Recherchen aus Nigeria, Venezuela, Südafrika und Nordmazedonien gewinnen Global Shining Light Awards bei #GIJC23

 

Recherchen über illegalen Bergbau in Venezuela, organisierte Bandenkriminalität im Nordwesten Nigerias, Polizeibrutalität in Südafrika und COVID-19-Profiteure in Nordmazedonien wurden auf der 13. Global Investigative Journalism Conference (GIJC23) mit dem Global Shining Light Awards (GSLA) ausgezeichnet.

 

Für den Wettbewerb um die Global Shining Light Awards 2023 ging eine Rekordzahl von 419 Bewerbungen aus 84 Ländern ein.

 

Mit dem Preis zeichnet das Global Investigative Journalism Network (GIJN)  Watchdog-Journalismus in Entwicklungs- oder Schwellenländern aus, der unter Bedrohung oder unter gefährlichen Bedingungen entsteht. Der Award war offen für Einsendungen, die in den Jahren 2021 veröffentlicht oder ausgestrahlt wurden. Die Einsendungen, unter denen viele mutige Projekte mit investigativer Wirkung in pressefeindlicher Umgebung waren, waren so zahlreich, dass die Jury zwei weitere Projekte auszeichnete: Eine Reportage über ein Geheimgefängnis in Bangladesch und eine Recherche über Massengräber in der Ukraine.

 

In der Kategorie “Kleine und mittlere Medien” (für Organisationen mit bis zu 20 Mitarbeiter*innen, einschließlich freier Mitarbeiter*innen) gewannen zwei Projekte: Bad Blood vom Investigative Reporting Lab (Nordmazedonien) und Above the Law von Viewfinder (Südafrika). Auch in der Kategorie „Große Redaktionen“ teilen sich drei Projekte den Preis: The Bandit Warlords of Zamfara von BBC Africa Eye  (Nigeria) und Corredor Furtivo von Armando.Info (Venezuela) und El Pais (Spanien). GSLA Certificates of Excellence wurden an How Volunteers Buried Civilians en Mass in Izium von Radio Liberty/Schemes (Ukraine) und Secret Prisoners of Dhaka von Netra News (Bangladesch) verliehen.

 

Die Preisträger*innen des alle zwei Jahre vergebenen Preises wurden am Donnerstag, den 21. September im Rahmen einer Galaveranstaltung auf der GIJC23 in Göteborg, Schweden, bekannt gegeben. Die Preise wurden vom scheidenden GIJN-Exekutivdirektor David E. Kaplan und der stellvertretenden GIJN-Direktorin Gabriela Manuli überreicht.

Insgesamt gab es für den Wettbewerb um die Global Shining Light Awards 2023 eine Rekordzahl von 419 Bewerbungen aus 84 Ländern. Die Jury wählte die vier GSLA-Gewinner*innen und zwei Zertifikatspreisträger*innen aus einem Dutzend Finalist*innen aus 11 Ländern in den beiden Kategorien aus. Die Gewinner*innen erhalten jeweils eine Plakette und 2500 US-Dollar, die Preisträger*innen des Zertifikats erhalten eine Plakette und 1000 US-Dollar.

In der Jury saßen erfahrene investigative Redakteur*innen aus fünf Regionen der Welt: Sheila Coronel, Professorin für investigativen Journalismus an der Graduate School of Journalism der Columbia University, der ehemalige Investigativreporter des Guardian, David Leigh, der GIJN-Redakteur für Afrika, Benon Oluka, die bekannte mexikanische Journalistin Marcela Turati und der ukrainische Medienentwicklungstrainer Oleg Khomenok.

Die diesjährigen preisgekrönten Teams fokussierten Themen wie Gewalt und Straffreiheit, die Ausbeutung von COVID-19-Patient*innen oder versteckte Umweltverstöße – und recherchierten diese oft unter großer Gefahr.

