Journalistik-Studierende der TU Dortmund stellen ausgewählte Referent:innen der NR24 vor: Louisa Schneider

„Was bei mir wie ein Kipppunkt gewesen ist, war die Ahrtal-Flut 2021. Das Ahrtal ist bei mir wie im Hintergarten“, sagt Louisa Schneider. „Die Klimakrise ist nicht irgendwann und irgendwo, die ist jetzt und hier“. Diese Erkenntnis hat sie für die Arbeit als freie Klimajournalistin motiviert. „Mich ziehen die negativen Ereignisse nicht runter, sondern sie bestärken mich, etwas dagegen zu tun.“

Sie erinnert sich noch gut daran, als der Klimawandel für sie noch weit weg erschien und mit negativen Emotionen verbunden war. „Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, dass Klimajournalismus pfiffig, schnell und gut verdaulich ist“, sagt die 25-Jährige heute. In ihrem Profil bei LinkedIn schreibt sie „Klimaschutz, but make it sexy“. Damit will sie aussagen, dass Journalist*innen heute mit anderen Tools an das Thema heran gehen müssen, um es für das Publikum aufzubereiten. „Vor ein paar Jahren hatte man immer noch dieses Ökotante-Bild im Kopf“, erzählt Louisa Schneider. „Da muss jedoch ein Mensch her aus der bürgerlichen Mitte. Jung, kreativ, hedonistisch“.

Gemeinsam mit Greenpeace hat sie das Projekt „Grad.jetzt – Wo Klima und Ökosysteme kippen“ ins Leben gerufen. In dem Multimedia-Projekt zeigen sie am Beispiel von fünf Klimakipppunkten, wie gefährdet das Klimasystem ist. Dafür reiste Louisa Schneider mit dem Fotografen Markus Mauthe in den Senegal, wo das Ökosystem aus der Balance gerät, in die Wälder Kanadas, die zunehmend von Bränden betroffen sind, nach Grönland, wo das Eis schmilzt, zum Pazifik, wo die Korallenriffe absterben, und in den tropischen Regenwald, der immer weiter abgeholzt wird. Diese fünf Gebiete verbindet, dass sie 1,5 Grad zu warm sind und somit den kritischen Wert überschritten haben. Wie die Folgen aussehen und wie sie sich anfühlen, versuchen Mauthe und Schneider in dem Projekt sichtbar zu machen.

Stell Dir vor, Du stehst mitten im brasilianischen Regenwald, in den Bränden, drückende Hitze, es fällt der nächste Baum um, Wildschweinfamilien laufen aus dem Wald und es fliegen brennende Vögel am Himmel – das ist kein Kapitel aus einer Dystopie, sondern das hat Louisa Schneider erlebt. „Es brennt bildlich gesehen an allen Ecken der Welt und daher will ich das Löschwasser rausholen und helfen“, sagt sie. Mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen: auf Social Media, im Freundeskreis, in der Familie, auf Bühnen, auf der Straße, überall dort aktiv werden, wo es nur geht.

Und das, obwohl die Arbeit für sie selbst manchmal schwer wird. „Ich glaube, ich bin noch nie so stark an meine Grenzen gekommen, sowohl emotional, körperlich als auch mental“, berichtet sie und spielt dabei auf ihre Reise in den Senegal an. „Wir waren in einem Geflüchtetenlager, aber nicht für Geflüchtete aus Kriegszonen, sondern weil dort Naturgewalten ganz anders auf das Land einsprechen und sich die Menschen viel weniger schützen können“, sagt sie. Für die Menschen dort sei es wie ein Teufelskreis, aus dem sie aus eigener Kraft gar nicht ausbrechen können.

Dabei ist Louisa Schneider auch die politische Dimension wichtig, sie thematisiert auf Social Media die Gesetzeslage, die den Kampf gegen den Klimawandel erschwert. Dabei kritisiert sie beispielsweise die Arbeitsweise der fossilen Industrie, da diese einen hohen Einfluss auf die Klimapolitik hat. Ihre Arbeit trennt sie vom Aktivismus, indem sie sich durch Quellen und Fakten absichert. „Wenn ich einfach nur Louisa bin, habe ich aber auch natürlich meine eigene Meinung und ziehe Rückschlüsse durch die Erfahrungen, die ich mache“, sagt sie und teilt diese persönlichen Einblicke auf ihrem Social-Media-Kanal. Dabei ist ihr jedoch immer bewusst, in welcher Rolle sie auftritt und wofür sie einsteht.

„Es gibt keine Wissenschaft, die dauerhaft so stark in der Kritik ist und angezweifelt wird wie der Klimaschutz“, schildert sie und teilt ihr Unverständnis dafür auch mit ihrem Publikum. Die Berichterstattung löse vor allem Emotionen wie Wut, Trauer und Schuldgefühle aus. „Ich möchte mit meiner Arbeit auf positive Emotionen abzielen, dass man Hoffnung daraus schöpft, dass es nicht zu spät ist“, sagt Louisa Schneider.

Um ihre Botschaft zu transportieren, hat sie ihre Reise und ihre Erfahrungen in einem Buch mit dem Titel „Grad° jetzt: Gegen die Angst“ zusammengefasst, um anderen Mut zu machen. Denn Louisa Schneider ist davon überzeugt, dass wir alle zu einem Kipppunkt unserer selbst werden können für positive und soziale Gerechtigkeit.

Bei der Netzwerk Recherche Jahreskonferenz wird Louisa Schneider in der Session „Against all odds: Klimajournalismus auf Instagram und Tiktok“ am 20. Juli sprechen. Gemeinsam mit der Klimajournalistin und Hosterin des Podcast „Climate Gossip“, Samira El Hattab, und der Klimajournalistin und Gründerin des Digitalverlags MedyaN, Nalan Sipar, spricht sie über Klimajournalismus in den sozialen Medien.

von Antonia Marquardt (TU Dortmund)