der “Welt am Sonntag” scharfe Kritik an Luxusreisen von Wirtschaftsjournalisten auf Firmenkosten.

Nach Ansicht von Netzwerk Recherche e.V. darf es derartig klebrige Einladungen genauso wenig geben, wie Journalisten, die sie annehmen, und Medienhäuser, die das Ganze tolerieren. “Die Reiseangebote von ThyssenKrupp setzen den Journalismus in den Generalverdacht der Käuflichkeit”, sagt Oliver Schröm, Vorsitzender von Netzwerk Recherche. “ThyssenKrupp und die betroffenen Medienhäuser sind aufgefordert, eventuelle Verstöße gegen Verhaltensrichtlinien in ihren eigenen Reihen öffentlich zu machen und entsprechende Konsequenzen zu ziehen”, so Schröm. 

Die “Welt am Sonntag” hatte in ihrer aktuellen Ausgabe über Luxusreisen, geschenkte Hotelübernachtungen und Safaris für Journalisten auf Kosten des Stahlkonzerns ThyssenKrupp berichtet. Das Pikante daran: Der Ruhrkonzern hatte ausgerechnet jene Journalisten nach China und Südafrika eingeladen, die von Berufs wegen über ThyssenKrupp berichten. Damit entsteht der Eindruck, ThyssenKrupp habe in einer für das Unternehmen kritischen Zeit versucht, eine wohlwollende Berichterstattung gezielt bei Fachkorrespondenten einkaufen zu wollen.

Nach Ansicht von Netzwerk Recherche beschreibt der aktuell aufgedeckte Missstand allerdings keinen Einzelfall. Immer häufiger würden Medienhäuser auf zweifelhafte Angebote von Unternehmen eingehen und Journalisten auf bezahlte Reisen schicken, um eigene Etats zu entlasten. Mit diesem “Made im Speck”-Verhalten würden die betroffenen Medienhäuser sogar bewusst Verstöße gegen eigene Verhaltensleitlinien hinnehmen. Geldmangel könne aber kein Grund sein, derartig zweifelhafte Einladungen zu akzeptieren. “Unabhängiger Journalismus kann nur unabhängig finanziert werden.” Die ethischen Standards des Journalismus, wie sie im Medienkodex des Netzwerk Recherche, aber auch in den Verhaltensleitlinien etlicher Medienhäuser formuliert sind, müssen Maßstab der eigenen Arbeit sein. Sie müssen ernst genommen werden. “Das Netzwerk Recherche wird sich der Sache annehmen.”

Netzwerk Recherche e.V. fordert von Verlagen, Rundfunkanstalten und Medienhäuser geeignete Maßnahmen, um die Missstände dauerhaft zu beenden.

Hintergrund: Netzwerk Recherche e.V. ist der Verein investigativer Journalisten in Deutschland und hat rund 600 Mitglieder aus allen Bereichen der Medien. Zu seinen Aufgaben gehört es, Recherche in Deutschland zu fördern. Netzwerk Recherche wendet sich seit mehr als zehn Jahren gegen die Annahme von Vergünstigungen wie Presserabatte für Journalisten, betont die Unvereinbarkeit von Journalismus und PR und fördert die journalistischen Recherche mit Tagungen, Publikationen und Stipendien in Deutschland. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Berlin wird geleitet von Oliver Schröm (“stern”) und Markus Grill (“Spiegel”).