„Die Gewinner*innen der Global Shining Light Awards bestärken uns in unserem Glauben, dass die Tradition des Muckraking selbst an den gefährlichsten und unwirtlichsten Orten lebendig bleibt“, so Juryvorsitzende Sheila Coronel. „Es ist eine gefährliche Zeit, um als Investigativjournalist*in tätig zu sein. Unsere Preisträger*innen haben gezeigt, dass mit Mut, Geschick und der Unterstützung von Bürger*innen eine bahnbrechende und wirkungsvolle Berichterstattung trotz großer Risiken möglich ist. Wir beglückwünschen die diesjährigen Preisträger*innen. Sie sind eine Inspiration für uns alle.“

 

GIJN-Direktor David Kaplan betonte: „Trotz aller Hindernisse, denen Watchdog-Journalist*innen ausgesetzt sind, leisten unsere Kolleg*innen außergewöhnliche Arbeit, selbst unter den schwierigsten Bedingungen“, sagte er. „Diese beeindruckenden Projekte zeigen, dass sich der investigative Journalismus vertreiben lässt. Im Gegenteil: Wir wachsen sogar und bringen mehr Licht in einige der schwierigsten Orte der Welt.“

Die Preisträger*innen konzentrierten sich in diesem Jahr auf Themen wie Gewalt und Straffreiheit, die Ausbeutung von COVID-19-Patienten oder versteckte Umweltverstöße – und recherchierten diese oft unter großer Gefahr.

Die preisgekrönten Ermittlungen zeigten eine große Vielfalt an Recherchemethoden, von Data-Mapping durch armando.info und der hartnäckigen Arbeit an Dokumenten durch das Investigative Reporting Lab, bis hin zu Einzelinterviews mit Milizen durch einen freien Mitarbeiter von BBC Africa Eye, der zum Interview durch widrige Gebiete mit dem Geländemotorrad fuhr.

Kategorie Kleine Medien

Gemeinsame Gewinner*innen

Bad BloodInvestigative Reporting Lab (Nordmazedonien)

Bild: Screenshot, YouTube, Investigative Reporting Lab

Team: Sashka Cvetkovska, Elena Mitrevska Cuckovska, Maja Jovanovska, Dajana Lazarevska, Lila Karatasheva, David Ilieski, Trifun Sitnikovski, Trajche Antonovski, Atanas Velkovski, Gorjan Atanasov, Mladen Pavleski, Vlatko Vladimirov, Luka Blazev, Denica Chadikovska, Martina Siljanovska, Sergej Sarchevski, Bojan Stojanovski, Aleksandra Denkovska und Ivana Nasteska.

In einer der ambitioniertesten COVID-19-Recherchen beschloss ein ausschließlich aus Frauen bestehendes Reporterinnenteam die mit dem Coronavirus zusammenhängenden Todesfälle, Behandlungen und Patient*innenabrechnungen in Nordmazedoniens prestigeträchtigsten Privatkrankenhaus zu untersuchen. Nach monatelangen Recherchen aus verschiedenen Richtungen fand das Investigative Reporting Lab (ein lokales Mitgliedszentrum des Organized Crime and Corruption Reporting Project) heraus, dass das Krankenhaus bei zahlreichen Patient*innen nicht genehmigte und unsichere Blutreinigungsbehandlungen durchgeführt hatte, während es gleichzeitig wichtige Patient*inneninformationen verheimlichte und Infektionsdaten manipuliert haben soll.

Auffallend war, dass sich die Reporterinnen nicht von der hohen technischen Komplexität der COVID-19-Behandlungen und einer Flut von obskuren medizinischen Ausreden der Krankenhausleitung abschrecken ließen. Die Reporterinnen und eine leitende Redakteurin wurden mit massiven Online-Belästigungen, sexistischen Verleumdungen und Morddrohungen attackiert. Ein Jurymitglied sagte: „Diese Story war wirkungsvoll – und die Art und Weise, wie die Kolleginnen bei ihrer Berichterstattung vorgingen, war hartnäckig und gut strukturiert.“

Ein anderer Juror fügte hinzu: „Ich glaube, einige Leute haben die Recherchen dieser Reporterinnen nicht allzu ernst genommen – doch sie haben es geschafft!”

