Unter "Informationsfreiheit" versteht man das Prinzip, dass die Unterlagen und Daten öffentlicher Stellen im Regelfall für jede*n Bürger*in zugänglich sind. Lange galt der Grundsatz, dass Informationen der Verwaltung nur im Ausnahmefall weitergegeben werden, z. B. wenn die Antragsteller*innen Akteneinsicht in eigener Sache begehren.
Das IFG kehrt die Beweislast um
Ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) dagegen schafft einen Informationsanspruch, unabhängig von der direkten Betroffenheit und ohne dass ein solcher Antrag begründet werden muss. Nicht mehr die Antragsteller*innen müssen ihren Informationsanspruch begründen, sondern die Ämter oder Behörden müssen darlegen, warum sie im Ausnahmefall etwas nicht herausgeben können, weil z.B. der Datenschutz dem entgegensteht oder der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
Die meisten Menschen erfragen Dinge aus ihrem Wohnumfeld oder Interessensgebiet
Die Erfahrungen in den Bundesländern zeigen, dass die meisten Bürger*innen die Transparenzverpflichtung nutzen, um ganz naheliegende Dinge aus ihrem Wohnumfeld oder Interessengebiet zu erfragen: So kann man per Akteneinsicht oder durch eine schriftliche Auskunft (Aktenkopien) z.B. erfahren, was die Brandschutzbegehung im Kindergarten um die Ecke ergeben hat, wie die jüngste Verkehrszählung ausgefallen ist, oder was bei der Lebensmittelkontrolle gefunden wurde. Die befürchtete „Antragsflut" und zusätzliche Bürokratie ist nirgendwo eingetreten. Im Gegenteil: Das Mehr an Demokratie, das mit einer bürgernahen und offenen Verwaltung einhergeht, wurde mit dem IFG „günstig eingekauft", so der ehemalige Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Fritz Behrens, über die Praxiserfahrungen auf Länderebene.
Auf Bundesebene kam der Versuch, ein IFG einzuführen, lange nicht voran: Obwohl dieses Reformprojekt in den Koalitionsverträgen von 1998 und 2002 enthalten ist, scheiterte schon die Vorlage eines abgestimmten Gesetzentwurfes an Widerständen aus der Ministerialbürokratie und der Wirtschaft.
Zentrale Punkte des IFG-Gesetzentwurfs
Bisher gilt in Deutschland das Prinzip des Amtsgeheimnisses. Danach haben Behördeninformationen internen Charakter, sofern sie nicht aufgrund besonderer Regelungen zugänglich sind. Durch das Informationsfreiheitsgesetz wird die Öffentlichkeit von Informationen bei staatlichen Stellen zur Regel und die Verweigerung des Zugangs zu Informationen die begründungsbedürftige Ausnahme. Diese Öffentlichkeit macht die Verwaltung transparenter und beugt Korruption vor.
Zu diesem Zweck wird ein weit gefasster Anspruch auf Zugang zu Informationen konstituiert. Jeder Person und Organisation steht dieser Anspruch als subjektives Recht zu.Der Nachweis eines Interesses oder sonst eine Begründung des Anspruches ist nicht erforderlich.
Die Verpflichtung, Zugang zu Informationen zu gewährleisten, trifft alle öffentlichen Stellen des Bundes einschließlich solcher Privater, auf die der Bund Einfluss nehmen kann. Ausgenommen sind nur der Bundestag als Gesetzgeber sowie die Gerichte und sonstige Stellen, die in richterlicher Unabhängigkeit handeln.
Der erforderliche Schutz gewisser öffentlicher Interessen und privater Rechte wird gewährleistet. Regelungstechnisch wird der – international verankerte – Ansatz der „eng begrenzten, genau bestimmten" Ausnahmen zu Grunde gelegt. Das höchste Schutzniveau gilt für personenbezogene Informationen. Auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden einschließlich der Rechte am geistigen Eigentum streng geschützt. Die Ermittlungstätigkeiten von Polizei und Ordnungskräften sowie ein Kernbereich des behördlichen Entscheidungsprozesses behalten einen angemessenen Schutz. Das Informationsfreiheitsrecht vermittelt vor allem einen Rechtsanspruch der Bürger*innen gegenüber dem Staat. Entsprechend sind die Ausnahmeklauseln zum Schutz öffentlicher Interessen besonders eng gefasst.
