Von Cordelia Marsch, JONA

Ein Pakt mit dem Teufel, so sehen Kritiker die Zusammenarbeit von Verlagen mit den amerikanischen Internet-Konzernen Facebook und Google. Doch sollte man deshalb die Finger davon lassen? Das Podium auf der nr-Jahreskonferenz war sich erstaunlich einig: Nein! „Wir wissen nicht, ob es funktioniert, aber wir müssen eine Kooperation ausprobieren“, sagte Torsten Beeck, Leiter der Social-Media-Abteilung des Spiegel.

Jakob Augstein, Chefredakteur des Freitags, pflichtete ihm bei: Ja, es gebe Risiken, aber die Verlage hätten keine Wahl – die Digitalisierung sei zu präsent, als dass man sich ihr versperren könne. Sicher, man könne die Zeitungen auch an den Kiosk liefern. Von dort kämen sie aber gebündelt in die Redaktionen zurück, denn die Leser warteten woanders. Vor allem erreiche man sie heute über Facebook und Google.

Schon immer habe der Journalismus zwei Märkte bedient, so Augstein: den Leser- und den Anzeigenmarkt. Das Risiko der Korrumpierbarkeit sei also nichts Neues, sondern schon immer ein wunder Punkt im Journalismus.

Die Anzeigenerlöse der Verlage brechen seit Jahren ein, viele geraten in finanzielle Not. Google und Facebook erscheinen vielen da als Retter.

Seit Mai läuft eine Testphase für die sogenannten „instant articles“ auf Facebook, die bislang nur auf iPhones abrufbar sind. Das Prinzip: Artikel, die zum Beispiel von Spiegel Online stammen, müssen nicht mehr extern aufgerufen werden, sondern sind in Facebook mit eingebettet. Der Artikel ist für den User laut Facebook bis zu zehn Mal schneller verfügbar, also in weniger als einer Sekunde – das soll ihn auf Facebook halten, denn lange Ladezeiten vergraulen viele.

Der Vorteil, der sich daraus für Facebook ergibt, ist klar: Facebook verliert seine Nutzer nicht mehr an eine Homepage, auf die ihn ein externer Link weiterleiten würde. Außerdem bekommt die Plattform qualitativ hochwertigen Content kostenlos von den Verlagen.

„Wir werden die Hoheit über unsere Inhalte behalten“

­Schon 2013 kündigte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg an, er wolle sein soziales Netzwerk zur besten personalisierten Zeitung der Welt machen – mit den instant articles ist er seinem Ziel ein Stückchen näher gekommen.

Und welchen Vorteil soll das für die Verlage haben? Torsten Beeck vom Spiegel nannte zwei Schlagworte: Reichweite und Monetarisierung. „Wir werden die Hoheit über unsere Artikel behalten“, versicherte er. Es gehe ihm und dem Spiegel darum, die Leser und Kunden glücklich zu machen und sie da abzuholen, wo sie seien – das sind eben nicht mehr der Kiosk und auch nicht die Homepages. Die Zukunft liegt im mobilen Internet.

Die Verlage wollen Googles und Facebooks Reichweite nutzen, um mehr Anzeigen generieren zu können, zum anderen werden sie bei den instant articles zusätzlich von Facebook an den Werbeeinnahmen beteiligt.

Doch was für Gefahren lauern in diesen Kooperationen? Beeck weiß auch, dass die Markentreue abgenommen hat und mit Facebook und Google weiter abnehmen wird. Doch nicht nur das: Auch die Erkennbarkeit und die Identität einer Marke könnten unter den neuen Vermarktungsstrategien leiden, befürchtet Augstein. „Wir müssen mitmachen, aber wir müssen auch darüber diskutieren, was diese Kooperation für die Verlage und die journalistische Unabhängigkeit bedeutet.“

Facebook verändert zwar nichts an den Inhalten, publiziert die Artikel aber sehr wohl nach den eigenen Richtlinien. Schafft es ein Artikel nicht in die instant articles, kann er aber natürlich wie bislang vom Medium selbst gepostet werden.

„Get your shit together!“

Gerrit Rabenstein von Google. Foto: Wulf Rohwedder

Gerrit Rabenstein von Google. Foto: Wulf Rohwedder

Es gehe jetzt um das Ausprobieren, sagt Gerrit Rabenstein von Google. Seit 20 Jahren kündige sich diese Entwicklung an, dass Journalismus immer mehr auch im Netz stattfinde. Jetzt gehe es darum, „nach vorne zu gehen – get your shit together!“

Im September startet offiziell die „Digital Native Initiative“ (DNI) von Google. Die Initiative will unter anderem Innovationen im digitalen Journalismus fördern, durch Funds, Trainings und Produktentwicklungen. Auch hier wird der Spiegel dabei sein.

Der Spiegel sei eines der Blätter, das großen Spaß am Ausprobieren habe, sagt Torsten Beeck. Er betont mehrmals, dass er nicht wisse, ob die instant articles und die Kooperation mit Google, vielleicht auch eine zukünftige mit Apple, gut für das Unternehmen seien. Es sei eben ein Lernprozess.

Es gebe momentan viel Ratlosigkeit und Angst in der Medienbranche: Journalisten, „die die Entwicklung umarmen und mitmachen wollen, und die, die im stillen Kämmerlein sitzen und warten, bis es vorbei ist“. Beeck will zu Ersteren gehören. Er freut sich über die Zusammenarbeit mit den Konzernen, weil man erkannt habe, dass es gute Inhalte auf den Plattformen brauche. Eine Win-Win-Situation also?

Ob die Wünsche nach mehr Reichweite und einem stärkeren Nutzungserlebnis erfüllt werden, wird man sehen. Beeck ist sich jedenfalls sicher, dass auch Facebook und Google großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Verlagen haben – und schätzt deshalb das Risiko als gering ein, dass die Konzerne ihre Rahmenbedingungen plötzlich ändern, Inhalte verändern oder gar streichen könnten. Und falls doch, so gebe es zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, die Zusammenarbeit aufzukündigen.