Gemeinsame Gewinner*innen

Above the LawViewfinder (Südafrika) 

Bild: Screenshot, Viewfinder

Reporter: Daneel Knoetze

Wie bei vielen investigativen Geschichten, die eine nachhaltige Wirkung erzielen, steht auch bei dieser Arbeit das institutionelle Versagen und nicht das Fehlverhalten einzelner Beamter im Mittelpunkt. Diese mehrjährige investigative Serie deckt einen erschreckenden Mangel an Verantwortlichkeit für südafrikanische Polizeibeamt*innen auf, die in Verbrechen wie Vergewaltigung, Folter, Körperverletzung und sogar Mord verwickelt waren – sowie ein System, das es abtrünnigen Polizist*innen ermöglicht, erneut straffällig zu werden. Auch Einzelpersonen werden in der Recherche benannt, trotz der ständigen Gefahr von Repression. Bemerkenswert ist, dass Viewfinder – eine kleine gemeinnützige Nachrichtenorganisation – auch eine einzigartige, leicht zugängliche öffentliche Datenbank mit Zehntausenden von registrierten Beschwerden über polizeiliches Fehlverhalten erstellt hat. Ein Jurymitglied dazu: „Die Recherche ist sehr gründlich und die Erzählweise ist gut. In jedem zweiten Satz findet man einen Link zu Belegen, die der Reporter zur Verfügung stellt – alle Arten von Dokumenten.“

Exzellenz-Auszeichnung

Secret Prisoners of DhakaNetra News (Bangladesch)

Bild: Screenshot, YouTube, Netra News

Team: Vier Journalist*innen, die aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden können, neben Tasneem Khalil, Nazmul Ahasan, Zulkarnain Saer Khan und David Bergman

In einer kritischen Watchdog-Recherche hat Netra News – eine gemeinnützige Exilredaktion für das bangladeschische Publikum mit Sitz in Schweden – die Existenz eines geheimen Gefangenenlagers aufgedeckt, in dem eine Vielzahl von Dissident*innen und Menschen, denen Verbrechen vorgeworfen werden, in der Hauptstadt Dhaka festgehalten werden. Dieser investigative Dokumentarfilm, der nach Angaben des Senders mehr als eine Million Mal aufgerufen wurde, enthält Aussagen ehemaliger Häftlinge, Bestätigungen aktueller Militäroffiziere und Fotos von den beengten und unmenschlichen Bedingungen im Gefängnis. Ein Jurymitglied merkte an, dass Netra News „über die nicht erzählten Geschichten in dem Land berichtet und dabei konstant von den Behörden bedroht wird. Diese besondere Geschichte hat eine ‘Folterzelle’ des Militärs in Bangladesch aufgedeckt, was ohne Zweifel das mutigste Beispiel für bangladeschischen Journalismus ist.“

Kategorie Große Medien

Gemeinsame Gewinner*innen

Corredor Furtivo (Geheimer Korridor) — Armando.Info (Venezuela) and El Pais (Spain)

Bild: Screenshot, Armando.Info

Team: Joseph Poliszuk, María de los Ángeles Ramírez und María Antonieta Segovia.

Dieses umfassende Projekt beinhaltet eine ausgeklügelte Datenkartierung, innovative Recherchemethoden und mutige Berichterstattung vor Ort, um ein riesiges Netz illegaler Bergbauaktivitäten in Venezuela und die damit verbundenen Gefahren für die Umwelt und die indigenen Gemeinschaften aufzudecken. Das Projekt, das gleichzeitig von armando.info und der spanischen Tageszeitung El Pais mit Unterstützung des Pulitzer-Zentrums veröffentlicht wurde, kartiert 3.718 illegale Bergbaustandorte in einem Gebiet, das doppelt so groß ist wie Deutschland. Dabei deckt es auch Routen auf, die von Banden des organisierten Verbrechens über Grenzen hinweg genutzt werden. Das Team nutzte KI-Tools, Datenbanken, ein Satellitenverfolgungsprogramm und physische Vermessungen von abgelegenen Dschungelrouten, um eine Geschichte zu erzählen, die auch aussagekräftige Grafiken enthält. Ein Jurymitglied merkte an: „Diese Recherche zeigt, wo es im Journalismus hingeht – und es war eine so gewaltige Aufgabe, dass sie KI eingesetzt haben, um den Code einer Geschichte zu knacken, die wir sonst nie gesehen hätten.“ Ein anderer Juror bemerkte: „Ja, sie haben Werkzeuge wie KI eingesetzt. Aber daneben gab es auch die Bedrohung durch Guerilla- und Drogenbanden. Das war also eine schwierige und gefährliche Arbeit – und wirklich mutig.“

Gemeinsame Gewinner*innen

The Bandit Warlords of ZamfaraBBC Africa Eye (Nigeria)

Bild: Screenshot, YouTube, BBC Africa Eye

Team: Yusuf Anka, Tom Saater, Jamil Mabai, Daniel Adamson, Kai Lawrence, Bulama Bukarti, Tom Roberts.