Ohne strenge Verfahrensregelungen kann ein Informationszugangsrecht nicht wirksam werden. Der Gesetzentwurf trifft solche Regelungen in knapper und auch für die Allgemeinheit verständlichen Form. Es gelten enge Fristen für den Informationszugang. Antragsteller*innen haben die Wahl hinsichtlich der Form des Informationszugangs (Auskunft, Einsicht in Unterlagen, Überlassung von Kopien). Bei teilweiser Unzugänglichkeit von Informationen müssen Restinformationen zugänglich bleiben.
Die Kosten für den Informationszugang werden bewusst niedrig angesetzt. Erstattet werden muss höchstens der Materialaufwand, nicht der Arbeitsaufwand öffentlicher Stellen.
Der Gesetzentwurf trägt der steigenden Nutzung elektronischer Medien, insbesondere des Internets, Rechnung. Als Anreiz, die Verwaltung auf die Informationsgesellschaft vorzubereiten, sieht der Gesetzentwurf vor, dass individuelle Auskunftspflichten staatlicher Stellen entfallen, wenn diese auf einschlägige Veröffentlichungen im Internet verweisen können. Der Gesetzentwurf beschreibt außerdem einen Kernbestand an Informationen, die im Internet veröffentlicht werden müssen.
Das gerichtliche Verfahren im Streit um den Zugang zu Informationen weist viele Eigenheiten auf, die eine Anpassung des geltenden Rechtsschutzsystems erforderlich machen. Der Gesetzentwurf verfolgt eine „mittlere" Linie: Ergänzend zum gerichtlichen Rechtsschutz erhält der Bundesbeauftragte für Datenschutz die Rechte und Pflichten eines Informationsfreiheitsbeauftragten.
Erfahrungen in anderen Bundesländern haben gezeigt, dass dies nicht nur die Gerichte entlastet, sondern in hohem Maße dazu beiträgt, den betroffenen Bürger*innen rasch und unbürokratisch zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Verwaltungsgerichtsordnung wird angepasst, damit Prozesse um Informationszugangsrechte zügig und kostengünstig durchgeführt werden können. Insbesondere wird der Rechtsweg schon dann eröffnet, wenn die öffentliche Stelle auf einen Antrag nicht rechtzeitig reagiert.
Die Erfahrungen mit dem Gesetz sollen, teilweise als Statistiken, festgehalten werden, um insbesondere einen Verbesserungsbedarf für die Zukunft ausloten zu können.
Das Gesetz definiert einen Mindeststandard der Zugänglichkeit von Informationen. Andere Gesetze können einen weitergehenden Informationszugang erlauben, weiter einschränken dürfen sie ihn nicht.
Um die Debatte über Informationsfreiheit zu beleben, hatten die Journalistenorganisationen Deutscher Journalisten-Verband, Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di und Netzwerk Recherche sowie die Nichtregierungsorganisation Transparency International und die Bürgerrechtsgruppe Humanistische Union einen eigenen gemeinsamen Vorschlag für ein modernes, bürger*innenfreundliches und weitreichendes Informationsfreiheitsgesetz präsentiert. Auch mit anderen Partner*innen, wie der Bertelsmann Stiftung und der Internet-Plattform pro-information.de, hat das Netzwerk bei der Öffentlichkeitsarbeit für ein IFG kooperiert. Wir sehen in einem solchen Gesetz einen wichtigen Schritt zur Stärkung der demokratischen Mitwirkungsrechte der Bürger*innen. Außerdem bauen wir auf einen Kulturwandel in Politik und Verwaltung, der durch dieses Gesetz angestoßen werden kann – hin zu mehr Transparenz und Bürger*innennähe. Für Journalist*innen verbessert das IFG die Recherchemöglichkeiten, vor allem indem Originaldokumente eingesehen werden können. Ferner trägt die Informationsfreiheit zur Korruptionsprävention bei, wie sich in den Staaten gezeigt hat, die auf eine lange Tradition der Behördentransparenz zurückblicken können.
Der Entwurf (PDF, 20 S., 771 KB) wurde im April 2004 vorgelegt von Netzwerk Recherche, Deutscher Journalisten-Verband, Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, Humanistische Union und Transparency International.
Ausführliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf von SPD und Grünen
Leider ist das in Kraft getretene IFG nicht so bürger*innenfreundlich ausgefallen, wie vom Netzwerk Recherche angestrebt wurde. Unsere Kritikpunkte an dem Gesetz sind der Stellungnahme zu entnehmen, die Netzwerk-Vertreter Dr. Manfred Redelfs im März 2005 im Namen des Bündnisses für Informationsfreiheit bei der Sachverständigenanhörung im Bundestagsinnenausschuss abgegeben hat.
Sachverständigenanhörung zum Informationsfreiheitsgesetz am 14.03.2005:
Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis90/Die Grünen