In der Diskussion um die Autorisierung von Interviews kamen vier Referenten mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen zusammen. Ihre gemeinsame Aussage: Es gibt kein eindeutiges Ja oder Nein zum Thema Autorisieren, sondern man muss je nach Situation differenzieren.

Der stellvertretende Spiegel-Chefredakteur Martin Doerry berichtete, dass sein Magazin bei Interviews mit Politikern immer eine Alternativ-Geschichte auf Vorrat habe. Man müsse Gespräche auch wegwerfen können, wenn sie durch die Autorisierung zu sehr verwässert würden. Zuweilen informiere der Spiegel auch seine Leser, wenn jemand nachträglich Aussagen zurücknimmt. Je renommierter die Interviewpartner, desto schwieriger gestalte sich meist die Autorisierung.

Monika Bäuerlein vom amerikanischen Magazin Mother Jones erzählte, dass sich auch in den USA die Autorisierung von Zitaten immer mehr durchgesetzt habe. Dabei sei eine solche Praxis früher undenkbar gewesen; jetzt lasse sie sich jedoch nicht mehr zurücknehmen. Bei Mother Jones werden lediglich die Fakten mit dem Interviewten noch einmal durchgesprochen, die Kontrolle über die Zitate bleibt beim Journalisten.

Dass sich die rechtliche Situation von Fall zu Fall unterscheide, betonte Journalismusforscher Michael Haller. Wenn der Gesprächspartner im Interview eine Autorisierung erbitte, sei das Bestandteil der Vereinbarung. Im Nachhinein könne das Recht zur Autorisierung nicht mehr eingefordert werden. Martin Doerry schränkte ein, dass man sich auf diese rechtliche Position schwer zurückziehen könne, wenn man anschließend weiter mit dem Interviewten zusammenarbeiten müsse.

Beim Fernsehen habe er es insofern leichter, dass Aussagen vor der Kamera kaum zurückgenommen werden könnten, sagte Stephan Lamby von der Hamburger Produktionsfirma Eco Media. Dafür erlebt er den Nachteil, dass die Zustimmung für ein TV-Interview oft schwieriger einzuholen und eine sehr lange Vorlaufzeit von bis zu einem Jahr für die Planung nötig sei. Er erlaube es Gesprächspartnern nie, den ganzen Film abzunehmen. Nachdem er Helmut Kohl 2003 mehrere Tage lang interviewt hatte, wollte der Altkanzler den Film vor Veröffentlichung sehen. „Dann wäre der Film entwertet – und Sie auch“, habe er Kohl geantwortet und ihn damit überzeugt.

Nur in Ausnahmefällen zeige Lamby seinen Protagonisten einzelne Ausschnitte vor der Veröffentlichung, nämlich wenn sie sich wegen brisanter Aussagen eine Klage einhandeln könnten.

Für die tägliche Praxis empfiehlt Michael Haller, sich vor dem Interview zu fragen: „In welcher Rolle befrage ich wen zu was?“ Zwischen einem sachorientierten und einem Meinungsinterview bestünden große Unterschiede. Bei einem faktenbetonten Experteninterview könne die Autorisierung den Journalisten sogar vor falsch verkürzten Aussagen schützen.

Aus dem Publikum kam die Anmerkung, dass Tonbandaufzeichnungen zu selten gemacht würden, obwohl sie eine wichtige Grundlage für nachträgliche Diskussionen um Aussagen sein können. „Wir dürfen nicht aus Faulheit autorisieren lassen“, mahnte eine Zuhörerin. Auch Moderator Tom Schuler sah das so und zog das Fazit: „Es darf nicht zur schlechten Gewohnheit werden, dem Pressesprecher automatisch das fertige Interview zu schicken.“