Alle paar Jahre taucht eine journalistische Arbeit auf, die eine weitgehend verborgene Welt enthüllt – eine Welt, die die Außenwelt zutiefst beunruhigen sollte. BBC Africa Eye hat in einer zwei Jahre dauernden Recherche mit erstaunlichem Mut den allgegenwärtigen Konflikt und das Bandenwesen in Nigerias nordwestlichem Bundesstaat Zamfara aufgedeckt. Zum ersten Mal wurden auch die Motive und Ursachen eines Konflikts aufgezeigt, der im Jahr 2022 Hunderte von Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben hat. Im Mittelpunkt der Berichterstattung steht der einzigartige Zugang zu Warlords und Opfern. Ein Reporter überquerte dafür gefährliche Straßen mit dem Motorrad, um ebenso gefährliche Interviews zu führen. BBC Africa Eye berichtet: „Unter großem persönlichem Risiko besuchte der junge nigerianische Journalist und Jurastudent Yusuf Anka Bandenführer in abgelegenen Lagern im ganzen Bundesstaat – darunter auch einen der Männer, die im Februar 2021 fast 300 Mädchen aus einer Highschool in Jangebe entführt hatten.“ Ein Juror des Global Shining Light Award bemerkte: „Das ist eine großartige Arbeit, bei der der Reporter an viele Orte geht und uns den Kontext liefert – absolut erstaunlich.“ Ein anderes Jurymitglied fügte hinzu: „Er hat außergewöhnlichen Mut bewiesen, als er sich in das Zentrum des Konflikts zwischen den ethnischen Gruppen in Nigeria begab. Er war fast unmittelbar nach den Ereignissen vor Ort und hat uns zum Kern einer Geschichte geführt, die meines Wissens noch nie vorher jemand erzählt hat.“

Exzellenz-Auszeichnung

How Volunteers Buried Civilians en Masse in IziumRadio Liberty/Schemes (Ukraine)

Bild: Screenshot, Radio Liberty/Schemes

Team: Kira Tolstyakova, Valeriya Iegoshyna, Nataliya Sedletska, Kyrylo Lazarevych, Pavlo Melnyk, Maksym Asyka, Heorhii Shabaiev und Anna Peterimova.

Schemes, ein investigatives Projekt des ukrainischen Senders von Radio Liberty, hat für den Global Shining Light Award eine Reihe hervorragender Berichte über mutmaßliche russische Kriegsverbrechen eingereicht, die alle unter erschütternden Bedingungen entstanden sind. Für einen Platz in der Endrunde wählte die Jury eine Schemes-Geschichte aus, die nicht nur die Ursprünge von Massengräbern in der Region Charkiw aufgedeckt hat, sondern auch Beweise für Folterungen von Zivilist*innen fand und die russischen Besatzungsbrigaden als Täter hinter diesen systematischen Menschenrechtsverletzungen identifizierte. Die Reporter*innen konnten sogar Belege für Gespräche mit russischen Soldaten finden, in denen diese über ihre Verbrechen sprachen. Das Team verwendete für die Recherche Dokumente und Open-Source-Instrumente und erzählte diese emotional starke Geschichte anhand von Interviews mit Freiwilligen, die Hunderte von ukrainischen Landsleuten beerdigen mussten. Ein Jurymitglied merkte an: „Diese Geschichte zeigt wie furchtbar es ist, wenn Zivilist*innen ermordet werden, was sehr wichtig ist. Es handelt sich um eine Gruppe von Reporter*innen, die zusammen eine Redaktion gebildet hatten – mit dem Auftrag, über Teile der illegal annektierten Ukraine zu berichten. Am Ende haben sie Verbrechen und sogar die beteiligten russischen Militäreinheiten aufgedeckt.”

Weitere Informationen

 

Dieser Text wurde im Original auf English vom Global Investigative Journalism Network verfasst und von Rowan Philp geschrieben. Philp ist Reporter für das GIJN und war zuvor Chefreporter der südafrikanischen Sunday Times.

2023 Global Shining Light Award Finalists: Small and Medium Outlet Category

2023 Global Shining Light Award Finalists: Large Outlet Category

Global Shining Light Award

Übersetzt wurde der Text von Sarah Ulrich. Ulrich ist German Editor für das GIJN / Netzwerk Recherche und freie Investigativreporterin.